Römisches Abkommen 1934

Autoren: Hans-Christian Herrmann und Marcel Wainstock

Vor allem nach der „Machtergreifung“ Hitlers verschärfte sich ab Januar 1933 der auch schon seit den späten 1920er Jahren im Saargebiet gelegentlich auftretende Antisemitismus. Boykottaufrufe, Sachbeschädigungen und Friedhofsschändungen nahmen zu. Juden wurden immer mehr gesellschaftlich ausgegrenzt und jüdische Kinder in den Schulen von ihren Klassenkameraden angegriffen.

Insbesondere der seit 1929 in Saarbrücken tätige Rabbiner Dr. Friedrich Schlomo Rülf erkannte das Ausmaß des gewalttätigen Antisemitismus der Nationalsozialisten und die drohende Gefahr. Um die im Saargebiet lebenden Jüdinnen und Juden auch mit Blick auf das zu erwartende Abstimmungsergebnis im Januar 1935 zu schützen, bildete Rülf ein Netzwerk, um Hitler-Deutschland Garantien abzuringen, zu dem es sich dann im sogenannten Römischen Abkommen auch verpflichtete. 

Komitee aus fünf
Personen der jüdischen Gemeinde in Saarbrücken

Dazu gründete Rülf ein Komitee aus fünf Personen der jüdischen Gemeinde in Saarbrücken. Ihm gehörten auch Dr. Walter Sender, Eduard Lehmann und Dr. Hugo Steinthal sowie Irwin Eppstein an.  Wichtiger Ansprechpartner war Nahum Goldmann (1895-1982), Vertreter der Jewish Agency. Goldmanns Einfluss wirkte und seine Audienzen und Gespräche beim russischen Außenminister Litwinow, Kardinalstaatssekretär Eugenio Pacelli (dem späteren Papst Pius XII.) und dem italienischen Ministerpräsidenten Benito Mussolini führten zum Erfolg.

Danach wurde allen Bewohnern des Saargebiets, die am 3. Dezember 1934 dort wohnhaft waren, bis zum 29. Februar 1936 ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit keine Schlechterstellung wegen ihrer Sprache, Rasse oder Religion zugesichert. Damit kamen etwa die im Reich geltenden und erlassenen antisemitischen Gesetze im Saargebiet zunächst nicht zur Anwendung bzw. erst nach Ablauf der Frist. Das erleichterte jüdischen Menschen und allen anderen Gegnern des NS-Regimes die Emigration ins Ausland. Ohne Angaben von Gründen konnten sie mit ihrem Vermögen ins Ausland gehen, gleichwohl war es Jüdinnen und Juden kaum noch möglich, ihr Eigentum nicht unter Wert zu veräußern.    

Rülf und die Mitglieder seines „Komitees“ operierten unter Wahrung strengster Geheimhaltung. Sie trafen sich zu ihren Besprechungen im Hinterhaus des der Familie Steinthal gehörenden Anwesens in der Saarbrücker Bahnhofstraße 74. Dazu unternahmen sie zahlreiche Auslandsreisen, um einflussreiche Persönlichkeiten beim Völkerbund in Genf, aber auch in Paris und London für ihr Anliegen zu gewinnen und außerdem auch die dortigen jüdischen Gemeinden über die verzweifelte Lage der Saarjuden zu informieren.