Vom Mittelalter bis zur Französischen Revolution
Überblick zum jüdischen Leben an der Saar
Die ältesten Belege jüdischen Lebens an der Saar
Der älteste Beleg jüdischen Lebens an der Saar bezieht sich auf die zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts. Für die Zeit bis zum 16. Jahrhundert finden sich nur vereinzelte Belege. In einem Gläubigerverzeichnis des Klosters Hesse aus dem 13. Jahrhundert wird ein Jude aus Berus bei Überherrn (heute Kreis Saarlouis, seinerzeit Teil des Herzogtums Lothringen) benannt. Dieses Dokument wird in Nancy im Archiv des Departements Meurthe-et-Moselle verwahrt. Es ist der älteste Beleg jüdischen Lebens in unserer Region. Nur vereinzelt scheinen Juden damals in die Saargegend gekommen zu sein. Eine der wenigen Spuren jüdischen Lebens dieser Zeit finden wir in einer Urkunde, in der Ludwig der Bayer (1282-1347) den Grafen von Homburg im Jahr 1330 erlaubt, vier Juden anzusiedeln. Ob sich Juden auch tatsächlich niederließen, ist nicht belegt. Ferner werden in einer Urkunde von Graf Walram von Zweibrücken vom 5. Mai 1343 Juden im Amt Blieskastel erwähnt. Für St. Wendel sind Juden erstmals für das Jahr 1358 bezeugt. Im Freiheitsbrief für die Städte Saarbrücken und St. Johann (Stadtrechte) von 1322 werden Juden bei der Verleihung von Freiheitsrechten ausdrücklich ausgenommen.
Daraus ist aber nicht zu schließen, dass hier seinerzeit auch tatsächlich Juden lebten. 1349 setzte mit den sogenannten Pestpogromen eine vernichtende Judenverfolgung ein. Den Juden wurde unterstellt, sie hätten die Brunnen vergiftet und so die Pestepidemie ausgelöst. Im Bereich der heutigen Kreise Merzig und St. Wendel, die damals großenteils zu Kurtrier gehörten, ist eine jüdische Bevölkerung vereinzelt für das 14. Jahrhundert zu vermuten, unter dem Trierer Bischof Otto von Ziegenhain (1418 -1430) wurden die Juden dann wieder vertrieben.
Juden im 16. und 17. Jahrhundert
Ein Nachweis auf jüdische Mitbürger in Saarbrücken findet sich erstmals für die Mitte des 16. Jahrhunderts mit zwei von Graf Philipp II. (1545-1554) bestellten jüdischen Leibärzten, einer davon war Meister Markus, der zwei Jahre am Hofe weilte. Mit der Reformation verschärfte sich der Gegensatz zwischen Christen und Juden wieder.
Dafür steht Luthers Antijudaismus. Judenhass verbreitete aber auch der Straßburger Reformator Martin Butzer, der über seine Schüler die reformatorische Bewegung in Saarbrücken beeinflusste. Im 17. Jahrhundert lehnten die Fürsten von Nassau-Saarbrücken jüdische Ansiedlungen weiterhin ab. Territorial umfasste die Herrschaft damals mit Blick auf das heutige Saarland das Gebiet des Regionalverbands Saarbrücken und des Landkreises Neunkirchen. Mit der französischen Verwaltung zwischen 1680 und 1697 ließ man Juden zu. Ab 1703 zogen diese Juden dann wieder fort, beispielsweise nach Metz. Unter der Regentschaft Wilhelm Heinrichs (1718-1768) war das Fürstenhaus vermehrt an Geschäftsbeziehungen zu Juden interessiert. Im Jahr 1732 hatte seine Mutter Charlotte Amalie bereits eine Judenordnung erlassen. In der Folge kam es zu einer dauerhaften Ansiedlung von Juden.
Widersprüchliche Judenpolitik von Fürst Wilhelm-Heinrich (1718-1768)
Unter der Regentschaft Wilhelm Heinrichs (1718-1768) war das Fürstenhaus vermehrt an Geschäftsbeziehungen zu Juden interessiert. Im Jahr 1732 hatte seine Mutter Charlotte Amalie bereits eine Judenordnung erlassen. In der Folge kam es zu einer dauerhaften Ansiedlung von Juden. Unter Fürst Ludwig (1745-1794) deutete sich eine eher widersprüchliche Judenpolitik an: Einerseits wurde Juden Schutz geboten, etwa in Illingen, andererseits gab Ludwig 1776 den Wünschen der Saarbrücker Kaufmannschaft nach, Juden aus der Stadt Saarbrücken herauszu- drängen. Für die eingesessenen Kaufmannsfamilien stellten die jüdischen Kaufleute eine unliebsame Konkurrenz dar. Für sein Entgegenkommen ließ sich der Fürst von den Saarbrücker Kaufleuten sehr gut bezahlen. Diese Maßnahme einer Ausweisung und eines Niederlassungsverbotes war auf die Residenzstadt und ihren Umkreis beschränkt. Sie stellte im Vergleich zu den übrigen Herrschaften im Saargebiet eine Ausnahme dar. Folge dieser Saarbrücker Verbannung war die Zunahme der jüdischen Bevölkerung in Ottweiler und Neunkirchen.
Jüdische Familien waren nicht zuletzt durch ihre Ausgrenzung weit über verschiedene Territorien verteilt. Daraus konnten sich für den Handel wertvolle Kontakte ergeben. Die Fürsten von Nassau-Saarbrücken verpachteten im 18. Jahrhundert Hammerwerke und Eisenhütten in Fischbach, Geislautern, Halberg, Jägersfreude und Scheidt an Juden aus Lothringen und dem Elsass wie u. a. Cerf Beer (1726-1793) und Seligmann Alexander. Ferner lieh man sich Geld bei Juden in Frankfurt/Main und Metz.
Auf dem Territorium der Grafschaft Nassau-Saarbrücken sind Ottweiler und Neunkirchen die beiden Orte mit dem höchsten jüdischen Bevölkerungsanteil. Hier lebten Ende des 18. Jahrhunderts jeweils zwischen zehn und 20 Juden. In dem zum Herzogtum Pfalz-Zweibrücken zugehörigen Homburg wohnten bis zu zehn, im französischen Saarlouis bis zu 20 Juden. Zu unterscheiden ist dabei zwischen den im Territorium wohnenden Schutzjuden und den außerhalb wohnenden Handelsjuden. Handelsjuden konnten gegen Zahlung einer Abgabe Märkte besuchen und Handel treiben.
Jüdisches Leben am Vorabend der Französischen Revolution
Vor Ausbruch der Französischen Revolution lebten im Bereich des heutigen Saarlandes nach wie vor nur wenige Juden. Schwerpunkte jüdischer Besiedlung waren die reichsherrschaftlichen Gebiete Merchweiler, Saarwellingen, Blieskastel sowie Nalbach und Illingen, Orte mit 20 oder ein paar mehr jüdischen Einwohnern. Dörfer mit bis zu zehn Juden waren Bosen und Sötern. Vor allem kleinere Reichsherrschaften nutzten das Privileg, Juden aufzunehmen und sie damit auch besteuern zu dürfen. Vor dem Hintergrund der Vertreibung aus den Reichsstädten fanden zahlreiche Juden in solchen Orten eine neue Perspektive. Das Leben dieser sogenannten Schutzjuden war mit Einschränkungen verbunden, sie lebten meist im Ghetto, in der sogenannten „Judengasse“. Neben den ohnehin üblichen Steuern und Abgaben mussten sie ein „Schutzgeld" zahlen, eine bedeutende Einnahme für die kleineren Territorien. Für Merzig ist eine erste Ansiedlung für das Ende des Dreißigjährigen Krieges anzunehmen, ebenso für Hilbringen und Brotdorf. 1652 erscheint in einem Vogteigerichtsprotokoll erstmals die Erwähnung eines Roffel oder Raphael Hanau. An der Saar lebten die meisten Juden als arme Landjuden oder als Wanderhändler, viele gingen hausieren und betteln. Das Handwerk blieb ihnen verschlossen, Zünfte grenzten sie ebenso aus und Grunderwerb war ihnen verboten. Somit konnten sie auch nicht als Bauern ihren Lebensunterhalt bestreiten.
Die französischen Teile des heutigen Saarlandes zogen jüdische Zuwanderer an, da sich in Frankreich die Ausgrenzung der Juden bereits im auslaufenden Ancien Régime deutlich abgeschwächt hatte. Gedanken der Aufklärung wurden teilweise umgesetzt wie die Idee der Freiheit des Geistes und des Glaubens. Die französischen Juden waren insbesondere an der Atlantikküste und deren Hinterland im Bereich der Gironde wirtschaftlich sehr erfolgreich und anerkannt, auch gefördert durch ihre hohe Assimilationsbereitschaft.
Die 1680 von Ludwig XIV. gegründete Stadt Saarlouis, die bis 1815 zur ostfranzösischen Provinz Trois Évêchés (Bistümer Metz, Toul und Verdun) gehörte, ist mit Blick auf die jüdischen Menschen an der Saar von besonderer Bedeutung. Jeder, der Handel und Gewerbe betreiben wollte, war in Saarlouis willkommen. Jüdische Kaufmannsfamilien brachten es so in der Festungsstadt als Armeelieferanten zu Wohlstand. Diese starke Position sorgte zu Beginn des 18. Jahrhunderts für Spannungen, als die etablierten Saarlouiser Kaufleute die jüdischen Unternehmer als unliebsame Konkurrenz ansahen.
Frankreich hatte bereits 1767 den jahrhundertealten Ausschluss der Juden aus den Zünften beendet, der Erwerb der sogenannten Brevets de maîtrise war an keine Bedingungen mehr geknüpft. Die Brevets waren käuflich zu erwerben und damit eine lukrative Einnahmequelle für den Staat. Die Ausgrenzung aufzuweichen, war ein Erfolg der vor allem um Bordeaux und Bayonne lebenden sephardischen Juden. Als nun Saarlouiser Juden die Brevets kauften, klagte die heimische Kaufmannschaft dagegen. Die Saarlouiser Juden brachten den Streit vor den Pariser Staatsgerichtshof und setzten sich durch.