Der jüdische Kalender

Tag – Woche – Monat und der Jahresbeginn im jüdischen Kalender

Autor: Marcel Wainstock

Die Jahreszählung im jüdischen Kalender

Der jüdische Kalender unterscheidet sich vom  „bürgerlichen“ gregorianischen am auffälligsten durch seine völlig von ihm abweichende Jahreszahl. Grund dafür ist, dass das gregorianische System das (fiktive) Geburtsjahr von Jesus zum Ausgangspunkt der Berechnungen nimmt, während der jüdische Kalender die Jahre seit Erschaffung des ersten Menschen, Adam, am Ende des 6. Tages des Schöpfungsberichtes nach biblischer Tradition zugrunde legt.

Nach Berechnungen jüdischer Gelehrter durch Addition genealogischer Angaben in der Tora, der Fünf Bücher Mose, die bis auf Adam zurückgerechnet wurden, soll dies im Jahre 3761 vor Chr., genauer am 7. Oktober, stattgefunden haben. Außerdem werden die Monate anders berechnet. Dabei orientiert sich der jüdische Kalender eher am Lauf des Mondes, während die Sonnenbahn zwar auch, aber nur sekundär berücksichtigt wird. Der jüdische Monatsbeginn war in der Antike mit dem Sichtbarwerden des Neumonds verbunden. Das Erscheinen dieses neuen Monds wurde von mindestens zwei Männern vor dem Jerusalemer Gericht bezeugt, das daraufhin den neuen Monat öffentlich ausrufen ließ. Die Schwierigkeiten dieses kalendarischen Systems bewogen den Patriarchen Hillel um 330 n. Chr. einen jüdischen Kalender einzurichten, der mit wenigen Veränderungen seither immer noch gültig ist. Jetzt konnte der Neumond und somit der Monatsbeginn exakt bestimmt werden. Jeder jüdische Monat hat entweder 29 oder 30 Tage (weil der Mond für eine Erdumkreisung 29,5 Tage benötigt). Damit hat ein Mondjahr 354 oder 355 Tage und verliert pro Jahr 11 Tage und somit in drei Jahren einen gesamten Monat gegenüber dem Sonnenjahr (mit 365 Tagen). Diese Zeitrechnung ist jedoch für die zeitliche Festlegung jüdischer Feste, die oft einen Bezug zu der Jahreszeit und dem Vegetationszyklus bzw. dem landwirtschaftlichen Jahreslauf haben, ungünstig. Damit diese im jahreszeitlichen Verlauf nicht „wandern“, und die Feste in der für sie richtigen Jahreszeit gefeiert werden können, wurde ein zusätzlicher Monat „Adar II“ in einem Schaltjahr eingeführt. Ein solches Schaltjahr taucht in einem Zyklus von 19 Jahren sieben Mal auf, nämlich im 3., 6., 8., 11., 14., 17. und 19. Jahr. Damit wird der Abstand des  Mondjahres zum Sonnenjahr korrigiert.

Die jüdische Datierung – das Jüdische Jahr – (z. B. 5781 für 2021) erscheint auf allen religiös relevanten Dokumenten, wie z. B. Eheverträge, Dokumente, die ein Sterbedatum bezeugen usw. neben dem des gregorianischen Kalenders. Um den Ausdruck vor oder nach Christus zu vermeiden, wird die Formulierung vor bzw. nach der Zeit verwendet.

Tag – Woche – Monat und der Jahresbeginn im jüdischen Kalender

Der Tag ist die Grundeinheit des jüdischen Kalenders von der Schöpfungsgeschichte an. Von diesem Bericht im ersten Buch Moses, der beschreibt, dass jeder Tag aus „Abend und Morgen“ (in dieser Reihenfolge) zusammengesetzt ist, leitet sich die jüdische Konzeption her, den Tag mit der Abenddämmerung beginnen zu lassen und ihn bei der folgenden Dämmerung zu beenden. „Und es ward Abend und ward Morgen: ein Tag“, „Und es ward Abend und ward Morgen: der zweite Tag“ usw.

Ebenfalls in Anlehnung an den biblischen Bericht der Schöpfungsgeschichte beginnt die jüdische Woche mit dem ersten Werktag (= der Sonntag) und endet mit dem siebten Tag, dem Ruhetag  Schabbat.

Die ersten sechs Wochentage tragen keine besonderen Namen und werden durch die sechs ersten Buchstaben des hebräischen Alphabets oder durch Ordnungszahlen bezeichnet (erster Tag, zweiter Tag usw.). Nur der siebte Tag, der kein Werktag ist, bildet hiervon eine Ausnahme und hat im Hebräischen eine besondere Bezeichnung: „Schabbat“.

Weil im Judentum der Sonnenuntergang als Tagesanfang gilt, beginnt die Stundenzählung um 18 Uhr mit O Uhr. Aus dieser Stundenzählung ergibt sich, dass ein Tag rechnerisch nach jüdischer Zeiteinteilung von 18 Uhr bis 18 Uhr des nächsten Tages dauert. Dies ist z. B. wichtig für die Festlegung eines Geburts- oder Sterbedatums, wenn das Ereignis am Abend oder in der Nacht geschieht: Vor oder nach 18 Uhr, dementsprechend gilt das Datum des Tages oder des nächsten Tages.

Daher beginnt auch der Schabbat, der wöchentliche Ruhetag, bereits am Freitag 18 Uhr und dauert bis Samstag 18 Uhr. Für die religiöse Praxis (z. B. Schabbat-Kerzen-Zünden, Beginn der für Schabbat geltenden Vorschriften und Verbote)  beginnt der Schabbat jedoch jede Woche anders, je nach Uhrzeit des Sonnenuntergangs, denn ein neuer jüdischer Tag beginnt für die religiöse Praxis mit Einbruch der Dunkelheit, sobald drei Sterne mit bloßem Auge sichtbar sind. Gleiches gilt für „Schabbatausgang“, das Ende des Sabbats. Die für jede Stadt geltenden Sonnenuntergangs- und Mondaufgangszeiten sind bequem in Kalendern abzulesen oder heutzutage  aus dem Internet zu erfahren.

Die Monate orientieren sich nicht immer ganz exakt an den Mondphasen: Wenn sich dadurch eine Aneinanderreihung von mehreren Tagen mit Arbeitsverbot (Sabbat, Feiertage) ergeben würde, wird der Jahresbeginn um einen oder zwei Tage hinausgeschoben, um dies  zu vermeiden.

Es ist üblich, die Monate vom Frühjahr an aufzuzählen, es sind:

  1. Nissan: 30 Tage, zwischen Mitte März und Mitte April
  2. Ijar: 29 Tage, zwischen Mitte April und Mitte Mai
  3. Siwan: 30 Tage, zwischen Mitte Mai und dem ersten Drittel Juni
  4. Tammus: 29 Tage, zwischen dem ersten Drittel Juni und Anfang Juli
  5. Aw: 30 Tage, zwischen Mitte Juli und Mitte August
  6. Elul: 29 Tage, zwischen Mitte August und Mitte September
  7. Tischri: 30 Tage, zwischen dem ersten Drittel September und Anfang Oktober
  8. Cheschwan: 20 oder 30 Tage, zwischen Anfang Oktober und Anfang November
  9. Kislew: 30 oder 29 Tage, zwischen Anfang November und Anfang Dezember
  10. Tewet: 29 Tage, zwischen Ende November und Mitte Dezember
  11. Schwat: 29 oder 30 Tage, zwischen dem letzten Drittel Dezember und Mitte Januar
  12.  Adar: 29 Tage zwischen Anfang Februar und Anfang März

In einem jüdischen Schaltjahr wird zwischen Schwat und Adar ein Monat von 30 Tagen eingeschoben, der als Adar I bezeichnet wird, so dass der eigentliche Monat Adar nun Adar II heißt.

Das jüdische neue Jahr mit der jeweils nächsthöheren Jahreszahl beginnt im Herbst mit dem ersten Tag „Rosch Haschana“ des siebten Monats „Tischri“, während der Frühlingsmonat „Nissan“  nach biblischer Tradition mit dem Auszug der Israeliten aus Ägypten als erster Monat nummeriert wird (2. B. Moses, 12,2).

Für die tägliche Praxis gibt es Tabellen und Kalender, die von Spezialisten erstellt werden und die darüber hinaus ermöglichen, für die Vergangenheit oder für die Zukunft die Entsprechung eines jüdischen Datums in der weltlichen (gregorianischen) Zählweise oder umgekehrt die Entsprechung eines weltlichen Datums im jüdischen Kalender leicht abzulesen. Als Optimierung dieser gedruckten Kalender ermöglicht das Internet inzwischen durch dort aufzurufende besondere Programme mit einem „ewigen“ Kalender solche Umrechnungen in Bruchteilen von Sekunden durchzuführen.

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