Der Antisemitismus – die Manipulation einer Gesellschaft

Autor: Hans-Christian Herrmann

Der Begriff des Antisemitismus entstand erst im späten 19. Jahrhundert und markiert einen neuen Typ von Judenhass, der rassisch und nicht mehr primär religiös motiviert war wie der Antijudaismus. Antijudaismus stand für einen religiös bedingten Hass der Christen gegen die jüdischen Menschen, verbunden mit Anfeindung und Ausgrenzung bis zu ihrer Verfolgung und Ermordung etwa im Mittelalter.

1869 war die Gleichstellung der jüdischen Bevölkerung mit der Verfassung des Norddeutschen Bundes eingeführt worden. Nur ein paar Jahre später entstand das neue Wort vom Antisemitismus, verbunden mit dem deutschen Journalisten Wilhelm Marr (1819-1904).

Antisemitismus bezeichnete eine seit 1873 im Zuge der Gründerkrise aufgekommene Geisteshaltung. Unterstützung fand er bei Teilen der Bauernschaft, des Kleinbürgertums und des Mittelstands. Marr zeichnete das Bild der Juden als einer  besonders geschäftstüchtigen  und gerissenen Rasse, der der anständige Deutsche nicht gewachsen sei.

Er gründete 1879 die Antisemiten-Liga, die erste antijüdische bzw. antisemitische Partei. Seinerzeit betrug der jüdische Bevölkerungsanteil im Kaiserreich gerade mal 1,25 Prozent. Auch in Frankreich entstand 1888 mit der von dem Journalisten Edouard Drumont gegründeten antisemitischen Liga eine entsprechende Partei. Für sämtliche Krisen und Probleme der Zeit wurden Juden verantwortlich gemacht.

Der Antisemitismus entwickelte sich Ende des 19. Jahrhunderts zu einer Weltanschauung, die in allen Krisen und Problemen letztlich die Juden als Ursache ausmachte. Diese Perspektive machte es leicht, komplizierte Veränderungen und Krisen simpel zu erklären, Aggressionspotentiale aufzugreifen, gegen Juden zu hetzen und letztlich weite Teile der Gesellschaft auch zu manipulieren.

Ein extrem gewalttätiger Antisemitismus steht im Mittelpunkt der NS-Ideologie.

Bereits nach dem Ersten Weltkrieg war in der Weimarer Republik ein wachsender Antisemitismus wahrnehmbar. Formiert hatte er sich aber bereits wenige Jahre nach der Gleichstellung der jüdischen Bevölkerung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.

Nach Hitlers „Machtergreifung“ zeigte sich die Dimension des nationalsozialistischen Antisemitismus zunächst in einer Politik der Ausgrenzung und Diskriminierung zwischen 1933 und 1937. Es ging anfänglich um Ausgrenzung, Vertreibung und erzwungene Auswanderung, aber noch nicht um den Holocaust. Dazu gehörte der Boykott jüdischer Geschäfte, der Arierparagraph  und Berufsverbote. Mit der Pogromnacht 1938 folgte die völlige Entrechtung und Entmenschlichung. Ab 1939 begann der Weg in den Massenmord, zunächst mit Massenerschießungen, zuerst in Osteuropa. Der fabrikmäßig durchorganisierte Massenmord der Juden ganz Europas in Konzentrationslagern wurde auf der Wannseekonferenz im Januar 1942 eingeleitet. Im Zuge der sich ab 1942/43 abzeichnenden Aussichtslosigkeit, den begonnenen Zweiten Weltkrieg gewinnen zu können, bildete das Weiterführen eines aussichtlosen Krieges, ein Instrument, das Ziel der Ausrottung der jüdischen Menschen zu erreichen, und dabei das eigene Land und auch die nicht-jüdische Bevölkerung weiter zu ruinieren. Im Zeichen der heranrückenden Alliierten sollten die noch überlebenden Juden in Todesmärschen vernichtet werden. Für die Zerstörung und Verachtung des eigenen Landes steht etwa Hitlers Nero-Befehl vom März 1945 (Zerstörung aller Sachwerte, im Zeichen der Niederlage Politik der verbrannten Erde).  Wie sehr sich diese Gesellschaft manipulieren ließ, zeigt die hohe Anzahl fanatischer Nazis bis zum 8. Mai 1945, die sogar Familienangehörige denunzierte, die nicht an den Endsieg glaubten. Die Alliierten konnten die NS-Diktatur schließlich besiegen.

Der Holocaust bzw. die Shoah steht für ein Verbrechen einzigartiger Schwere, dem über 6 Millionen jüdische Menschen zum Opfer fielen, auch Babys und Greise. Das polnische und russische Volk hat besonders unter Hitlers Verbrechen leiden müssen, 3 Millionen polnische Jüdinnen und Juden wurden ermordet.

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