Moses Petuchowski
Vita
(RS) Heirat 18 Dec 1919 Saarlouis
(JiS) s. 28 Jahren in Saarlouis
Ehefau Marthe Lazard geb. Saarlouis
älteste Alteisen- und Metallhandlung im Saarland Gebr. Lazard, später Lazard & Cie.
Schwester in Italien
Juli 1939 nach unbekannt
Dok 101, S. 442-44
(ML) Moses Petuchowski
24.09.1885 in Halberstadt / Sachsen (Provinz)
"Rasse": JJJJ
Verfolgungsgrund: rassisch
Gestorben an den Folgen der NS-Verfolgung
Todesdatum: vor 08.05.1945
17.05.1939 Graf-Werder-Str. 35, Saarlautern (Saarlouis) / Saarlautern (Saarlouis) / Saarland / Deutsches Reich
Heutiger Ortsname: Vaubanstr., Saarlouis / Saarlouis / Saarland / Bundesrepublik Deutschland
Deportation 1942
Zielort der Deportation: Auschwitz, Extermination Camp
(RS) Drancy, Transport No. 28, "Sarroise"
(GB-BA) Petuchowski, Moses
geboren am 24. September 1885
in Halberstadt/Provinz Sachsen
wohnhaft in Saarlouis
Deportation ab Drancy
04. September 1942, Auschwitz, Konzentrations- und Vernichtungslager
für tot erklärt
Notes
(RS) Vater Joseph Petuchowski 15.11.1845 Nowgorod, Russland – 30.12.1922 Halberstadt, Harz
Mutter Helene Chage Petuchowski geb. Marculowitz 17.08.1847 Vilnius, Litauen – 22.03.1910 Halberstadt, Harz
Ehefrau Martha Adele Petuchowski geb. Lazard 10.06.1896 Saarlouis – 04.09.1942 KL Auschwitz; (o)
Biography
(GJS) Die antijüdischen Maßnamen der Jahre 1938/39
Der Fall Moses Petuchowski
Seit dem Beginn des Jahres 1938 gelang es der SS unter Heinrich Himmler, dem SD und der Sicherheitspolizei, den Einfluß der Staatsorgane auf die Judenpolitik zu ihren eigenen Gunsten entscheidend zu schwächen [fn 1123]. SS und SD setzten mit zunehmender Selbstherrlichkeit ihre Vorstellungen von der Behandlung der jüdischen Bevölkerung durch. Eine wichtige Maßnahme bestand im Verbot des Ausstellens von Reisepässen an Juden im November 1937 [fn 1126]. Die Auswanderung sollte hinfort allein von der SS kontrolliert werden.
Ein recht anschauliches Beispiel für die politische Praxis in dieser Hinsicht stellt der Fall des Moses Petuchowski dar. Petuchowski, 1885 in Halberstadt geboren, hatte in die angesehene Saarlouiser Alteisen- und Metallhandlung Gebr. Lazard eingeheiratet und war zu deren Mitinhaber aufgestiegen. Nach der Rückgliederung 1935 hatte ihn das Saarlouiser Polizeiamt zur Feststellung seiner Nationalität aufgefordert. Petuchowskis Eltern nämlich stammten aus der Gegend von Wilna, das 1920 von Polen annektiert worden war. Die geforderte Feststellung zog sich längere Zeit hin, was die Staatspolizei jedoch nicht daran hinderte, im März 1938 die Ausstellung eines Fremdenpasses an Petuchowski zu befürworten, da man ihn zur Ermittlung "von Vergehen devisenrechtlicher Art" einzusetzen gedachte. Nachdem dieser Plan hinfällig geworden war und gleichzeitig das Interesse der braunen Machthaber an einer Abschiebung der Juden wuchs, wurde Petuchowski veranlaßt, ein Schriftstück zu unterschreiben, demzufolge er bis zum 16. 8. 1938 das Reichsgebiet "freiwillig verlassen sollte [fn 1127]. Petuchowski bemühte sich tatsächlich um eine Einreisegenehmigung nach Frankreich und auch nach Italien, wo er Verwandte hatte. Allerdings vergeblich: seine Staatsangehörigkeit war noch nicht geklärt, obgleich er in Deutschland geboren war und stets dort gelebt hatte. Nun drohte ihm die Ausweisung. Am 16. 9. 1938 mischte sich der Bürgermeister von Saarlouis in das Verfahren ein. Dieser zeigte einen erstaunlichen, da gar nicht verlangten antisemitischen Übereifer: Petuchowski, der jahrzehntelang zu den bedeutendsten Steuerzahlern der Kreisstadt gehört hatte, wurde vom Bürgermeister als "lästiger, ausländischer Jude" bezeichnet [fn 1128]. Solange seine Staatsbürgerschaft nicht geklärt sei, solle er in ein KZ eingeliefert werden, um ihn daran zu hindern, "dem Reich in irgendeiner Weise Schaden zuzufügen" [fn 1128]. Darüberhinaus ging der Bürgermeister davon aus, daß nach der Klärung der Staatsangehörigkeitsfrage der Ausweisung nichts mehr im Wege stünde [fn 1128]. Die Untersuchung war offenbar reine Formsache, ihr Ergebnis stand schon im voraus fest.
Die Stellungnahme des Bürgermeisters war kein Produkt des ominösen "Befehlnotstands". Tatsächlich geschah Petuchowski nämlich zunächst nichts - trotz der genannten Empfehlungen. Selbst bei der Abschiebeaktion der Gestapo im Oktober 1938, der 15 000 Juden zum Opfer fielen, war Petuchowski nicht dabei. Anfang Juli 1939 meldete er sich und seine Frau nach unbekannt ab [fn 1130] . Sein weiteres Schicksal ist ungeklärt. Die ihm bis 1939 widerfahrene Behandlung belegt allerdings mehr als deutlich die völlige Schutzlosigkeit der deutschen Juden vor den Willkürakten der Machthaber, die sie benutzten, wenn sie sie brauchen konnten, und verhafteten bzw. auswiesen, wenn es ihnen gefiel. (S. 207)