Die jüdischen Feiertage im Jahreszyklus

Autor: Marcel Wainstock

Schabbat, der allwöchentlich wiederkehrende siebte Tag der jüdischen Woche ist ein Ruhetag, an dem keine Arbeit verrichtet werden darf. Es besteht auch Schreib- und Fahrverbot und es darf kein Licht entzündet werden. Seine Einhaltung geht zurück auf eines der Zehn Gebote. Er ist ein sehr hoher Feiertag, der mit dem Sonnenuntergang am Freitag beginnt und bis zum Sonnenuntergang am Samstagabend dauert. Am Samstagmorgen findet in der Synagoge im Rahmen des Gottesdienstes die Lesung eines Wochenabschnittes aus der Tora statt. Die Freizeit wird an diesem Tag der Familie und spiritueller Betätigung wie dem Tora-Studium gewidmet. Die Hausfrau zündet am Freitagabend zwei Kerzen an und wenn das Familienoberhaupt vom Gottesdienst in der Synagoge heimkommt, wird nach dem Segen über Brot und Wein ein festliches Mahl gereicht. Das Ende des Schabbat am Samstagabend, nach Sonnenuntergang, wird mit einer kleinen Zeremonie, der „Hawdala“,  zu Hause oder in der Synagoge, markiert, indem  zwischen dem heiligen Schabbat und dem nun beginnenden Werktag „unterschieden“ wird.

 

Rosch Ha-Schana, („Kopf des Jahres“) das jüdische Neujahrsfest, das am 1. Tischri beginnt, bildet im Herbst den Auftakt zu den „ehrfurchtsvollen Tagen“ der Reue und Umkehr, die zehn Tage später im höchsten jüdischen Feiertag, dem Versöhnungstag Jom Kippur, gipfeln. An Rosch Ha-Schana wird der Gerichtsbarkeit Gottes über die Menschen gedacht. Jüdische Menschen lassen das zurückliegende Jahr Revue passieren und geloben Besserung ihrer Taten  für das kommende Jahr. Der jüdischen Überlieferung zufolge sitzt Gott während der „ehrfurchtsvollen Tage“ als Richter über die Menschen zu Gericht und entscheidet mit Blick auf das anstehende Jahr über Leben und Tod, Gesundheit und Krankheit. Herausragendes Symbol dieser  Zeit ist der Schofar, das Widderhorn, dessen Töne im Gottesdienst den Menschen zur Umkehr zu Gott aufrufen.

 

Jom Kippur, der Versöhnungstag; Dieser höchste jüdische Feiertag wird am 10. Tischri begangen. Im Unterschied zu allen anderen jüdischen Festen, die jeweils Anlass für ein Festessen sind, wird dieser Tag mit 25-stündigem Verzicht auf Essen und Trinken und ganztägigem Gebet  in der Synagoge begangen. Er bildet den Höhepunkt und Abschluss der zehn Bußtage, die mit dem Neujahrsfest Rosch haschana begannen. Nach jüdischer Tradition wird an diesem Tag das Schicksal der Menschen für das kommende Jahr besiegelt. Das Tragen von Lederkleidung (z. B. Lederschuhe) und Schmuck, der Gebrauch von Kosmetika, das Baden und Geschlechtsverkehr sind an diesem Bußtag verboten. Gesetzestreue Juden verbringen den ganzen Tag in ein weißes Bußgewand gehüllt, meist ihr Totenhemd, betend in der Synagoge. Dieser Tag wird mit dem feierlichen Blasen des Widderhorns (Schofar) beschlossen. Der Tag ist geprägt von langen Synagogengottesdiensten, die vor allem aus Bußgebeten bestehen. Außerdem wird das Buch Jona verlesen. Während einer besonderen Zeremonie (Jiskor) gedenken Juden an diesem Tag ihrer Verstorbenen. Normalerweise werden Fasttage, die auf einen Schabbat fallen (an dem nicht gefastet werden darf), um einen Tag verschoben;  Jom Kippur ist die einzige Ausnahme. Selbst die meisten Juden, die sich sonst als säkulare Juden bezeichnen, fasten an diesem Tag von Sonnenuntergang bis Sonnenuntergang.

 

Sukkot, das „Laubhüttenfest“; Die zu diesem Fest nach besonderen Vorschriften aufgebauten Hütten, in welchen die Mahlzeiten eingenommen werden, sollen an die behelfsmäßigen Behausungen erinnern, in denen die Kinder Israel während ihrer Wanderung von Ägypten nach Kanaan wohnten. Das Fest beginnt fünf Tage nach Jom Kippur und dauert vom 15. bis zum 21. Tischri. In Israel und in liberalen Gemeinden der Diaspora wird nur der erste Tag als voller Feiertag begangen; in orthodoxen und konservativen Gemeinden der Diaspora gelten die zwei ersten Tage als volle Feiertage. Nach Sukkot wird Schmini Atzeret, der „Achte Tag der Versammlung“ begangen. Die mittleren Tage von Sukkot gelten als Halbfeiertage, an denen gearbeitet werden darf.

 

Simchat-Tora, das „Tora - Freudenfest“. Es schließt sich unmittelbar an das Sukkot-Fest an. An diesem Tag wird der jährliche Zyklus der Toralesungen in der Synagoge feierlich beendet und sogleich ein neuer Zyklus begonnen. Davor werden alle Torarollen der Synagoge in einer Art Prozession, bei welcher in manchen Gemeinden mit der Torarolle im Arm dabei  freudig getanzt wird, durch die Reihen der Beter getragen. Alle männlichen Gottesdienstbesucher über 13 Jahre (in liberalen und Reformgemeinden auch die Frauen ab 12 Jahren) werden nacheinander zur Lesung aus der Tora aufgerufen. Hierfür wird der Tora-Abschnitt so oft wiederholt, wie nötig. Es gibt auch die Tradition, zwei Gemeindemitglieder mit dem Aufruf zum letzten und zum ersten Abschnitt besonders zu ehren.

 

Chanukka: Das achttägige Chanukkafest erinnert an den historischen Sieg der jüdischen Makkabäer über das damalige syrisch-griechische Regime mit seiner hellenistischen Kultur im zweiten Jahrhundert vor Chr. Die Hellenisten hatten sich zum Ziel gesetzt, die jüdische Religion, ihre Bräuche und Werte zu unterdrücken und ihnen ihren Polytheismus aufzuzwingen. Dazu nahmen sie den Jerusalemer Tempel ein und entweihten ihn, indem sie darin eine Zeus-Statue aufstellten. Dieser heilige Ort wurde 165 vor Chr. durch die Makkabäer zurückerobert und mit dem Anzünden des siebenarmigen Leuchters, der „Menora“, für den traditionellen Tempelkult wiedergeweiht. Sinnbild dessen wurde die „Chanukija“. Das um die Menora zu speisen benötigte koschere Öl reichte auf wundersame Weise anstelle von nur einem einzigen Tag ganze acht Tage und gab dadurch ausreichend Zeit, um neues koscheres Öl herzustellen, was bis dahin zeitweise verboten worden war. In Erinnerung an dieses Wunder, werden während der acht Tage an jedem Abend ein weiteres Licht der Chanukija, des achtarmigen Leuchters, der dafür zum Symbol wurde, entzündet, bis am achten, dem letzten Festtag, alle acht Kerzen des Leuchters entzündet werden. Die neunte Kerzenstelle ist für die Kerze vorgesehen, mit welcher man die eigentlichen Chanukka-Kerzen entzündet. Ob man die Lichter mit Öl speist oder Kerzen anzündet, ist jedem überlassen; es gibt „Chanukijot“ für beide Systeme.

 

Tu Bi-Schwat: (Neujahrsfest der Bäume). Am 15. Schwat (Januar-Februar) wird das Neujahrsfest der Bäume gefeiert. mehr »In der Antike galten für den Verzehr von Baumfrüchten besondere Regeln, die vom Tag ihrer Pflanzung abhängig waren. Die Früchte eines Baumes sollten in den ersten drei Jahren unangetastet bleiben, im vierten Jahr wurden sie als Gabe zum Jerusalemer Tempel gebracht und erst ab dem darauffolgenden Jahr durften sie verzehrt werden. Da es schwer war, das „Geburtsdatum“ aller Bäume zu kennen, wurde der 15. Schwat zum „Neujahrstag der Bäume“ erklärt. Heute ist es Brauch geworden, an diesem Tag von den so genannten „sieben Arten“, mit denen das Land Israel gesegnet war, zu essen. Es sind dies Gerste, Weintrauben, Feigen, Granatäpfel, Oliven und Datteln. In Israel ist es an Tu Bi-Schwat Tradition, Setzlinge zu pflanzen.

Das Fest hat nahezu keine rituelle Bedeutung. Im Laufe der Zeit hat es jedoch als ein Tag, an dem insbesondere Schulkinder Bäume pflanzen sowie als Pflanzzeit im Rahmen intensiver Aufforstung durch den Jüdischen Nationalfonds und die Kommunalbehörden, auch eine säkulare Gestalt angenommen.

 

Purim: Das Purimfest, das am 15. Adar gefeiert wird, geht auf eine Geschichte zurück, die im biblischen Buch Esther überliefert wird und von der Errettung aus drohender Gefahr der persischen Juden berichtet. In der Synagoge wird das Buch Esther am Vorabend und beim Morgengottesdienst verlesen. Der ganze Tag  wird sehr freudig und ausgelassen begangen, man beschenkt sich gegenseitig  mit „sofort verzehrbaren“ Speisen (u. a. selbstgebackenen „Hamantaschen“), Kinder verkleiden sich und Erwachsene dürfen etwas über den Durst trinken.

 

Pessach: Dieses Fest ist das erste der drei sogenannten Wallfahrtsfeste und wird vom 15. bis zum 22. Nissan acht Tage lang  gefeiert; die vier mittleren Tage sind Halbfeiertage. Das Fest erinnert an die Befreiung von der Knechtschaft der Israeliten in Ägypten. An den beiden ersten Abenden, die als „Sederabende“ bezeichnet werden,  wird vor dem „normalen“ Festessen ein rituelles Essen , der „Seder“, mit symbolträchtigen  Speisen (Bitterkräuter, Erdfrüchte usw.) und mit ungesäuertem Brot, der Mazza,  mit besonderen Gebeten und der Lesung von Texten aus der „Pessach-Hagada“ zelebriert und gegessen. Während der ganzen acht Tage darf nichts Gesäuertes gegessen werden (z. B. keine Teigwaren usw.) und als Brot wird nur Mazze gegessen. Die mittleren Tage von Pessach  gelten als Halbfeiertage.

 

Schawuot, das Wochenfest, ist das zweite der drei Wallfahrtsfeste, an dem die Menschen zur Zeit des Tempels in Jerusalem dorthin pilgerten, um die erste Ernte zu opfern. Während an Pessach die erste Gerstenernte und an Sukkot die erste Früchteernte dargebracht wurde, handelte es sich an Schawuot um die erste Weizenernte. Deswegen ist der andere Name des Festes Jom Ha-Bikurim, der Tag der Erstlinge. Zwischen Pessach und Schawuot werden 7 x 7 Tage, also 7 Wochen gezählt, woher der Name Wochenfest stammt. Schawuot ist nicht nur das Fest der Erstlingsfrüchte, sondern auch das Fest der Tora-Gebung, denn nach der Überlieferung wurde an Schawuot die Tora von Gott durch Moses am Sinai an das Volk gegeben. An Schawuot wird in der Synagoge die Geschichte von Ruth gelesen.

 

Jom Ha-Azma’ut, der israelische Nationalfeiertag, der an die Staatsgründung am 14. Mai 1948 erinnert, wird nach dem jüdischen Kalender jeweils am 5. Ijar auch in vielen Gemeinden der Diaspora gefeiert.

 

Tischa Be’aw: hebr. der 9. Aw. An diesem Tag wird der Zerstörung des ersten und des zweiten Tempels in Jerusalem (587 v. Chr. und 70 n. Chr.) gedacht. Es ist ein Trauertag und es wird wie an Jom Kippur 25 Stunden lang gefastet. Im synagogalen Gottesdienst werden u. a. die Klagelieder und besondere Kinot (Trauerlieder) gelesen. Dem Gedenktag  gehen die „Drei Wochen“, die Zeit zwischen dem 17. Tammus und dem 9. Aw  voraus, die ebenfalls eine Periode der Trauer über die Zerstörung des Jerusalemer Tempels sind. Observante Juden schneiden sich in dieser Zeit nicht die Haare und rasieren sich nicht; Hochzeiten werden nicht veranstaltet, neue Wohnungen nicht bezogen und es werden keine neuen Kleider gekauft oder getragen. Vom 1. bis zum 9. Aw wird, mit Ausnahme von Schabbat,  auch kein Fleisch und kein Wein genossen.

 

Rosch Chodesch, der Anfang eines jeden neuen Monats, ist ein Halbfeiertag.

 

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