Pogromnacht

Autor: Hans-Christian Herrmann

Reichskristallnacht – ein verharmlosender Begriff

Die brennende Saarbrücker Synagoge, 10. November 1938. - Stadtarchiv Saarbrücken, Nachlass Karl August Schleiden.

Die brennende Saarbrücker Synagoge, 10. November 1938. - Stadtarchiv Saarbrücken, Nachlass Karl August Schleiden.

Die brennende Saarbrücker Synagoge, 10. November 1938. - Stadtarchiv Saarbrücken, Nachlass Karl August Schleiden.

In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 brannten im Deutschen Reich 2.700 Synagogen, mindestens 7.500 jüdische Geschäfte wurden geplündert und verwüstet sowie 26.000 Juden in sogenannte Schutzhaft genommen.

Anlass der Aktion war das Attentat auf den Legationssekretär Ernst Eduard von Rath in Paris am 7. November 1938, der an seinen Verletzungen am 9. November verstarb. Täter war der Herschel Grynszpan, ein polnischer Jude. Er wollte eigentlich den deutschen Botschafter ermorden. Seine Familie war im Oktober 1938 zusammen mit insgesamt über 17.000 Juden aus dem Reich nach Polen über die grüne Grenze abgeschoben worden. Dies war die erste staatlich organisierte Vertreibungsaktion. Die  über Jahre in Hannover lebende Familie litt darunter sehr. Diese Verzweiflung veranlasste Grynszpan zu seiner Tat. Es stellte sich heraus, von Rath war homosexuell, seinerzeit war dies ein Verbrechen und Verstöße gegen den § 175 brachten Männer ins Konzentrationslager. Von Rath und Grynszpan kannten sich über homosexuelle Kreise. Josef Goebbels plante einen Schauprozess, die von der Staatsanwaltschaft thematisierte Homosexualität verhinderte letztlich diesen Plan, Grynszpan starb unter bis heute ungeklärten Umständen im Gefängnis.

Goebbels leitete nach dem Attentat eine Aktion des angeblichen Volkszornes gegen Juden im Reich ein.  SA- und SS-Leute waren die Hauptakteure, viele davon nicht uniformiert, um den Eindruck einer Bewegung aus der Bevölkerung zu suggerieren, getragen von Frauen und Männern aus der Gesellschaft. 

Bereits am 7. November 1938 war es zu ersten Aktionen gegen Juden gekommen – etwa im nordhessischen Kassel. Das NSDAP-Organ „Völkischer Beobachter“ berichtete am 8. November vom „Beginn einer neuen deutschen Haltung in der Judenfrage“.  Die Nationalsozialisten nutzten das Pariser Attentat zur völligen Entrechtung der Juden, sie wurden für vogelfrei erklärt und das Attentat als Anschlag des „Weltjudentums“ bezeichnet. In einigen Städten wie Chemnitz und Dessau war es bereits am Abend des 8. November zu Gewaltaktionen gegen Juden gekommen. In der Nacht vom 9. auf den 10. November gab es dann in ganz Deutschland Gewaltaktionen gegen die jüdische Bevölkerung.

Am 12. November 1938 verfügte die NS-Regierung, dass die Schäden der von ihnen beschönigend genannten „Reichskristallnacht“ von den Juden zu tragen seien. Die jüdische Bevölkerung und damit die Opfer wurden außerdem zur Zahlung einer „Buße“ von 1 Milliarde Reichsmark gezwungen. Der Begriff  „Reichskristallnacht“ verharmloste die Gewaltaktion, bei der einige hundert jüdische Menschen getötet, tausende misshandelt und gedemütigt wurden. Er vermittelt fälschlicherweise, es seien „nur“ Fensterscheiben und Schaufensterglas zu Bruch gegangen.

Die Reichspogromnacht schloss den Prozess der Entrechtung der Juden ab. Sie mussten Fahrräder, elektrische Geräte und warme Kleidung abgeben und waren verpflichtet, jüdische Vornamen zu führen. Existenzen waren in der Pogromnacht vor den Augen der Betroffenen in wenigen Minuten vernichtet worden. Hab und Gut, alles, was sich jüdische Männer und Frauen ein Leben lang erarbeitet und aufgebaut hatten, wurde vor ihren Augen aus dem Fenster geworfen, zertrümmert und angezündet.

Die Pogromnacht im Saarland

Die meisten der saarländischen Juden hatten das Saargebiet zum Zeitpunkt der Novemberpogrome bereits verlassen und ein Großteil ihres Besitzes war zu günstigsten Konditionen von arischen Volksgenossen oder NSDAP-Organisationen unter Wert erworben worden. Es ist davon auszugehen, dass 1938 nur noch gut 1.000 Jüdinnen und Juden an der Saar lebten. Dies erklärt auch, dass die St. Ingberter Synagoge in der Pogromnacht nicht zerstört wurde, weil das jüdische Gemeindeleben schon ein paar Monate nach der Saarrückgliederung 1935 zusammengebrochen war. Die verbliebenen gläubigen Juden versammelten sich zum Beten im Haus der Familie Kahn. Am 28. März 1936 verkaufte die St. Ingberter Gemeinde ihre Synagoge an die Stadt,  sie wurde nun u. a. für Schulungen des Bundes Deutscher Mädel genutzt. Bereits vor 1938 waren Synagogen in folgenden Orten aufgegeben worden: Beaumarais, Blieskastel, Gersheim, Haupersweiler, Hilbringen, Hüttersdorf, Rehlingen, Spiesen, St. Ingbert, Tholey und Wallerfangen.

In der Pogromnacht verwüstet oder niedergebrannt wurden die Synagogen in Bosen, Brotdorf, Dillingen, Homburg, Illingen, Merzig, Nalbach, Neunkirchen, Ottweiler, Saarbrücken, Saarwellingen, Sötern und St. Wendel.

Schändung der jüdischen Friedhöfe in der Pogromnacht: Sötern, Gonnesweiler, Merzig, Saarlouis, Diefflen, Saarwellingen, Illingen, Neunkirchen und Saarbrücken.

Jüdische Männer gezwungen eigenes Gotteshaus zu zerstören

In Saarbrücken brannte die Synagoge. In Saarlouis verzichteten die Täter auf die Brandstiftung, weil ein direkt daneben liegendes Holzlager in Mitleidenschaft gezogen worden wäre. Ähnlich verhielt es sich in Sötern und Bosen, Saarwellingen und Nalbach, wobei in Bosen und Sötern die jüdischen Männer gezwungen wurden, die Synagoge selbst zu zerstören.

Wenige Tage nach dem Brand der Saarbrücker Synagoge erging am 19. November 1938 ein Erlass des damaligen Polizeipräsidenten, den Wiederaufbau der Synagoge bis auf weiteres nicht zuzulassen. Am 13. Dezember 1938 wurde der Abbruch der Ruine verfügt, der 1939 dann erfolgte. Die Kosten des Abbruchs in Höhe von 10.000.- Reichsmark wurden der damaligen Synagogengemeinde in Rechnung gestellt.

Die Reichspogromnacht war in Saarbrücken wie im übrigen Hitler-Deutschland eine „Explosion von Sadismus“, ein großes Erniedrigungs- und Demütigungsritual. Sie zeigte allen Menschen in NS-Deutschland die gewaltige Dimension des Antisemitismus des NS-Staates. Jüdische Identität, ihr geistiges und geistliches Zentrum sollte restlos zerstört werden. Für die jüdische Bevölkerung war sie eine große Leiderfahrung, das Gefühl völliger Rechtlosigkeit. Neben der Entrechtung stand die endgültige Zerstörung ihrer wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Existenz.

Wie im gesamten Deutschen Reich zeigen diese Ereignisse höchste Brutalität und Menschenverachtung, wobei vor allem die geradezu bizarr anmutende Erniedrigung auffällt. So wurde in Dillingen ein wehrloser Greis zum Trinken von Rizinusöl [starkes Abführmittel] gezwungen und dann johlend durch die Stummstraße getrieben.

Systematisch wurden die wenigen noch vorhandenen jüdischen Geschäfte im Saargebiet zerstört - Existenzen, die in Jahrzehnten aufgebaut worden waren, wurden vor den Augen ihrer Gründer innerhalb von Minuten dem Erdboden gleich gemacht. So musste Siegfried Alkan, der 80-jährige Inhaber der gleichnamigen Klavierhandlung in Dillingen, mit ansehen, wie seine Klaviere mit Vorschlaghämmern zerschmettert wurden. Zudem misshandelte ihn eine Gruppe von SA-Leuten und andere Dillinger Bürger mit Hammerschlägen, belästigten seine Frau und trieben seine Töchter halbnackt aus der Wohnung. Die Familie emigrierte und fand nach einer Odyssee schließlich in den USA eine sichere Heimat. Eine der Töchter, Hannelore Baron, geborene Alexander, wurde nach dem Krieg eine international anerkannte Künstlerin.

Zur Berichterstattung über die Saarbrücker Ereignisse in der Saarbrücker Zeitung, 11.11.1938. - Saarbrücker Stadtarchiv

Zur Berichterstattung über die Saarbrücker Ereignisse in der Saarbrücker Zeitung, 11.11.1938. - Saarbrücker Stadtarchiv

Zur Berichterstattung über die Saarbrücker Ereignisse in der Saarbrücker Zeitung, 11.11.1938. - Saarbrücker Stadtarchiv

Jüdinnen und Juden in großer Verzweiflung: Die Gewalt dieser Nacht  stellte eine Extremsituation dar, auf die einige der jüdischen Opfer mit Selbstmord reagierten. Ein Beispiel dafür ist das Ehepaar Herrmann aus Losheim. Ihr gesamtes Haus war zerstört worden, sogar das Dach war teilweise abgetragen worden. Die Täter kamen in der Pogromnacht zweimal zu den Herrmanns, schlugen auf sie ein und zwangen Silwin Herrmann zur Herausgabe seiner Bargeldersparnisse. Herrmann versuchte sich daraufhin am 11. November zu erhängen und seine Frau schnitt sich die Pulsadern auf. Nachbarn entdeckten die beiden, riefen einen Arzt, der jedoch Hilfeleistungen für Juden strikt ablehnte. Ein anderer Mediziner wurde verständigt, er kam und half.

Auch Gewalt gegen Menschen, die Menschlichkeit zeigten und Nein zum Antisemitismus sagten: Der Mob der Reichspogromnacht wütete nicht nur gegen Juden, sondern richtete sich auch gegen Personen, denen eine Loyalität oder eine Verbindung zu Juden unterstellt wurde oder ganz einfach Juden ihr Mitgefühl ausdrückten. Ein Beispiel dafür ist der Fall des St. Wendeler Rechtsanwaltes Dr. Erich Krämer. Krämer, 1883 im westfälischen Altena geboren, war seit 1911 in St. Wendel als Anwalt tätig. Er hatte am Ersten Weltkrieg teilgenommen und war Träger des Eisernen Kreuzes II. Klasse. Am 10. November 1938 versammelten sich vor seinem Haus Nazis und skandierten: „Gesandtschaftsrat von Rath ist ermordet! Wer war der Täter? Ein Jude! Nieder mit Juden und Judenknechten. Wie heißt der Judenknecht? Krämer! Wo wohnt er?  Hier! Was soll mit ihm geschehen? Aufhängen! Heraus mit dem Lump!“ Krämer wurde zusammen mit Juden verschleppt und nach Saarbrücken ins Gefängnis Lerchesflur gebracht. Dabei erlitt er neben Schlägen eine stark blutende Stichverletzung an der Hand.

Bei der Volkszählung vom 17. Mai 1939 lebten gerade noch 482 Juden im Saarland.

Die Ereignisse der Pogromnacht im Saarland wurden nach 1945 aufgearbeitet und Verfahren wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit eingeleitet, die entsprechenden Akten werden im Landesarchiv Saarbrücken verwahrt. Sie ermöglichen die Ereignisse recht detailliert nachzuvollziehen. Die folgende Beschreibung basiert auf diesen Akten.  

Die Pogromnacht im Saarland: Lokale Vorkommnisse

In Saarbrücken fand am Abend des 9. November 1938 wie im übrigen Reich ein Treuegelöbnis von SS-Anwärtern auf den Führer statt. In Saarbrücken war dies die SS-Standarte 85, dazu traten sie auf dem Schlossplatz an. Im Laufe dieser Zusammenkunft wurde verbreitet, etwas gegen die Juden in dieser Nacht zu unternehmen. Nach dem Gelöbnis zogen die SS-Männer ab, um nach Mitternacht dann gegen die Saarbrücker Juden vorzugehen. Eine Gruppe zog zur Synagoge, brach dort ein und schlug die Inneneinrichtung kurz und klein. Nach Mitternacht setzten 30 SS-Leute die Zerstörungsaktion fort, am frühen Morgen legten sie Feuer und die Synagoge brannte. Die städtische Feuerwehr war zugegen, um ein Übergreifen der Flammen auf Nachbargebäude zu verhindern. Eine andere Gruppe ging los, jüdische Wohnungen zu stürmen und die jüdischen Männer in „Schutzhaft“ zu nehmen.

Die SS, unterstützt von Schaulustigen aus der Mitte der Gesellschaft, drang in die jüdischen Wohnungen ein, riss die Menschen aus dem Schlaf, schlug sie zusammen und zwang die Männer, viele in Nachthemden und Pantoffeln, mitzukommen. Ein Überlebender berichtete, dass die Eindringlinge zu seiner Frau sagten: „Nimm einen Strick, Judensau, und häng Dich auf!“ Die Menschen fürchteten um ihr Leben. So drangen 30 SS-Männer und Schaulustige in das Haus Mainzer Straße 14 ein, schlugen den Hausherrn bewusstlos und traten weiter auf ihn ein. Seiner schreienden Frau drückten sie ein Kopfkissen auf das Gesicht, dem weinenden Kind hielt einer der SS-Leute eine Pistole an die Schläfe und sagte: „Judenkind, wenn Du nicht ruhig bist, knall ich Dich über den Haufen“. Die Zimmereinrichtung  wurde verwüstet. Viele jüdische Geschäfte wurden Opfer von Vandalismus.     

Die SS-Leute trieben die jüdischen Männer, die insbesondere aus der Futterstraße, Sulzbachstraße, Karcherstraße und Mainzer Straße verschleppt worden waren, zum Beethovenplatz.

Vom Beethovenplatz wurden die Juden zum Hauptbahnhof geführt. Am Baugelände der Reichsbahndirektion jagten SS-Männer und Schaulustige die Juden einen Sandhaufen hinauf und hinunter. Man kündigte ihnen an, drohte ihnen, sie nun zu erschießen, dazu sollten sie ihr eigenes Grab schaufeln. Ungefähr 150 jüdische Männer waren inzwischen zum Bahnhof getrieben worden. Gegen fünf Uhr morgens sollten sich die jüdischen Männer als Zug formieren, zwei wurden gezwungen diesen Zug anzuführen und voranzugehen. Dazu sollte sich einer eine Trommel vor den Bauch hängen und ein anderer zwei Schlagbecken. Die SS-Leute befahlen durch die Reichsstraße zu gehen, das Trommeln war ihnen aber nicht laut genug. So schlug ein SS-Mann auf den jüdischen Trommler mit den Worten ein: „Dir werd ich zeigen, wie man die Trommel schlägt.“ Unter dieser Gewalt brach der Mann zusammen, die Trommel wurde ihm entrissen und einem anderen Juden umgehängt, der in Nachthemd und Pantoffeln aus seiner Wohnung verschleppt worden war und in dieser Kleidung nun den Zug anführen musste. Die SS-Männer trieben die jüdischen Männer durch die Bahnhof- und Futterstraße zur Synagoge. Die Schaulustigen und SS-Leute suchten sich jüdische Männer aus dem Zug aus, die sie bespuckten, schlugen und ihnen Fußtritte versetzten. Vor der Synagoge zwangen die SS-Leute die jüdischen Männer niederzuknien und kultische Lieder zu singen. Sie wurden gezwungen zu tanzen. Dann wurde befohlen über den Rathausplatz und den St. Johanner Markt zurück durch die Kaiserstraße zum Bahnhof zu gehen. In der Kaiserstraße wartete ein Wagen der Stadtreinigung auf sie, den die SS organisiert hatte. Dieser Wagen fuhr mehrmals an ihnen vorbei und richtete den Wasserstrahl volles Rohr auf die jüdischen Männer, bis sie total durchnässt waren. All das geschah in einer kalten Novembernacht.

Perverse Erniedrigungsspiele und Gewaltrituale

Am Bahnhof angekommen wurden die Menschen in die Bahnhofshalle getrieben und den ankommenden Reisenden mit den Worten „Seht her, das sind Juden, so sehen Juden aus!“ zur Schau gestellt. Das Leid hatte noch kein Ende. Nun prügelten SS-Leute und Schaulustige die jüdischen Männer wieder durch die Bahnhofstraße. Die Straße war nass und es gab Pfützen. Die Männer mussten sich nun auf den Boden legen und durch die Wasserpfützen robben. Über die Kaiser-Friedrich-Brücke (heute Wilhelm-Heinrich-Brücke) mussten sie zum Sitz der Gestapo am Schlossplatz laufen. Die perversen Erniedrigungsspiele und Gewaltrituale gingen dort weiter. Die jüdischen Männer wurden gezwungen über Stühle zu springen und bis zur totalen Erschöpfung die Treppen im Gebäude hinauf- und herunterzurennen. Wer sich dem zu entziehen versuchte, wurde geschlagen. Zudem wurde ihnen ein rotes Hakenkreuz auf die Wangen gestempelt. Im Anschluss wurden sie ins Gefängnis Lerchesflur verschleppt und dort vorübergehend inhaftiert. Die meisten von ihnen waren infolge der Misshandlungen verwundet. Die schweren seelischen Wunden waren dagegen nicht sichtbar. Einige wurden in Konzentrationslager verschleppt und nach ein paar Wochen wieder freigelassen. Bevor sie dorthin abtransportiert wurden, mussten sie in Anwesenheit eines Notars ihr Vermögen dem deutschen Volk überschreiben.

In Homburg wurde die Synagoge von einem SS-Sturm am Morgen des 10. November zerstört. Die SS-Männer schlugen die Tür der Synagoge ein, zerstörten sie im Innern und legten anschließend Feuer. Die Synagoge brannte aber nicht ab. Zwei weitere SS-Gruppen verwüsteten die Wohnungen der bekannten jüdischen Familien Hirsch, Seligmann und Salomon und deren Geschäfte. Opfer von Gewalt  wurde auch die junge Frau Salomon mit ihrem Baby. Sie trat ans Fenster ihrer Wohnung und schrie verzweifelt: „Habt doch Erbarmen mit meinen Kindern“, sie trug ihr Baby auf den Armen, an den Windeln war Blut, die SS-Schergen rissen sie vom Fenster zurück ins Zimmer. Beteiligt waren SS-Angehörige aus Homburg und Erbach.

Saarwellingen. Hier wurde von einem SA-Trupp die Synagoge zerstört, die Wohnungen der Juden verwüstet und die jüdische Bevölkerung in einem Spritzenhaus eingesperrt. Die örtlichen Nazi-Größen beschlossen, die jüdischen Menschen aus dem Saarland bzw. Hitler-Deutschland zu vertreiben. Die Juden wurden in einen Bus gezwungen, der sie in Felsberg  an der französischen Grenze aussetzte, verbunden mit dem Befehl, Deutschland zu verlassen. Wer zurückkehre, werde erschossen. Die französischen Zöllner wiesen die jüdischen Menschen aber zurück. Es ist von 15 Saarwellinger Juden auszugehen, lediglich zwei überlebten den Holocaust.

In Schiffweiler rief der dortige NSDAP-Ortsgruppenleiter seine Funktionäre ins Gasthaus Dörr zusammen. Er hielt eine antisemitische Hetzrede  und forderte die Anwesenden nun auf, am jüdischen Metzgermeister Haas ein Exempel zu statuieren. Haas hatte im Ort den Spitznamen „Feiß“ und war in der Nacht zuvor auf die Lerchesflur nach Saarbrücken verschleppt worden. Ungefähr 100 Schiffweiler Einwohner versammelten sich vor der Metzgerei Haas, der NSDAP-Ortsgruppenleiter gab die Parole aus: „Wir stecken dem Feiß die Bude in Brand!“ Zunächst bewarf die Menschenmenge das Haus von Haas mit Steinen, dann wurden die Türen eingetreten, das Haus gestürmt, das Inventar zerstört, Bücher und Hausrat auf die Straße geworfen. Gegen Mitternacht wurden brennende Fackeln ins Haus geworfen, präpariert mit in Benzin getränktem Stroh. Der Feuerwehr wurde das Löschen unmöglich gemacht, sie wehrte sich nicht dagegen. Passanten drehten die Hydranten wieder zu, andere Schaulustige traten auf den Feuerwehrschlauch. Die Masse lachte und verfolgte belustigt und schadenfroh die Zerstörung der Metzgerei Haas.         

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