Julius Herzberger

Status:
Verfolgungsbedingter Tod
Geschlecht:
männlich
Geburtsname:
Nicht bekannt
Genannt:
-
Alias:
-
Geburtsdatum:
26. Oktober 1866
Geburtsort:
Wohnort:
Ort der Schädigung:
Nicht bekannt
Todesdatum:
20. Februar 1934
Verstorben in:
Signatur LEA:
*Aufgrund rechtlicher Bestimmungen ausgeblendet

Vita

(RS) Heirat 25 Aug 1903 Breslau, Wroclaw, Polen
(bio) Die ehemals in Lindau lebenden jüdischen Geschäftsleute Alfons und Julius Herzberger erlebten dieses Pogrom nicht mehr in Lindau. Beide flohen bereits im März 1933 aus der Stadt, nachdem bei den Reichstagswahlen vom 5. März in Lindau die NSDAP mit rund 4600 Stimmen Wahlsiegerin wurde und bereits am 1. März bei hiesigen Kommunisten und am 11. März bei Sozialdemokraten die ersten Hausdurchsuchungen und Verhaftungen stattgefunden hatten.
Am 8. April meldete Lindaus Stadtverwaltung nach Augsburg, das hier noch „16
Israeliten“ lebten. Die jüdischen Gebrüder Alfons und Julius Herzberger, letzterer 1866 im hessischen Zwingenberg geboren, hatten zu Beginn der 20er-Jahre in Lindau Häuser gekauft, um von hier aus noch für einige Jahre ihre Firma Josef Levy, Witwe, AG im saarländischen Neunkirchen zu leiten und zusammen mit ihren Familien hier einen Großteil ihres Lebensabends zu verbringen.
Alfons Herzberger bewohnte den alten „Haldenhof“ mit der heutigen Adresse Bäuerlinshalde 42. Er war im 1. Weltkrieg als deutscher Soldat und Vizefeldwebel mit dem EK 1-Orden ausgezeichnet und zum Reserve-Offizier befördert worden. Sein zum evangelischen Glauben übergetretener Bruder Julius hatte die 1879 in Breslau (Wrozlaw) geborene evangelische Cäcilie Kassel geheiratet und bewohnte zusammen mit dieser in Lindau das Landhaus in der Schöngartenstraße 21. Julius war inzwischen Mitglied des Lindauer SPD-Ortsvereins geworden.
Während Alfons im März 1933 direkt in das bis 1935 französisch verwaltete Saarland floh, besuchte Julius zuerst seine Frau, welche sich damals in Zielschlacht bei Romanshorn in einem Sanatorium von einer schweren Erkrankung erholte. Danach reiste auch er nach Neunkirchen.
Ab Juli 1933 wurden Lindaus NS-Behörden aktiv, um sich der emigrierten Brüder zu bemächtigen. Doch diese kamen nicht zurück, weil sie wie eine Aktennotiz es festhielt, befürchteten, „bei einem Übertritt über die Grenze verhaftet und nach Dachau geschickt zu werden.“ (...)
Julius Herzberger zog im November in die „Casa Bellania“ in Ascona. Dort traf er seine Schwester Maria und deren Mann. Montags traf sich hier damals ein kleiner Kreis deutscher Flüchtlinge im Haus von Kunstmäzen Bernhard Mayer. Noch im Januar schrieb Herzberger an einen freundschaftlich verbundenen Bauern in Lindau-Schöngarten einen zuversichtlich klingenden Brief, welchen die Postzensur allerdings abfing.
Doch nachdem es Lindaus Bürgermeister Siebert Anfang Februar 1934 gelang, in Berlin über die dortige Polizei auch noch verbliebene 80 Mark sowie Aktien im Wert von 3400 Mark beim Bankhaus Bett, Simon & Co. zu beschlagnahmen, sah Julius Herzberger immer weniger die Möglichkeit einer für ihn und seine Frau menschenwürdigen Lösung.
Am 22. Februar berichtet die Tessiner Zeitung „Il Cittadino“: „Gestern Morgen gegen acht Uhr nahm sich ein Herr, der Ausländer H.J., 67 Jahre alt, mit einem Revolverschuss in die Schläfe das Leben … Möglicherweise nahm sich Herr H. das Leben, weil er sich mit einer schweren Nervenkrankheit quälte.“
Seine Frau, Cäcilie Herzberger, lebte 1935 wieder im Haus in der Schöngartenstraße 21 und zog 1939 nach Reichenbach im Eulengebirge. Ihr weiteres Schicksal ist bisher unbekannt.
Bruder Alfons Herzberger erreichte vorbei an den Machenschaften der Lindauer Machthaber, dass ein Mitarbeiter der Reichsnährstandsbehörde in Berlin den alten
Haldenhof oberhalb des Wannentals kaufen konnte, nachdem die Beschlagnahmeverfügung der Politischen Polizei in München im Juli 1934 wieder aufgehoben wurde. Die notarielle Verbriefung fand im saarländischen Neukirchen statt, welches erst im Januar 1935 Bestandteil von NS-Deutschland wurde.
(http://www.edition-inseltor-lindau.de/NS-Staatsterror.pdf)

Bemerkungen

(RS) Vater Ferdinand Herzberger 1832 Bickenbach, Darmstadt-Dieburg – 17.09.1910 Mainz
Mutter Caecilie Herzberger geb. Levinger 1841 Steppach, Gaildorf, Schwäbisch Hall – 09.01.1906 Berlin
Geschwister:
Hermann Herzberger 05.03.1863 Zwingenberg, Bergstraße, Hessen – ?
Clementine Herzberger 29.03.1864 Essen – 20.07.1955 Muralto, Locarno, Schweiz, verh. Levy
Jenny Herzberger 01.06.1865 Zwingenberg, Bergstraße, Hessen – 03.02.1944 KL Auschwitz, verh. Levy (o)
Maria Else Herzberger 04.03.1877 Mainz – 1962 Ascona, Tessin, Schweiz
Alphons Leopold Herzberger 27.04.1879 Mainz – 18.06.1941 Bergerac, Dordogne (ko)
Ehefrau Caecilie Kassel 26.02.1879 Kleinburg, Borek, Polen – 15.05.1944 KL Auschwitz; (ks)