Myrtil Lazard
Vita
(RS) Heirat 19 Jun 1874 Frankfurt am Main, Hessen: Hermine Weiss (1852–1917)
(AJ) Zum Tod des Gemeindevorstehers und Stadtrates Myrtil Lazard (1898)
Mitteilung in der Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 21. Januar 1898: "In St. Johann an der Saar starb der Mitbegründer und Mitinhaber des Bankhauses Lazard, Brach und Co., M. Lazard, 57 Jahre alt. Er war erster Vorsitzender des Vorstandes der israelitischen Gemeinde, Kreistagsmitglied und Stadtverordneter und in den 70er- und 80er-Jahren auch Mitglied der Handelskammer."
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 28. Januar 1898: "St. Johann - Saarbrücken, 17. Januar (1898). Unter überaus großer Anteilnahme seitens der Behörden, Bürgerschaft sowie der ganzen Gemeinde wurde vergangenen Freitag unser erster Vorsteher, Herr Myrtil Lazard zu Grabe getragen. Der Heimgegangene, der fast ein Vierteljahrhundert dem Vorstand angehörte und sein 1888 den Vorsitz in demselben führte, stand bei der hiesigen Bevölkerung in hohem Ansehen. Seit 1893 Mitglied des Stadtrat, hat er sich durch seine Fähigkeiten, besonders in Finanzangelegenheiten, große Verdienste erworben. Unser Bürgermeister, Herr Dr. Neff, gab daher auch dem Verlust, der die Stadt betroffen, in der für Donnerstag anberaumten Stadtverordnetensitzung in beredten Worten Ausdruck und vertagte dieselbe zu Ehren des Hingeschiedenen bis nach der Bestattung. Besonders schwer aber wird der Verlust dieses ausgezeichneten Mannes von unserer Gemeinde empfunden. Es würde über den Rahmen dieses kurzen Berichtes hinausgehen, wollte ich alle Verdiente aufzählen, die der Verstorbene um dieselbe sich erworben. Möge der Allgütige die trauernde Familie, die so jäh ihrer Krone beraubt worden, und die Gemeinde ob des Verlustes ihres Oberhauptes trösten. Das Andenken des Dahingeschiedenen wird unauslöschlich bei uns fortleben. Er ruhe in Frieden!"
(GJS) Ein anschauliches Beispiel für die praktische Zurücksetzung jüdischer Bürger trotz aller anderslautenden öffentlichen Stellungnahmen und Erlasse ist aus der Garnisonsstadt Saarlouis überliefert. Ein Jude als Offizier war in Preußen auch in den Jahren der offiziellen Emanzipation ein Ding der Unmöglichkeit ganz im Gegensatz zu Frankreich. Dies zeigt der Fall des Myrtil Lazard, der später noch als Bankier in Saarbrücken von sich reden machte [fn 393]. Lazard war im Jahre 1861 in das Hohenzollernsche Füsilierregiment Nr. 40 zu Saarlouis eingetreten, um dort seine Dienstpflicht als EinjährigFreiwilliger abzuleisten. Er wurde anschließend zum Vizefeldwebel befördert und,
nach Ablegung der Offiziersprüfung, 1864 zur Wahl als Reserveoffizier vorgeschlagen und vom gesamten Offizierscorps einstimmig gewählt. Die "allerhöchste Bestätigung" wurde jedoch ohne Angabe von Gründen verweigert [fn 394], die wohl hätten heißen müssen: Lazard ist Jude. Da die staatliche Ernennungs- und Einstellungspolitik sich jeder öffentlichen Kontrolle entzog, waren in diesem Bereich der Willkür Tür und Tor geöffnet. Diese Willkür zeigte sich in Preußen auch darin, daß in bestimmten Situationen das Verhalten den Juden gegenüber schlagartig wechselte, nämlich in Krisenlagen, wenn man die Juden brauchte. Eine solche Situation ergab sich durch den Ausbruch des deutschen Krieges von 1866. Durch sein kühnes Verhalten beim Gefecht zu Werrbach in Baden wurde Myrtil Lazards Bruder Leopold mit dem Militär-Ehrenzeichen von 1806 ausgezeichnet, vor dem die Schildwachen salutieren mußten [fn 394]. (S. 93)
(GJS) Die Saarbrücker Geschäftswelt konzentrierte sich örtlich auf die Bereiche Bahnhofstraße, Kaiserstraße und deren Neben- und Seitenstraßen. Dies galt auch für die Büros, Praxen und Geschäftsstellen der sogenannten Freiberufler. Auch auf diesem Sektor vollzog sich bis zum Ende der Monarchie ein Wandel. Zunächst ist das Verschwinden jüdischer Kreditinstitute festzustellen. Das letzte Privatbankhaus, Lazard, Brach & Co., das 1872 von den Saarlouiser Brüdern Myrtil und Leopold Lazard gegründet worden war [fn 528], wurde bis zu seinem Tode im Jahre 1898 von Myrtil Lazard geleitet. Als Vorstand der Gemeinde, als St. Johanner Stadtrat (seit 1893) und als Mitglied der Saarbrücker Casino-Gesellschaft - er hatte als einziger Jude dort Zutritt - spielte er im öffentlichen Leben der Saarmetropole eine bedeutende Rolle. Sein Tod war ein Ereignis, über das auch die überregionale Presse berichtete [fn 529]. Der St. Johanner Bürgermeister Neff setzte zu Ehren des verstorbenen Stadtrats die Stadtverordnetensitzungen bis nach der Bestattung aus [fn 529]. Das Bankhaus selbst hatte seine Führung verloren, da Lazards Erben noch minderjährig waren [fn 530]. Es geriet bald in Liquiditätsschwierigkeiten und wurde 1904 von der Bergisch-Märkischen Bank übernommen (heute Deutsche Bank Saar) [fn 531]. (S. 14)
Bemerkungen
(RS) Vater Ludwig Louis Lazard 1797–
Mutter Regina Lazard geb. Levy 1801–1891
Geschwister:
Palmira Lazard 1831–1918
Gernance Lazard 1833–1837
Clothilde Lazard 1834–1837
NN Lazard 1838–1838
Hermann Lazard 1839–1905
Coralie Lazard 1842–1904
Leopold Lazard 1843–
Ehefrau Hermine Lazard geb. Weiss 1852–1917
Kinder:
Anna Louise Lazard 1875–1944
Louis Hermann Lazard 1877–1935
Clothilde Jenny Lazard 1880–1942
Paul Heinrich Philipp Lazard 1885–1942