Michael Eberhard August Lützenburger
Vita
(LEA) Sekretär
Lützenburger, August, geb. am 05.09.1881 in Leichendorf, gest. am 29.02.1948 in Wiebelskirchen, Sekretär, 1937 aufgrund seiner Ehe mit einer Jüdin in den Ruhestand versetzt, 1942 halbierte Rationen für die Tochter Helma, 1943 Schlaganfall infolge der Unterernährung und Depression, 1945 Tochter im KZ Theresienstadt
(RS) Heirat 4 Dec 1906 Malstatt-Burbach, Saarbrücken
(GJS) Hier zeigte sich darüberhinaus auch der Hang Bürckels zu selbstherrlicher Eigenmächtigkeit, die er während seiner Herrschaft an der Saar oftmals an den Tag legte. Angesichts der völlig unklaren Kompetenzverteilung zwischen Partei- und Staatsorganen bezüglich der Judengesetzgebung [fn 1071] konnte sich Bürckel diese Eigenmächtigkeit lange ungestraft erlauben. So wurde am 12.5.1937 der evangelische Eisenbahnsekretär August Lützenburger aus Wiebelskirchen zwangsweise in den Ruhestand versetzt. Er war mit der Jüdin Fanny Hayum verheiratet und deswegen, nach Ansicht der Gauleitung, genauso zu behandeln wie die Juden [fn 1072]. Diese Ansicht entsprach jedoch keineswegs den Nürnberger Gesetzen und deren Folgebestimmungen, hier dem 2. Reichsbürgergesetz vom 21. 12. 1935. Im Gesetzestext ist nur von "Juden", nicht aber von "Jüdisch-Versippten" die Rede, wodurch die oben erwähnte Maßnahme der Gauleitung selbst nach den Maßstäben der NS-Justiz nichts anderes war als ein Rechtsbruch [fn 1073]. (S. 199)
(ML) August Lützenburger
05.09.1881 in Leichendorf / Fürth / Bayern
"Rasse": NNNN
Verfolgungsgrund: kollektiv
17.05.1939 Wilhelmshagener Str. 43, Wiebelskirchen / Ottweiler / Saarland / Deutsches Reich
Bemerkungen
Ehefrau Lützenburger Fanny geb. Hayum 12.01.1873 Kirf, Trier-Saarburg – 20.09.1939 Wiebelskirchen, Neunkirchen
Tochter Kaub Helma geb. Lützenburger 01.03.1915 Saarbrücken – 23.12.2001 Wiebelskirchen, Neunkirchen
Arbeitszeugnis der Mühle von M. Lützenburger (Onkel des Antragstellers)
Biografie
(St-NK) Am 12. Mai 1937 wurde Herr Lützenburger auf Betreiben der NS-Gauleitung zwangsweise in den Ruhestand versetzt. Die Gauleitung forderte in ihrem Schreiben, (30) dass er nach den gleichen Grundsätzen zu behandeln sei wie die Juden, weil er mit einer Jüdin verheiratet sei und sein „Mangel an rassischem Denken“ verstärkt werde, da seine Tochter der jüdischen Religionsgemeinschaft zugeführt worden sei. Tochter Helma Lützenburger arbeitete als Hotelangestellte und als Haushaltshilfe in Bad Wildungen, Frankfurt und Baden-Baden. In der Reichspogromnacht war Fanny Lützenburger vorübergehend verhaftet worden. Der NSDAP Ortsgruppenleiter forderte danach die Familie auf, das Land zu verlassen. Wegen ihrer bescheidenen Lebensumstände war ihnen das jedoch nicht möglich. Im April 1939 enteignete das eigens für solche Zwecke eingesetzte Leihamt Mannheim der Familie die verbliebenen Schmuck- und Wertsachen gegen einen Spottpreis von 3.- RM. Dies war keine persönliche Willkür, die Wilker war staatlich geregelt. Grundlage derartiger Enteignungen war die Verordnung über die Anmeldung des Vermögens der Juden (31). Da Fanny Lützenburger an einem Herzleiden erkrankte, sah sich die Tochter Helma genötigt, ihren Beruf aufzugeben und zu den Eltern zu ziehen. Die Lebensbedingungen verschlechterten sich noch mehr. Mit Einführung der Rationierung erhielten Fanny und Helma nur eine halbe Lebensmittelzuteilung, keine Fleischkarte, keine Zulagen. Herr Lützenburger teilte seine Ration mit seiner Familie. Einzelne Paketsendungen jüdischer Organisationen aus den Vereinigten Staaten mit Kaffee und Tabakwaren verhalfen der Familie zeitweise zu eingetauschtem Fleisch und anderen Lebensmitteln. Einige Mitbürger ließen den Benachteiligten heimlich ebenfalls etwas zukommen. Fanny Lützenburger zerbrach an den vielen Drangsalen; sie starb am 20. September 1939. (...)
Herr Lützenburger versuchte erfolglos bei der Reichsbahn wieder eingestellt zu werden; dies gelang ihm bei der metallverarbeitenden Firma Menesa in Neunkirchen. Im Juli 1943 erlitt er jedoch einen Schlaganfall, dessen Folge eine einseitige Lähmung war. August Lützenburger und Tochter Helma waren nun fast mittellos und die Tochter musste sich um den Vater kümmern. (...)
Herr Lützenburger hatte überlebt; es ist anzunehmen, dass Vater und Tochter zusammenlebten. Er verstarb am 29. Februar 1948 in Wiebelskirchen.
Q: https://www.neunkirchen.de/fileadmin/user_upload/neunkirchen/40_Dateien-Hochladen/40_PDF-Flyer-Hochladen/Stolpersteine_2018.pdf