Koscheres Essen

Die Einhaltung der Kaschrutvorschriften

Autor: Marcel Wainstock

Koschere Metzgereien in Saarbrücken in den 1920er und 1930er Jahren

In Saarbrücken gab es in den 1920er Jahren und bis zum Anfang der 1930er Jahre zeitweise gleichzeitig sechs bis sieben  jüdisch geführte Metzgereien, die koscheres Fleisch oder Geflügel anboten. Sie wetteiferten um ihre Kundschaft mittels regelmäßig erscheinenden Werbe-Inseraten im „Nachrichtenblatt der Synagogengemeinde des Kreises Saarbrücken“ insbesondere vor wichtigen jüdischen Feiertagen, denn zu solchen Gelegenheiten gab und gibt es sowohl bei religiös praktizierenden wie auch bei weniger oder gar nicht praktizierenden Juden besondere traditionelle Speisen - und an Feiertagen waren und sind bis heute noch meistens auch Fleischgerichte angesagt.

Die Witwe S. Bloch bot „1a Gänse und sonstige Geflügel“ sowie lebende Fische in der Viktoriastraße 25 an. Der Nachfolger, die Metzgerei Moses Levy, hatte gleichzeitig ein Geschäft in Saarlouis. Die Metzgerei Durlacher GmbH in der Eisenbahnstraße 60  warb ebenfalls für ihr Geflügel, für Aufschnitt und Wurstwaren. Alfred Levy pries Aufschnitte, Wurstwaren, Geflügel und Feinkost in seinem Geschäft am Rathausplatz 5 an (später in der Kaiserstraße 26). Frisches Geflügel, auf Bestellung frisch geschlachtet, gab es bei H. Weißenberger in der Türckenstraße 21. Koscheres Ochsen-, Kalb- und Hammelfleisch sowie feinste Wurstwaren bot Adolf Wolf Nachf.  in seiner „streng koscher“ geführten Metzgerei in der Kaiserstraße 5 an. Die Metzgerei Ury in der Dudweilerstraße 5 hatte täglich frische Wurstwaren sowie ebenfalls Ochsen-, Kalb- und Hammelfleisch im Sortiment. Fertig zubereitetes koscheres Essen konnte man in der Pension Süßmann im 2. Stock der Bahnhofstraße 91 oder in Raphael Blochs Hotel Victoria in der gleichnamigen Straße Hausnummer 16 und zeitweise im Restaurant Levy in der Fürstenstraße zu sich nehmen.

Die Mitgliederzahl der Saarbrücker Synagogengemeinde zu jener Zeit betrug ungefähr 2.500 Seelen mit steigender Tendenz insbesondere durch Emigranten aus dem Reich nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten. Das war etwa die Hälfte der Juden, die damals im Saargebiet lebten, ca. 1,81% der Saarbrücker Gesamtbevölkerung.

Mit Sicherheit haben damals nicht alle jüdischen Saarbrücker Familien einen streng koscheren Haushalt geführt; es mag auch sein, dass manche bei jüdischen Metzgereien einkauften, um ihre Glaubensgenossen zu unterstützen oder einfach nur weil die Qualität des Angebots ihnen dort besser gefiel, als bei nicht-jüdischen Metzgern.

Ob das eingekaufte koschere Fleisch oder Geflügel aber danach zu Hause immer von allen strikt nach den Vorschriften der Kaschrut zubereitet und genossen wurde, mag dahin gestellt bleiben.

Was heißt eigentlich „koscher“ und was hat es mit den drei hebräischen Buchstaben auf sich, die dafür stehen?

Was beinhaltet der Begriff „Kaschrut“?

Das hebräische Wort kascher (koscher in jiddischer Aussprache und so ins Deutsche übernommen) wird mit den drei hebräischen Buchstaben „Kaf“ „Schin“ „Resch“ geschrieben und bedeutet „tauglich“, „brauchbar“. Es wird in der jüdischen Bibel nur im Buch Esther 8,5 und in Prediger Salomo 10,10 und 11,6 verwendet und ist demnach ein seltener und später Begriff. Im rabbinischen Hebräisch ist es geläufiger und bedeutet „richtig“, „brauchbar“, „passend“ und davon abgeleitet „rituell erlaubt, legal“ oder „den Religionsvorschriften entsprechend“. Unter dem Sammelbegriff Kaschrut  fasst man die gesamten Regeln zusammen, die sich im Judentum auf die menschliche Nahrung beziehen. Bei koscheren Metzgereien und Restaurants steht das hebräische Wort oft im Schaufenster als Hinweis, etwa wie „Halal/Helal“ bei muslimischen Metzgereien.

Allerdings wird der Gebrauch des Wortes koscher nicht allein auf Tiere und Nahrung bezogen. Er kann sich z. B. auch auf Kultgegenstände hinsichtlich ihrer rituellen Tauglichkeit beziehen.  Im Folgenden ist jedoch nur die religiöse Bedeutung im jüdischen Kontext der Vorschriften für Speisen und Ernährung gemeint.

Kascher/Koscher bezogen auf Lebensmittel

Im jüdischen Gebrauch ist Kascher/Koscher  ein religiöser Ausdruck mit ganz spezifischer Bedeutung: Religiöse Kriterien - und nur solche – bestimmen seine Anwendung.

Alle Speisen und Getränke, die den Anforderungen der diesbezüglichen jüdischen religiösen Vorschriften genügen, sind koscher, d.h. für einen observanten Juden/eine observante Jüdin zum Essen bzw. Trinken geeignet und erlaubt. „Unkoscheres“ zu essen, ist für einen praktizierenden Juden verboten. Warum?

Jüdisch, d.h. nach den religiösen Vorschriften des Judentums zu leben und zu handeln, ist etwas allumfassendes, das alle Lebensmomente eines Menschen durchdringt und in gewisser Weise reglementiert. Kein Aspekt kann ganz isoliert für sich betrachtet werden, denn jeder hängt mit vielen anderen vielleicht auf den ersten Blick von außen betrachtet  nicht immer ersichtlichen, zusammen. Dies trifft insbesondere auf das Essen und Trinken zu und insofern auch schon auf Abläufe vor dem eigentlichen Essen, nämlich die Wahl der Nahrungsmittel, die Zubereitung des Essens und der Getränke, deren Aufbewahrung und die Art und Weise der Einnahme dieser Speisen und Getränke. Folglich kann man sagen, dass „koscher zu essen“, nicht nur „bewusst essen“ heißt, sondern darüber hinaus und in zeitlicher Abfolge sogar noch davor: Sich koscher zu ernähren heißt, bewusst  und überlegt einzukaufen und bewusst und überlegt zu kochen, bzw. mehrmals und immer wieder bewusst auszuwählen und zu entscheiden, sei es im Alltag zu Hause oder unterwegs auf Reisen.

Nun ist das in der täglichen Praxis nicht immer so kompliziert, wie es in dieser ersten sehr abstrakt theoretischen äußerlichen Beschreibung erscheinen mag, denn in der Regel wird dieses „bewusste Unterscheiden“ im Laufe der jüdischen Erziehung eines Kindes zu einer erwachsenen Person zu einem völlig verinnerlichten Automatismus – und bei außergewöhnlichen besonderen Fragen wendet man sich an den Rabbiner.

Die Vorschriften und Regeln der Kaschrut basieren auf Aussagen aus der Tora (den 5. Büchern Mose) und späterer rabbinischer Auslegungen und Schlussfolgerungen daraus.

Zum Verzehr für Juden erlaubt sind unter den Säugetieren: Paarhufer mit ganz durchgespaltenen Klauen, die gleichzeitig Wiederkäuer sind. (Das Schwein ist ein Paarhufer, aber kein Wiederkäuer, deswegen ist Schweinefleisch verboten).

Unter den Vögeln können verzehrt werden: Huhn, Truthahn, Ente, Gans, Tauben und Wachteln.

Unter den Fischen sind alle Süßwasser-und Meeresfische, die gleichzeitig Flossen und Schuppen haben, erlaubt. Fischrogen von erlaubten Fischen ist immer koscher. Alles andere Meergetier wie Muscheln, Tintenfische, Krustentiere sind verboten.

Ebenso zum Verzehr verboten sind Insekten. Ein Prinzip der koscheren Küche lautet: Produkte von erlaubten Tieren sind ebenfalls erlaubt, Produkte von verbotenen Tieren sind ebenfalls verboten. Es gibt  jedoch eine wichtige Ausnahme von dieser Regel: Unter den Insekten, gibt es eines, dessen Produkt koscher und erlaubt ist: Nämlich der Honig der Bienen, die selber nicht koscher sind.

Also: Erlaubt sind Kuhmilch, Ziegenmilch und Schafsmilch sowie natürlich daraus hergestellte Produkte wie Butter, Käse (mit Einschränkungen, siehe weiter unten, Sahne). (Nicht erlaubt wäre z. B. Kamelmilch, Stuten- oder Eselsmilch und damit hergestellte Produkte).

Bei den Vögeln sind die Eier der erlaubten Arten ebenfalls erlaubt. Die Eier von verbotenen Vögeln sind ebenfalls nicht koscher.

Die Definition der zum Verzehr erlaubten Säugetiere ist klar (zugleich Wiederkäuer und ganz durchgespaltene Hufe), aber der Bibeltext gibt keine Erklärung, warum gerade diese beiden Kriterien so wichtig sind.

Die jüdischen Weisen, die sich im Laufe der Jahrhunderte in zahlreichen Debatten damit beschäftigten, kamen zu keinem befriedigenden Resultat. Damit bleibt die Kaschrut eine unerklärte und für Menschen unerklärbare Gesetzeskategorie mit Geboten (Mitzwot), die in Gehorsamkeit gegenüber Gott einfach nur angenommen und befolgt werden sollen.

An einer späteren, als der zuletzt  zitierten Stelle der Tora, nämlich im 5. B. M., 14:4-5, werden die  zum Verzehr erlaubten Säugetiere namentlich aufgezählt: „Dies aber sind die Tiere, die ihr essen dürft: Rind, Schaf, Ziege, Hirsch, Reh, Damhirsch, Steinbock, Gemse, Auerochs und Antilope“.

Trotzdem findet sich auf den Speiseplänen religiöser Juden, was Säugetiere anbelangt,  außer Rind, Kalb, Schaf und Ziege keinerlei Wild, obwohl es die Tora doch ausdrücklich erlaubt. Warum?

Der Grund ist, weil selbst Fleisch von erlaubten Tieren, um koscher zu bleiben, bevor es auf den Tisch kommt, noch anderen Kriterien genügen muss.  Ein erlaubtes Tier muss geschächtet werden, damit sein Fleisch koscher ist bzw. bleibt. Wild muss aber geschossen werden, und Fleisch von Tieren, die auf diese Weise getötet wurden, ist für observante Juden nicht zum Verzehr erlaubt. Diese Bestimmungen und viele andere weiterführende Auslegungen für die koschere Küche haben Rabbiner im Laufe der Jahrhunderte aufgestellt, sie stehen nicht direkt so formuliert in der Tora, sind aber Ableitungen der Worte der Tora.

Koscher ist nur ein erlaubtes Tier, das unverletzt ist und bei dem die inneren Organe, insbesondere die Lunge, gesund sind. Verletzte und kranke Tiere sind nicht koscher und dürfen nicht verzehrt werden, selbst dann nicht, wenn es sich um erlaubte Tiere handelt und diese geschächtet wurden.

Um die Eignung des Fleisches zum koscheren Verzehr zu gewährleisten, gibt es den rituellen Schächter, den Schochet und den Lebensmittelkontrolleur, den Maschgiach. Beide müssen fromme Juden sein und nach den Geboten der Tora leben, sonst dürfen sie dieses Amt nicht ausüben. Natürlich müssen sie darüber hinaus fundierte Spezialkenntnisse für ihre Berufstätigkeit besitzen, aber die Frömmigkeit ist eine Garantie für die Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit der Ausübung ihrer Tätigkeit und soll vor Korruption schützen. Ein gottesfürchtiger Mensch weiß, dass er bestenfalls Menschen täuschen kann, aber auch, dass er sich damit gleichzeitig gegen Gott versündigt.

Das koschere Schlachten: Die „Schechita“

Beim Schächten blutet das Tier gründlicher und schneller aus, als bei vorheriger Betäubung. Außerdem würden dem Tier durch die Betäubung Verletzungen zugefügt, die es für koscheren Verzehr untauglich machen würde.

Blut (von Warmblütlern) darf von Juden nicht verzehrt werden. Ein weiteres Bibelzitat bekräftigt dies: „Denn das Blut ist die Seele, und du sollst nicht die Seele mit dem Fleisch essen" (5. Moses 12,23). Deswegen ist das möglichst vollständige Ausbluten des Tieres beim Schächten ein sehr wichtiger Punkt. (Blut von erlaubten Fischen ist erlaubt).

Sinn des rituellen jüdischen Schächtens ist, dem Tier beim Tötungsvorgang möglichst keinen Schmerz zuzufügen und es gleichzeitig sehr schnell ausbluten zu lassen. Sehr vereinfacht gesagt, beinhaltet der Vorgang einen extrem schnellen Schnitt gleichzeitig durch die Luftröhre und die Hauptarterie bis zur Wirbelsäule, so dass das Tier durch den sofortigen Abfall des Blutdrucks bewusstlos wird und daher sehr geringen oder gar keinen Schmerz spürt.

In der Antike war es jedem Erwachsenen, der sich mit den Religionsgesetzen auskannte, erlaubt, das Schächten, die „Schechita“, selbst auszuüben. Im Mittelalter wurde vereinbart, dass potentielle Kandidaten für die Ausübung der Schechita im Hinblick auf die Erlangung eines Diploms (Kabbala) als ritueller Schächter, vor einem Rabbiner eine mündlich-theoretische und eine praktische Prüfung ablegen müssen. Eine Synode, die in Deutschland im Jahre 1220 abgehalten wurde, beschloss, dass niemand die Tätigkeit eines „Schochet“ ausüben darf, der nicht im Besitze eines solchen Diploms ist.

Heutzutage wird ein solches Diplom einem Kandidaten, der eine mündliche Prüfung über die Vorschriften der Schechita und der Kaschrut  bestanden hat und der auch noch in korrekter Weise mindestens drei Mal in Anwesenheit von Experten  rituell geschlachtet hat, ausgehändigt. Nur Fleisch, welches von einem Schochet geschlachtet wurde, der im Besitze eines solchen Diploms ist, gilt als koscher und ist zum Verzehr durch Juden erlaubt. Die Aushändigung eines Schächtdiploms unterliegt strengen Reglementierungen.

Das Schächtmesser ist ein gerades Langmesser. Die Klinge muss rasierklingenscharf und in einwandfreiem Zustand sein, sie darf keinerlei Scharten, Widerhaken oder sonstige Defekte haben, damit das Fleisch beim Schnitt nicht zerrissen wird. Das Messer muss mindestens zwei Mal so lang sein, wie der Hals des zu schlachtenden Tieres breit ist und darf nicht spitz sein. Die Klinge wird heutzutage aus sehr hochwertigem Edelstahl gefertigt. Eine der wichtigen Etappen bei der Ausbildung zum Schochet ist das Erlernen des Schärfens des Messers.

Der Akt des Schächtens

Bevor der Schochet das Messer ansetzt, spricht er einen besonderen Segensspruch. Verletzte und kranke Tiere sind nicht koscher und dürfen nicht gegessen werden. Deswegen muss auch beim Transport darauf geachtet werden, dass die Tiere nicht zu Schaden kommen.

Nach dem Schächten wird der Tierkörper nochmals sehr gründlich untersucht, um sicherzustellen, dass es gesund war. Die Fleischbeschau wird eingehend und aufmerksam durchgeführt, denn jedes Tier, das einen Makel aufweist, ist nicht koscher.

Nun ist ein erlaubtes gesundes Tier rituell geschlachtet worden, es wurde nochmals untersucht und für gesund befunden, es ist ausgeblutet, aber das genügt noch nicht, damit es auf die Theke der koscheren Metzgerei gelangt, denn vom koscheren Tier dürfen nicht alle Teile gegessen werden.

Die Hüftsehne (Spannader), der Unschlitt (das Fett) und natürlich das Blut sind nicht koscher.

Ausnahmen bei erlaubten Lebensmitteln

Die Hüftsehne wird bei Juden in Erinnerung an den in der Bibel beschriebenen Kampf von Jakob mit dem (Todes-)Engel (1. B.M. Gen. 3:24)) nicht verzehrt und muss aus dem Fleisch entfernt werden. Es ist eine Sehne im Oberschenkel des Tieres (nervus ischiaticus, der Ischias Nerv, in der Hüftgegend, auch Spannader genannt). Weil diese biblische Szene eine Schlüsselszene für das Schicksal des Volkes Israel ist, haben die Rabbinen festgelegt, dass diese Sehne bei Tieren nicht gegessen werden soll.  Und weil diese Sehne nur durch sachkundige Hand entfernt werden kann und danach das Fleisch des Hinterteils stark zerfasert ist, wird, wo ein solcher Spezialist nicht vorhanden ist, der ganze hintere Oberschenkel nicht gegessen und meistens an Nichtjuden verkauft.

Was hat es mit dem Unschlitt (Fett) auf sich? Das frei auf dem Fleisch liegende Fett der Rinder, Schafe, Ziegen, Unschlitt oder Talg, war zur Zeit des Tempels für den Altar bestimmt. Es darf zum Herstellen von Kerzen benutzt werden, aber essen dürfen Juden dieses Fett nicht. Fett von erlaubtem Geflügel wie Huhn, Gans, oder Ente ist hingegen zum Verzehr erlaubt.

Streng verboten ist auch der Genuss von Blut, denn die Tora betrachtet das Blut als Sinnbild des Lebens und Sitz der Seele: „Esset das Fleisch nicht mit seinem Blut, in dem sein Leben ist“ (1. B.M. 9:4) wurde schon erwähnt. Und an anderer Stelle heißt es: „lhr sollt auch kein Blut essen, weder vom Vieh noch von Vögeln, überall wo ihr wohnt“ (3. B. M. 7:26; auch 17:10-14). Daraus ergibt sich im Umkehrschluss, dass Blut von (erlaubten) Fischen zum koscheren Verzehr freigegeben ist.

Das strikte Verbot des Verzehrs von Blut, selbst desjenigen, das von erlaubten Warmblütern stammt, wird in der koscheren Küche auch dann noch sehr ernst genommen, wenn das Stück Fleisch vom koscheren Metzger zu Hause zubereitet wird. Bevor es gebraten oder gekocht wird, muss es zusätzlich „koscher gemacht“ werden. Das heißt, es muss vom allerletzten Rest Blut, das es noch enthält, vollständig befreit werden. Das geschieht entweder durch Einsalzen oder bei besonders blutreichen Fleischteilen, wie z. B. der Leber, durch Rösten über offenem Feuer. Heutzutage bieten als Erleichterung für die Hausfrau die meisten koscheren Metzger Fleisch an, das diese Prozeduren bereits hinter sich hat.

Eier enthalten manchmal einen Blutstropfen. Deswegen werden sie beim koscheren Kochen und Backen stets einzeln zuerst in einer kleinen Schüssel aufgeschlagen und untersucht, bevor man sie verwendet. Findet man einen Blutstropfen darin, ist das Ei nicht koscher und muss weggeworfen werden.

Von Obst und Gemüse ist grundsätzlich alles zum Verzehr erlaubt. Aber es gibt hierzu eine Reihe von Bestimmungen, die eingehalten werden müssen. Wenn  z. B. Hülsenfrüchte und Getreide, Nüsse, gemahlene Gewürze und Pulver, Mehl und Mehlprodukte, frisches Obst, Trockenfrüchte oder Gemüse von Ungeziefer befallen sind, sind sie nicht mehr koscher.

Aus diesem Grund müssen in der koscheren Küche alle Lebensmittel sehr sorgfältig dahingehend untersucht werden, ob sie von Insekten oder Ungeziefer befallen sind. Das gilt auch für Fische, die Würmer haben können.

Mehl beispielsweise darf nicht einfach zur Herstellung eines Kuchenteiges aus der Packung heraus direkt auf die Waagschale oder in die Rührschüssel geschüttet werden, sondern muss vorher durch ein feinmaschiges Sieb gesiebt werden.

Jedes Gemüse, insbesondere Blattgemüse wie Salat oder Spinat, muss sorgfältig auf kleine Raupen oder Schnecken untersucht werden.

Entsprechendes gilt für möglicherweise wurmstichiges Obst. In einen Apfel wird deswegen nicht gedankenlos gebissen, sondern er wird gewaschen, portionsweise mit einem Messer zerteilt und die Stücke werden betrachtet, bevor sie in den Mund wandern.

Die Trennung von Fleisch und Milch

Neben der Unterscheidung zwischen erlaubten und unerlaubten Tieren gibt es eine weitere sehr wichtige Unterscheidung für koscheres Essen: Die strenge systematische

Trennung von Fleisch und Milch.

Drei Mal steht in der Tora: „Du sollst das Böcklein nicht kochen in seiner Mutter Milch“ (2. B. M. Exodus 23:19/2. B.M. Exodus 34:26/ 5. B.M. Deuteronomium14:21). Von diesem Satz haben die jüdischen Gelehrten  abgeleitet, dass nicht nur das gemeinsame Kochen von Fleisch und Milch verboten ist, sondern auch der Genuss von Fleisch- und Milchprodukten bei ein und derselben Mahlzeit.

Wenn beispielsweise Fleisch gegessen wurde, darf danach kein Nachtisch mit Sahne serviert werden, auf einem Butterbrot darf keine Scheibe Wurst liegen und ein Schnitzel darf nicht in Butter gebraten oder mit Käse überbacken werden.

Die Trennung von Milch und Fleisch hat zur Folge, dass nicht jeder Käse aus erlaubter Milch koscher ist, denn viele Käsesorten werden traditionell durch Hinzufügen von Lab, einem Teil des Kuhmagens, hergestellt. Das Lab ermöglicht den Gerinnungsprozess der Milch.

Wegen der streng vorgeschriebenen Trennung von Milchigem und Fleischigem muss eine koschere Kücheneinrichtung daher zwingend ein zweigeteiltes Becken mit zwei getrennten Ausgüssen haben. Am besten ist es, sofern möglich, wenn auch zwei Kühlschränke und zwei Tiefkühltruhen vorhanden sind, andernfalls muss man sich mit streng eingehaltenen Unterteilungen für Milchiges  (chalavi) oder Fleischiges (bassari) behelfen. Jedenfalls müssen zwei getrennte Arbeitsflächen für „Fleischiges“ und „Milchiges“ vorhanden sein.

Für Milchspeisen und Fleischspeisen müssen auch unterschiedliche Töpfe und Pfannen, Geschirr, Vorlege- und Essbesteck sowie Schneid- und Hackbretter usw. vorhanden sein, die auch unbedingt jeweils für milchig und fleischig getrennt aufbewahrt werden müssen. Es hat sich eingebürgert, dass für Milchspeisen blaues Geschirr, blaue Markierungen an Schränken und Schubladen benutzt werden und für Fleisch- und Wurstspeisen rote, aber das ist überhaupt nicht zwingend, es ist völlig gleichgültig, wie die beiden Bereiche unterschieden werden, Hauptsache, es gibt eine klare eindeutige Unterscheidung, bei der es keine Verwechslungsmöglichkeiten gibt. Glasteller und Glasschüsseln können wahllos für Milchiges und Fleischiges benutzt werden, denn Glas gilt als neutral, Porzellangefäße und irdenes Geschirr nicht, diese müssen entweder dem Fleischbereich oder dem Milchbereich zugeordnet werden, ebenso Besteckteile. Allerdings dürfen Glasgefäße (Pyrex, Jenaer Glas), die für das Garen oder Backen im Ofen benutzt werden, nur für eine Sorte Speisen, für Milchiges oder für Fleischiges verwendet werden, da die hohe Hitze das Glas absorbierfähig macht.

So werden auch unterschiedlich aussehende Tischdecken und Stoffservietten, Geschirrtücher, Spülbürsten und Schwämme, Abtropfgestelle für Teller, Spülmaschinen, usw. benutzt.

Eier und Fisch dürfen auf beiderlei Geschirr serviert werden, denn Eier und Fisch gelten nicht als fleischig, sondern als „Parwe“ (setami). „Parwe“ ist weder milchig noch fleischig, d.h. neutral, ebenso wie Gemüse und Obst (natürlich nur insofern sie nicht mit Butter, Sahne oder Milch zubereitet wurden). Eine Ausnahme bilden in einem Huhn (Suppenhuhn) vorgefundene Eigelbe. Dieses Eigelb wird nicht als „parwe“ betrachtet, sondern als fleischig und darf nicht mit milchigen Speisen zusammen gegessen werden.

Geflügel wird in der koscheren Küche als „fleischig“ definiert, obwohl Vögel keine Säugetiere sind.

Fisch hingegen ist „parwe“, d.h. neutral. Fisch in Butter gebraten ist also erlaubt, wird aber durch die Zubereitungsart zu einer milchigen Speise.

Ein Fischgericht darf sowohl bei einer Fleischmahlzeit als auch zusammen oder in der Folge mit einer milchigen Speise eingenommen werden. Bei einer Fleischmahlzeit jedoch nur, wenn ohne Milchprodukte zubereitet!

Nach dem Verzehr von Milch oder einem Milchprodukt muss eine bestimmte Zeit abgewartet werden, bis man Fleisch oder Wurst essen darf und umgekehrt.

Aus dem bisher Erklärten wird verständlich, warum streng koschere Restaurants, die unter rabbinischer Aufsicht stehen und von praktizierenden Juden im Vertrauen auf die Einhaltung der Kaschrut aufgesucht werden können, entweder nur milchige oder nur fleischige Speisen auf ihrer Karte anbieten.

Auch muss unterschieden werden zwischen „koscherer“ und sogenannter  „jüdischer“ Küche. Letztere wird heute in der modernen Gastronomie gerne „kosher Style“ genannt. Diese Küche ist eben nicht koscher. Koscher-Style-Küche verwendet z. B. zwar nur Fleisch von erlaubten Tieren, das Fleisch ist jedoch meist nicht geschächtet. Auch werden die Ingredienzen der übrigen Zutaten nicht so streng hinterfragt. Margarine ist z. B. nicht immer automatisch nur rein pflanzlich, Senf (zu Würstchen oder Fleisch) enthält  manchmal Milchpulver, usw. Außerdem stehen kosher-Style-Restaurants natürlich  nie unter rabbinischer Aufsicht. Also kurz gesagt: Halbkoscher oder ein bisschen koscher gibt es ebenso wenig wie ein bisschen schwanger, koscher-Style ist definitiv nicht koscher.

Typische Gerichte der traditionellen jüdischen Küche sind nicht automatisch koscher. Sie können im Einzelfall in der Praxis bei Nichtbeachtung der Kaschrut völlig „unkoscher“, d.h. „trefe“ zubereitet worden sein (z. B. Hühnerleber in Butter gebraten) und umgekehrt kann man prinzipiell viele Gerichte sämtlicher Nationalküchen der Welt z. B. auch asiatische Gerichte im Wok oder Sushi auf „koschere“ Weise zubereiten, sofern die Zutaten koscher oder unbedenklich sind (z. B. Sojasoße gibt es koscher zu kaufen, Austernsoße geht z. B. nicht! Bei der Indischen Küche wird oft Ghee (Butterschmalz) für die Zubereitung von Geflügel oder Fleisch verwendet, was in der koscheren Küche nicht geht).

Das Kaschern (koscher machen) einer vorher unkoscheren Küche

Die eigene Küche oder die Küche einer gemieteten Ferienwohnung bzw. eine Hotel- oder Restaurantküche können für eine Feier (Hochzeit, Party usw.) gekaschert, koscher gemacht werden. Das ist prinzipiell möglich, aber sehr aufwendig und je nach Umfang entsprechend kostspielig.

Koschere Fertigprodukte - Koscher Zertifizierung

In jüdischen Supermärkten findet man neben frischen Produkten natürlich auch Konserven in Dosen, Gläsern, Tuben, Pulverform (gekörnte Brühe) sowie Fleisch, Wurst und Käse und allerlei andere Produkte mit einem Koscher Stempel  (sogar Zahnpasta und Geschirrspülmittel), auf welchem zertifiziert wird, von welchem Rabbinat die Koscher Zertifizierung stammt. Ein solches rabbinisches Koscherzertifikat heißt „Hechscher“.

Neben der gängigen Bezeichnung „koscher“ findet man bei einigen Zertifikaten die Bezeichnung „glatt koscher“. Dies bedeutet, dass hier die Koscher-Bestimmungen äußerst streng beachtet werden, das damit bezeichnete Produkt ist sozusagen dann „superkoscher“. Die Bezeichnung kommt aus dem Bereich der Fleischbeschau. Bei der „glatt koscher“ Zertifizierung wird das innere der Lunge des Rindes dahingehend überprüft, ob es kein kleines Loch enthält, ganz weich und unvernarbt, also „glatt“ ist.

Eine weitere Bezeichnung bei Zertifikaten oder koscher Kennzeichnungen ist koscher „mehadrin“. Dies bedeutet ebenfalls, dass die Kaschrutregeln äußerst streng und in Zweifelsfällen restriktiv behandelt wurden.

Koscherlisten

In den verschiedenen Ländern Europas und Amerikas gibt es von den lokalen Rabbinaten erstellte von Zeit zu Zeit aktualisierte Listen mit einer breiten Auswahl von Fertigprodukten, die untersucht wurden und als zulässig bezeichnet werden  und die in allen oder vielen nicht-jüdischen Geschäften und Supermärkten gekauft werden können, z. B. Fischkonserven, Marmeladen, Schokolade und andere Süßigkeiten, Fertigsuppen, Tiefkühlkost usw. Solche Listen gibt es in  gedruckter Form, aber sie findet man auch im Internet. Sie enthalten auch Auflistungen der E-Nummern mit dem jeweiligen Hinweis, ob sie erlaubt sind oder nicht. Die Produkte, die in solchen Listen aufgeführt werden, haben keinen „Hechscher“, sind aber vom jeweiligen Rabbinat als unbedenklich ausgewiesen.

Das heißt, es wurden in diesen Fällen alle Ingredienzen und die Produktionsmaschinen für ein bestimmtes Produkt untersucht. Die Ingredienzen, denn es gibt oft Substanzen, Farbstoffe oder Verdickungsmittel, die nicht erlaubt sind (z. B. Gelatine aus der Haut oder den Knochen von unkoscheren (meist Schwein), ungeschächteten Tieren bzw. aus Fischgräten (die auch unerlaubte Fische sein können), oder z. B. der rote Farbstoff z. B. in Campari (und in vielen Lippenstiften), der von einer speziell dafür gezüchteten Lausart stammt). Die Produktionsmaschinen und der Produktionsablauf werden untersucht, um sicherzustellen, dass über die Maschinen und Fließbänder für erlaubte Produkte nicht auch andere nicht erlaubte produziert bzw. transportiert werden, von denen kleine Restbestände in oder an die koscheren gelangen könnten. Koscherlisten werden von Zeit zu Zeit aktualisiert, Produkte hinzugefügt bzw. andere entfernt.

Wer einen koscheren Haushalt führt, überprüft beim Einkaufen auch das ganz klein Gedruckte der Etiketten und die Inhaltsbeschreibungen. Viele scheinbar unverdächtige Dinge, wie z. B. Kekse, können, auf der Verpackung nicht näher erläuterte, „tierische Fette“ enthalten und Kartoffelpüree als Fertigprodukt enthält in der Regel „Milchprodukte“ wie Milchpulver, d.h. ein solches Püree könnte nicht zu Fleisch serviert werden. Auch sind in vielen Fertigprodukten (sogar in manchen Brotsorten) Emulgatoren enthalten, wie z. B. Mono- und Diglyceride mit den Nummern E 471 und E 472, die oft mit tierischem Fett (Schwein, ungeschächtet) hergestellt werden. Sie können allerdings auch aus pflanzlichem Fett produziert werden. Pflanzliche Emulgatoren wie Soja-Lezithin (z. B. in Schokoladen) sind immer unbedenklich, also koscher.

In jüdischen koscheren Geschäften gibt es Gelatine, die entweder aus koscheren Knochen oder aus koscheren Fischgräten hergestellt wurde, zu kaufen. Diese werden nur in Israel und den USA hergestellt, sind aber als Importartikel manchmal auch in Europa zu bekommen.

Am einfachsten behilft man sich für eine koschere Küche mit Agar-Agar, einem pflanzlichen, inzwischen überall erhältlichen Geliermittel, das gleichermaßen zu Fleischgerichten (z. B. Kalbsfußsülze), zu Parwe-Gerichten (Rote Grütze) oder in Milchspeisen verarbeitet werden kann.

Koscheres Essen sollte auch koscher aussehen

Der hebräische Terminus Technicus für etwas, das aussieht wie etwas anderes und deshalb einen Unwissenden irreführen könnte, heißt „Mar’it ha-Ayin“ (Täuschung des Auges). Er gehört eher zum Bereich der ethischen als der rituellen Vorschriften im Judentum, nach dem man einen anderen nicht vor eine Situation stellen darf, in der er dazu verleitet werden könnte, einen Fehler zu begehen. Im Bereich des koscheren Essens heißt dies, dass koscher zubereitete Speisen mit ausschließlich erlaubten Ingredienzen für manche problematisch (aber nicht verboten) sein können, wenn sie so aussehen, als wären sie unkoscher. Zum Beispiel eine Sojasahnesoße zu einem Fleisch- oder Geflügelgericht oder z. B. Gerichte, die mit Mandelmilch (sieht aus wie Milch) zubereitet wurden zu Fleisch oder z. B. Sojaschlagsahne zu einem Nachtisch nach einem Fleischessen.

Wein und Spirituosen

Juden dürfen Alkohol trinken, hier gibt es keine Einschränkung, außer derjenigen, die von der Vernunft und der Sorge um die Gesundheit diktiert werden. Am Schabbat und an Feiertagen wird in der Familie vor Beginn des Festmahls als kultische Handlung sogar ein Segen über einen Becher Wein gesprochen und anschließend wird der Wein vom Hausherrn und den Anwesenden getrunken.

Außer der Tatsache, dass koscherer Wein selbstverständlich nicht am Schabbat produziert werden darf, gelten für die Herstellung von koscherem Wein oder Likör eine ganze Reihe strenger Vorschriften. Für den Konsumenten ist es hingegen leicht: Es genügt beim Kauf das Etikett mit dem Koscher-Hinweis zu beachten. Nicht-koscherer sogenannter  „gekochter“ Wein ist zum Genuss freigegeben (z. B. manche süßen Apéritifweine). Branntwein ist erlaubt (er ist oft in Essigen oder Senf enthalten). Weinbrand und Kognak hingegen sind ohne Koscherzertifikat nicht erlaubt. Klare reine Obstschnäpse sind in der Regel auch ohne Zertifizierung erlaubt. Bier, das nach dem deutschen Reinheitsgesetz hergestellt ist, ist koscher. Alkohol der Weintraube, von Kartoffeln oder Mais ist koscher. Bei Wodka kommt es auf die eventuell zugefügten Aroma- oder Farbstoffe an. Reiner Wodka ist immer koscher.

Alkohol von Melasse, verdorbenem Obst oder Obstschalen ist nicht koscher.

Die Einhaltung der Kaschrutvorschriften

Sehr viele jüdische Haushalte in aller Welt halten sich nach wie vor an die Regeln der Kaschrut. Das ist in Städten mit einer größeren praktizierenden  jüdischen Bevölkerung und folglich einer entsprechenden Infrastruktur an jüdischen Bäckereien, Metzgereien und Supermärkten natürlich einfacher, als an Orten, wo es das nicht gibt und koschere Lebensmittel per Versand oder durch Einkaufsreisen in Nachbarstädte besorgt werden müssen. Davon abgesehen gibt es weltweit in der täglichen Praxis, was die Einhaltung der Kaschrut anbelangt, genauso wie für die Einhaltung der Vorschriften für Schabbat oder anderer religiöser Vorgaben, die gesamte vorstellbare Bandbreite der graduellen Achtung oder Nicht-Beachtung von ultraorthodox bis völlig säkular.

Vorheriges Kapitel

  

Friedhöfe und Bestattungskultur

Nächstes Kapitel

  

Kalender & Feiertage