geboren am
Jüdischer Schüler
Flucht 1938
USA
Hans Ernst Jacob Kahn wurde am 11. November 1924 in Köln geboren. Die ersten Jahre seines Lebens verbrachte er in einem jüdischen Waisenhaus. Im Alter von 5 Jahren wurde er von Alfred und Johanna Kahn aus Mannheim adoptiert, die ihn wie ihr eigenes Kind erzogen. Von da an lebte er bei ihnen in der Augustaanlage 34.
Später erinnerte er sich an die vielen Diskriminierungen, die er nach 1933 als Junge in Mannheim erleiden musste, darunter Verprügelungen durch Mitschüler und Schikanen durch NS-Lehrer. Im Jahr 1938 wurde er von seiner Schule, der Badischen Moll-Realschule Mannheim, verwiesen. In der Pogromnacht lag seine Mutter im Krankenhaus und sein Vater war auf einer Geschäftsreise in der Schweiz. So erlebte der 13-jährige Hans den Tag der Gewalt allein, wurde Zeuge der Zerstörung seines Elternhauses und der Synagoge, in der er kurz zuvor seine Bar-Mizwa gefeiert hatte, und musste mit ansehen, wie mehrere seiner Nachbarn misshandelt wurden.
Alfred Kahn gelang es, in der Schweiz zu bleiben, von wo aus er weiter versuchte, die Auswanderung der gesamten Familie in die Vereinigten Staaten zu organisieren. Hans erinnerte sich: „Mein Vater wollte unsere ganze Familie ausreisen lassen, konnte aber nur ein amerikanisches Visum für ein einziges Familienmitglied bekommen. Die Familie beschloss, dass ich es bekommen sollte.“ Im
Dezember 1939 begleitete Johanna Kahn ihren Sohn an die Schweizer Grenze, wo er von seinem Vater in Empfang genommen wurde. Die Grenzbeamten schickten Johanna Kahn zurück nach Deutschland. Es war das letzte Mal, dass Hans seine Mutter sah. Von der Schweiz aus reiste er weiter nach Italien. Am 21. Dezember 1939 war er auf der SS Saturnia von Genua nach New York City, an Bord befanden sich 1.004 Passagiere, darunter 750 deutsch-jüdische Flüchtlinge. Er war gerade 15 Jahre alt geworden.
In den USA lebte Hans eine Zeit lang bei der Familie einer der Schwestern von Johanna Kahn und schlug sich mit Gelegenheitsarbeiten durch. Im Frühjahr 1943, im Alter von 18 Jahren, meldete er sich freiwillig zur US-Armee und wurde dem 508th Parachute Infantry Regiment zugeteilt. Er war erst kürzlich eingebürgert worden und hatte bewusst den katholisch klingenden Namen Harry Kennedy gewählt, um sich im Falle einer Gefangennahme zu schützen. Als amerikanischer Soldat nahm Harry Kennedy am D-Day, an der Ardennenschlacht und an der Befreiung der Niederlande teil und wurde mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit zwei Purple Hearts, dem amerikanischen Verwundetenabzeichen. Als er Alfred nach dem Krieg in seiner amerikanischen Uniform besuchte, erkannte ihn sein Vater zunächst nicht wieder.
Harry Kennedy kehrte in die Vereinigten Staaten zurück, heiratete und bekam zwei Söhne. Bis zu seinem Tod im Jahr 2009 teilte er seine Geschichte regelmäßig mit Studierenden. In seinen Memoiren schrieb er: "Obwohl ich allen Grund hatte, die Deutschen zu hassen, habe ich mich nie dazu hinreißen lassen, Kriegsgefangene zu misshandeln. (...) Im Vergleich zu anderen Juden habe ich körperlich wenig gelitten, aber der Schmerz in mir wird immer da sein. Ich will aber sagen: Ich hatte das Glück, dass ich später oft im Kampf gegen die Deutschen zurückschlagen konnte."
Die Stolpersteine zum Gedenken an Hans, Alfred und Johanna Kahn wurden am 18. Oktober 2023 verlegt.
Text: Johanna S. Mai
Q: https://www.marchivum.de/de/stolperstein/hans-jakob-kahn