Ärzte und Apotheker

Autor: Hans-Christian Herrmann

Jüdische Ärzte und Apotheker in Saarbrücken – viele von ihnen mit erstklassigem Ruf

Die Medizin erlebte im 19. Jahrhundert enorme Fortschritte. Vorangetrieben wurde diese Entwicklung durch viele neue Erkenntnisse in den Naturwissenschaften und der Entwicklung der Medizin als Wissenschaft. Ergebnis dieser Entwicklung war auch der Ausbau medizinischer Fakultäten an den Universitäten und eine umfassende Spezialisierung. Im Zuge der Gleichstellung der jüdischen Menschen im Lauf des 19. Jahrhunderts entschieden sich in Relation zum Bevölkerungsanteil viele Juden, darunter auch Frauen, für ein Medizinstudium. In Folge der Einführung und des Ausbaus der Sozialversicherung wurde das öffentliche Gesundheitswesen ab der Jahrhundertwende massiv ausgebaut und auch die Anzahl der zugelassenen Ärzte wuchs stark an. Die Gesundheitsversorgung und Leistungen der Medizin machten enorme Fortschritte. Das Saarbrücker Bürgerhospital war in den späten 1920er Jahren das größte Krankenhaus in Saarbrücken mit ca. 520 Betten.

Erst mit dem ausgehenden Kaiserreich und damit deutlich später als im übrigen Deutschland wuchs ab der Jahrhundertwende und dann kurz vor dem Ersten Weltkrieg die Zahl jüdischer Ärzte in Saarbrücken wie im übrigen Saargebiet an. 1934 waren über 18 Prozent aller Ärzte des Saargebietes israelitischen Glaubens. Vor allem in Saarbrücken gab es viele jüdische Fachärzte, darunter auch Ärztinnen.

Rückblick: Vom Mittelalter bis zum 19. Jahrhundert - guter Ruf jüdischer Ärzte

Das Saarbrücker Bürgerhospital, 1905 errichtet, auf dem Reppersberg. Im Jahr 1930 gab es insgesamt neun Krankenhäuser und Privatkliniken mit 1200 Betten. 1931 war der jüdische Arzt Prof. Dr. Oscar Groß als Chefarzt dort tätig. - Stadtarchiv Saarbrücken, Sammlung Ansichtskarten, Nr. 1126

Das Saarbrücker Bürgerhospital, 1905 errichtet, auf dem Reppersberg. Im Jahr 1930 gab es insgesamt neun Krankenhäuser und Privatkliniken mit 1200 Betten. 1931 war der jüdische Arzt Prof. Dr. Oscar Groß als Chefarzt dort tätig. - Stadtarchiv Saarbrücken, Sammlung Ansichtskarten, Nr. 1126

Das Saarbrücker Bürgerhospital, 1905 errichtet, auf dem Reppersberg. Im Jahr 1930 gab es insgesamt neun Krankenhäuser und Privatkliniken mit 1200 Betten. 1931 war der jüdische Arzt Prof. Dr. Oscar Groß als Chefarzt dort tätig. - Stadtarchiv Saarbrücken, Sammlung Ansichtskarten, Nr. 1126

Bereits im Mittelalter gab es jüdische Ärzte. Sie genossen hohes Ansehen und standen im Dienst von Kaisern, Bischöfen und Päpsten, obwohl die kirchliche Lehre Christen eine Behandlung durch Juden untersagte. Auch einfache Leute suchten ihre Dienste. Jüdische Ärzte erfreuten sich hoher Wertschätzung und genossen deshalb Privilegien.

Ihr Wissen basierte auf einer Verbindung von praktischer Erfahrung und dem Umsetzen theoretischer Kenntnisse aus dem Studium alter griechischer und arabischer Schriften. Vor allem als Wundärzte waren sie sehr erfolgreich. Es war im Grunde seit dem Mittelalter abgesehen vom Kreditgeschäft der einzige Beruf, den Juden ausüben konnten und der ihnen auch eine gewisse Anerkennung bringen konnte. Auch in der Neuzeit war dies der Fall, vor allem Fürsten griffen auf ihre Dienste zurück wie etwa die Grafen von Nassau-Saarbrücken. Im Lauf des 18. Jahrhunderts konnten Juden auch an Universitäten studieren und erarbeiteten sich im Zuge der Judenemanzipation des 19. Jahrhunderts eine Position in der Ärzteschaft, gegen die etwa in Wien schon ab 1900 polemisiert wurde. In der Stadt mit der größten jüdischen Gemeinde Europas waren 80 Prozent der Ärzte Juden.

Vom 19. Jahrhundert bis zum Holocaust: Gesellschaftlicher Aufstieg über den Arztberuf

In Saarbrücken soll 1867 erstmals ein jüdischer Arzt praktiziert haben.
Jüdische Ärzte haben Medizingeschichte geschrieben, dazu folgende Beispiele: Die Henle-Schleife bezeichnet einen Abschnitt im Nierenmark, benannt nach Friedrich Jacob Henle, seit 1852 Leiter des Instituts für Anatomie an der Universität Göttingen und Verfasser des Handbuchs für systematische Anatomie. Ferner der Auerbach-Plexus, der Edinger-Kern und die Herxheimer-Reaktion, sie stehen für Entdeckungen jüdischer Ärzte, die mit dazu beitrugen, der deutschen Medizin Ende des 19. Jahrhunderts weltweit einen herausragenden Ruf zu verschaffen. Zu den bedeutenden jüdischen Wissenschaftlern im Bereich der Medizin zählte auch Paul Ehrlich. Er entwickelte eine Methode zum Färben von Blutzellen und gilt als Pionier der Hämatologie. Zugleich ist er der Vater der Chemotherapie.

Auszug aus dem Saarbrücker Einwohner-Buch 1930/31, hier die Rubrik Ärzte.

Hoher jüdischer Ärzteanteil in Saarbrücken

Erst mit dem ausgehenden Kaiserreich und damit deutlich später als im übrigen Deutschland wächst ab der Jahrhundertwende und dann kurz vor dem Ersten Weltkrieg die Zahl jüdischer Ärzte in Saarbrücken wie im übrigen Saargebiet an. Im Jahr 1910 waren vier von 44 Saarbrücker Ärzten jüdischen Glaubens. Bereits im Jahr 1913 waren von 413 Ärzten an der Saar 28 Juden, ihr Anteil wuchs in den folgenden Jahren an, 1934 waren über 18 Prozent aller Ärzte des Saargebietes israelitischen Glaubens. Mindestens 28 Jüdinnen und Juden waren als Ärzte im Saarbrücken der 1920er Jahre bis 1935 tätig, darunter Fachärzte mit großen Praxen im Stadtzentrum, Ärzte in öffentlichen Krankenhäusern, aber auch einfache  Allgemeinmediziner.

Dazu kommt eine Vielzahl an jüdischen Fachärzten wie etwa Dr. Erich Drucker, Spezialarzt für Herz- und Gefäßerkrankungen, der noch Ende 1933/Anfang 1934 eine Praxis für Herz- und Gefäßerkrankungen eröffnete. Nach Hitlers Machtergreifung suchten jüdische Ärzte Zuflucht im noch unter Völkerbundverwaltung stehenden Saargebiet, so etwa die Jüdin Dr. Hertha Lauterbach, geborene Zivier. Sie war promovierte Zahnärztin und mit dem Protestanten Dr. Franz Lauterbach verheiratet. Beide waren in Breslau geboren und hatten dort 1926 geheiratet. Im Juli 1933 wohnten sie mit ihren Kindern in der Dudweiler Straße 8. Es gelang ihnen den Holocaust zu überleben. Nach 1945 lebten sie in Saarbrücken.

Jüdische Hautärzte in Saarbrücken – Große und gut ausgestattete Praxen

Die Praxis Lissauer war in diesem Haus untergebracht, die Aufnahme stammt aus den späten 1970er Jahren. - Stadtarchiv Saarbrücken, Nachlass Prof. Dieter Heinz, LB, Nr. 110.

Die Praxis Lissauer war in diesem Haus untergebracht, die Aufnahme stammt aus den späten 1970er Jahren. - Stadtarchiv Saarbrücken, Nachlass Prof. Dieter Heinz, LB, Nr. 110.

Die Praxis Lissauer war in diesem Haus untergebracht, die Aufnahme stammt aus den späten 1970er Jahren. - Stadtarchiv Saarbrücken, Nachlass Prof. Dieter Heinz, LB, Nr. 110.

Große von Juden geführte Facharztpraxen waren beispielsweise die Praxis von Professor Dr. Max Lissauer in der Dudweilerstraße 11, in dem Gebäude befand sich auch die Rosenapotheke. Lissauer, geboren am 11. Februar 1876 in Berlin, lebte seit 1917 in Saarbrücken und war auf Haut- und Harnleiden spezialisiert. 1935 floh er nach Frankreich und lebte zunächst in Strasbourg. 1937 zog er nach Montauban und musste 1943 vor der Gestapo fliehen.  Nach dem Krieg lebten er und seine Familie wieder in Montauban, dort verstarb er am 14. September 1968.

Ein weiterer Hautarzt  mit einem Institut für Röntgenbestrahlung und Kosmetik war Dr. Otto Salomon Levita. Der am 4. April 1895 in Bad Kreuznach geborene Jude hatte seit 1924 seine Praxis in der Viktoriastraße 16 und wohnte privat in der Bismarckstraße 56.

Jüdische Frauenärzte – unter ihnen die ersten Ärztinnen

Als Gynäkologe praktizierte Dr. Alfred Wertheimer in der Trierer Straße 26, 1924 war er von Heidelberg nach Saarbrücken gezogen. Möglicherweise mit ihm verwandt war Dr. Fritz Wertheimer, Nervenarzt in der Kaiserstraße 30. Als Frauenarzt war auch Dr. Ignaz Treiber in Saarbrücken tätig. Seine Praxis befand sich in der Dudweiler Straße 13. Treiber war Ostjude, geboren am 1. Februar 1895 in Tarnopol (Polen) und lebte mit seinen Eltern seit mindestens 1900 in Saarbrücken. Er emigrierte und überlebte den Holocaust. 

Zu erinnern ist auch an den als Geburtshelfer tätigen Dr. Max Haymann,  geboren am 11. Mai 1896 in Saarburg. Seine Praxis befand sich in der Kaiserstraße 21, als Mieter wohnte  er in der Karcherstraße 11. Haymann wurde 1942 im KZ Auschwitz ermordet. Wohl als erste Frau in diesem Bereich praktizierte ab 1924 Dr. Wally (Rosa) Steinthal, geboren am 7. Februar 1895 in Breslau. Ihre Praxis befand sich in der Bahnhofstraße 74 (heute Bahnhofstraße 89), dort wohnte sie auch mit ihrer Familie.  In der Emigration entschied sie sich angesichts von Hitlers Überfall auf Frankreich für den Suizid, sie starb am 19. Mai 1940 in Paris.

Jüdische Nerven-, Kinder-, HNO-Ärzte und Internisten – sie gehörten zu den erfolgreichsten des Saargebietes

Zu den besonders angesehenen jüdischen Fachärzten zählte Dr. Aron Isserlin. Am 7. Januar 1894 in Prostken/Ostpreußen geboren, lebte er seit 1924 in Saarbrücken. Im Oktober 1935 emigrierte er nach Palästina und starb in Tel Aviv am 1. Januar 1966. Isserlin galt als bedeutendster Nervenarzt in Saarbrücken wie im ganzen Saargebiet. Laut einem von Dr. Obé von der saarländischen Ärztekammer verfassten Schreiben vom 13. Oktober 1963 führte Isserlin „die größte Nervenpraxis“ des Saargebietes und genoss „als Konsiliarius [um Rat befragt]  (…) einen sehr guten Ruf.“ Wenn das Versorgungsamt und das Sozialgericht Gutachten benötigten, beauftragten sie regelmäßig Isserlin. Seine Praxis befand sich seit September 1924 in der Karcherstraße 9. Isserlin hatte nach dem Abitur im März 1912 Medizin in Königsberg und München studiert, meldete sich 1914 als Kriegsfreiwilliger, nahm am Frankreichfeldzug teil, wurde mit dem EK II. Klasse (Eisernes Kreuz) ausgezeichnet und beendete nach dem Krieg sein Studium. Bevor er nach Saarbrücken kam, war er an mehreren Kliniken tätig. Isserlin  war Vorsitzender der zionistischen Ortsgruppe in Saarbrücken.

In der Stresemannstraße 12 in Saarbrücken praktizierte Dr. Werner Heine als Kinderarzt. Der gebürtige Berliner, geboren am  18. Oktober 1888 (abweichend auch 10. Oktober angegeben), wohnte in der Reppersbergstraße 12. Im Jahr 1936 emigrierte er nach Italien und 1939 nach Argentinien. 1954 kehrte er nach Italien zurück und lebte dort bis zu seinem Tod 1977. 

Zu nennen ist außerdem der Internist Dr. Rudolf Hanau, geboren am 2. Januar 1894 in Saarlouis. Seine Praxis befand sich in bester Lage in der Bahnhofstraße 60 und später in der Richard-Wagner-Straße 4. Er emigrierte 1935 nach Frankreich und versteckte sich u. a. in Lyon. Hanau überlebte den Holocaust, lebte nach 1945 in Metz und verstarb dort am 16. Oktober 1979.

Als HNO-Arzt praktizierte Dr. Arthur Tuteur, geboren am 3. April 1869 in Winnweiler. Von Berlin aus zog er 1894 nach St. Johann und zählte zu den ersten in Saarbrücken praktizierenden jüdischen Ärzten. Seine Praxis befand sich zunächst in der Viktoriastraße 13,  später in der Karcherstraße 14. Tuteur emigrierte 1935 über Luxemburg in die USA, wo er in Illinois am 30. April 1947 verstarb.

Jüdische Ärzte auch im öffentlichen Gesundheitswesen von Saarbrücken

Das Krankenhaus auf dem Rastpfuhl. 1901 erbaut, zwischen 1921 und 1926 auf über 220 Betten erweitert. Seinerzeit ein Krankenhaus der AOK. - Stadtarchiv Saarbrücken, Sammlung Ansichtskarten, Nr. Nr. 2258.

Das Krankenhaus auf dem Rastpfuhl. 1901 erbaut, zwischen 1921 und 1926 auf über 220 Betten erweitert. Seinerzeit ein Krankenhaus der AOK. - Stadtarchiv Saarbrücken, Sammlung Ansichtskarten, Nr. Nr. 2258.

Das Krankenhaus auf dem Rastpfuhl. 1901 erbaut, zwischen 1921 und 1926 auf über 220 Betten erweitert. Seinerzeit ein Krankenhaus der AOK. - Stadtarchiv Saarbrücken, Sammlung Ansichtskarten, Nr. Nr. 2258.

Im Jahr 1931 war Professor Dr. Oskar Groß  zum Chefarzt des Saarbrücker Bürgerhospitals berufen worden. Er war ein stark angepasster Jude und zum Protestantismus konvertiert. Groß, am 5. März 1881 in Mainz geboren, war seit 1923 in Saarbrücken tätig. Im Sinne der späteren NS-Gesetze galt er rassisch als Jude. Groß wohnte auf dem Gelände des Krankenhauses an der Nußbergtreppe 10. Er überlebte den Holocaust und die Emigration.
Im Saarbrücker Rastpfuhl-Krankenhaus war Dr. Samuel Sametnik angestellt, geboren am 20. Januar 1900 im russischen Omsk. Von Freiburg aus war er am 21. Juni 1930 nach Saarbrücken gekommen. Er verließ das Saargebiet kurz vor der Rückgliederung 1935, überlebte den Holocaust und verstarb am 17. Februar 1953 in Tel Aviv.

Dr. Alfred Abel praktizierte im Brebacher Hüttenkrankenhaus (Kaiser-Wilhelm-Hospital) in führender Position: am 21. Dezember 1903 in Lörrach geboren, emigrierte der Chirurg 1935 nach Palästina und hatte dort eine Praxis im jüdisch-arabischen Grenzgebiet aufgebaut. Er kehrte nach 1945 ins Saarland zurück und arbeitete vom 7. September 1946 bis weit in die Nachkriegszeit als Chefarzt im Dillinger Hüttenkrankenhaus. Abel wohnte zuletzt in der Heiligenbergstraße 68 in Dillingen. Seine Frau Dr. Monika Maubach, geb. 14. Februar 1902 in Düren, war ebenfalls  Ärztin.

Das Halberger Hüttenkrankenhaus in Brebach. Es umfasste 1930 85 Betten. - Stadtarchiv Saarbrücken - Nachlass Fritz Mittelstaedt, Nr. 720.

Das Halberger Hüttenkrankenhaus in Brebach. Es umfasste 1930 85 Betten. - Stadtarchiv Saarbrücken - Nachlass Fritz Mittelstaedt, Nr. 720.

Das Halberger Hüttenkrankenhaus in Brebach. Es umfasste 1930 85 Betten. - Stadtarchiv Saarbrücken - Nachlass Fritz Mittelstaedt, Nr. 720.

Das Halberger Hüttenkrankenhaus in Brebach. Es umfasste 1930 85 Betten. - Stadtarchiv Saarbrücken - Nachlass Fritz Mittelstaedt, Nr. 720.

Das Halberger Hüttenkrankenhaus in Brebach. Es umfasste 1930 85 Betten. - Stadtarchiv Saarbrücken - Nachlass Fritz Mittelstaedt, Nr. 720.

Das Halberger Hüttenkrankenhaus in Brebach. Es umfasste 1930 85 Betten. - Stadtarchiv Saarbrücken - Nachlass Fritz Mittelstaedt, Nr. 720.

Praktische Ärzte und Arbeiterärzte

Jüdische Ärzte arbeiteten nicht nur als Fachärzte. Einer der ersten in Saarbrücken tätigen jüdischen Ärzte war Dr. Edmund Bickart, der seit Mitte der 1890er Jahre in der Sulzbachstraße 3 in St. Johann praktizierte. Als praktischer Arzt war auch Dr. Daniel Ermann tätig, am 11. November 1876 in Zettingen an der Mosel geboren. Ermann war 1906 von Sötern nach St. Johann gezogen und eröffnete hier eine Praxis in der Nassauerstraße 2. Es ist zu vermuten, dass Ermanns Vater Viehhändler gewesen war, Sötern und Bosen im Kreis Birkenfeld waren seinerzeit Zentren des jüdischen Viehhandels.
Vor allem auch eine Praxis für Arbeiter betrieb Dr. Rudolf Fromm. Er praktizierte in Luisenthal und zuvor in Altenkessel in der Blumenstraße. Fromms Praxis soll eine der größten des Saargebietes gewesen sein, täglich soll er mehrere Dutzend Patienten behandelt haben und ein zeitlich sehr engagierter Arzt gewesen sein. Er emigrierte zusammen mit der Zahnärztin Rose Meyer 1939 in die USA, die er dort heiratete, 1947 verstarb er.

Jüdische Dentisten und Zahnärzte in Saarbrücken

Blick in eine Zahnarztpraxis der 1930er Jahre. - Stadtarchiv Saarbrücken, Allgemeine Fotosammlung, Nr. 6839 a.

Blick in eine Zahnarztpraxis der 1930er Jahre. - Stadtarchiv Saarbrücken, Allgemeine Fotosammlung, Nr. 6839 a.

Blick in eine Zahnarztpraxis der 1930er Jahre. - Stadtarchiv Saarbrücken, Allgemeine Fotosammlung, Nr. 6839 a.

Zu den jüdischen Dentisten zählte in St. Johann  Moses Goldsticker. 1857 in Cincinatti in den USA geboren, kam er wohl Anfang der 1880er Jahre nach St. Johann. Ab 1883 inserierte er in der St. Johanner Zeitung als Zahnkünstler mit Atelier. Goldsticker bot schmerzfreie Operationen mit Lachgas an. Die Anästhesie steckte seinerzeit noch in den Kinderschuhen und in den USA waren 1844 erste Versuche mit Lachgas durchgeführt worden. Im Dezember 1914, nach über 30 Jahren, gab Goldsticker seine Praxis in Saarbrücken auf, zu der auch das Saardental-Depot gehörte. Goldsticker zog nach Düsseldorf und starb 1915 in den USA. Seine in Heidelberg geborene Frau Rachel Marx war ebenfalls Jüdin. Als Dentistin in Saarbrücken mit Praxis in der Kaiserstraße 4 arbeitete Fanny Schauder Meyer. Zu den wenigen jüdischen Zahnärzten gehörte Dr. Hermann Schauder, geboren am 11. Juli 1902 in Saarbrücken. Schauder lebte seit Oktober 1933 wieder in seiner Geburtsstadt, emigrierte 1935 nach Frankreich und konnte über Casablanca im Mai 1940 nach New York fliehen.   

Rose Meyer

Die einzige jüdische Zahnärztin des Saargebietes

Rose Meyer war die einzige jüdische Zahnärztin im Saargebiet. Sie war Tochter eines Viehhändlers. Nach dem Medizinstudium und einer Tätigkeit als Krankenhausärztin in einer Zahnklinik (1926-1928) gründete sie im Oktober 1928 eine eigene Zahnarztpraxis in der Sulzbachstraße 4, die sich rasch zu einer der besten Saarbrücker Zahnarztpraxen entwickelte. Sie gehört damit zu den wenigen Frauen, die seinerzeit als Zahnärztin tätig waren, zwei sind für Saarbrücken überliefert. Im Jahr 1927 gab es im Deutschen Reich 342 Zahnärztinnen, dies entsprach einem Anteil von gut 4 Prozent aller Zahnärzte. Frauen waren  in diesen Beruf sehr selten. 1923 hatte es die ersten Frauen gegeben, die in Zahnmedizin promovierten. Auch Dr Edith Pulewka gehörte zu den ersten ihrer Zunft. Seit 1924 praktizierte sie in der Bahnhofstraße 74  in dem Haus, das der jüdischen Familie Steinthal gehörte. Politisch sympathisierte sie zeitweise mit der NSDAP.

Meyer wohnte in der Dudweiler Straße 49a. Sie hatte die Zulassung für zahlreiche Kassen, gleichwohl waren 75 Prozent ihrer Patienten Privatversicherte, darunter viele Jüdinnen und Juden und vor allem Kinder. Gerade Zahnärztinnen standen im Ruf mit den kleinen und ängstlicheren Patienten sehr einfühlsam umgehen zu können. Rose Meyer führte auch kieferchirurgische Eingriffe durch. Auch an Sonn- und Feiertagen soll sie Patienten in Not behandelt haben. Im Februar 1939 gelang ihr die Emigration in die USA. Über das Kölner Reisebüro Leo Kniebel erhielt sie eine Schiffspassage. Sie fuhr dazu von Saarbrücken über Metz nach Cherbourg und von dort mit dem Dampfer Hansa der Amerika-Linie nach New York, wo sie am 17. Februar 1939 ankam. Dieses Schiff war ursprünglich nach dem Juden Albert Ballin benannt und 1935 in Hansa umbenannt worden. Die Passage kostete 730 RM und es gelang ihr Teile ihres Hausstandes über die Saarbrücker Spedition Anterist & Schneider für 1434,20 RM nach New York zu verbringen. Als sie in die USA kam, war sie 43 Jahre alt. Um sich für ein Medizinstudium einzuschreiben bzw. die für die Anerkennung ihres deutschen Studiums erforderlichen Prüfungen abzulegen, gab es lange Wartezeiten. Sie entschied sich deshalb für eine Ausbildung als Krankenschwester. In New York hatte sie 1939 den praktischen Arzt Dr. Rudolf Fromm geheiratet, der zuvor in Altenkessel und Luisenthal praktiziert hatte. Mit ihm war sie nach New York emigriert. Er verstarb 1947. Rose Meyer ging einen Weg wie viele ihrer jüdischen Kollegen, die USA waren der Hauptzufluchtsort jüdischer Ärzte, mehr als 3.000 der ca. 6.000 jüdischen Ärzte des Deutschen Reiches emigrierten in die USA.

Jüdische Apotheker in Saarbrücken

Ab 1861 durften Juden den Beruf des Apothekers in Preußen ausüben

Vergleichsweise kurz ist die Tradition von Juden im Apothekerberuf in Mitteleuropa, zu erklären aus dem latenten Misstrauen, jüdische Apotheker könnten Christen vergiften. Ab 1861 durften Juden den Beruf des Apothekers in Preußen ausüben, aber erst nach dem Ende des Ersten Weltkriegs nahm die Zahl jüdischer Apotheker deutlich zu. In Berlin waren 1912 ungefähr 25 Prozent aller Apotheken unter der Leitung jüdischer Pharmazeuten, hier gab es eine starke Zuwanderung osteuropäischer Pharmazeuten mit sehr guter Ausbildung. Im Reich insgesamt betrug 1933 der jüdische Apothekeranteil nur 3,6 Prozent. Wie in der Ärzteschaft gab es auch unter den jüdischen Pharmazeuten erfolgreiche Persönlichkeiten, auf die bis heute geschätzte Produkte wie Kamillosan, Nivea und Leucoplast zurückgehen.

Was die Berufstätigkeit jüdischer Apotheker an der Saar betrifft, so liegen dazu noch keine Detailstudien vor. In der Völkerbundzeit war die Zahl der Apotheken deutlich gestiegen, von 64 im Jahr 1924 auf 80 im Jahr 1930, von denen aber bis 1933 zehn ihren Betrieb wieder aufgaben. Im Einwohnerbuch der Stadt Saarbrücken sind für die Jahre 1931/32 siebzehn Apotheken aufgelistet. Darunter befindet sich die 1895 gegründete Viktoria-Apotheke in der Saarbrücker Bahnhofstraße 81. 1920 erwarb sie der jüdische Apotheker Eduard Falck (zum Protestantismus konvertiert) und führte sie bis Ende 1934. Falck, 1880 im ostpreußischen Landeck geboren, war im Januar 1919 von Köln nach Saarbrücken gekommen Zum 1. Januar 1920 erwarb er die Viktoria-Apotheke auf Basis einer Realkonzession. Er und seine Erben, hatten damit das Recht, die Apotheke an einen von ihnen ausgewählten Nachfolger verkaufen zu können. Die Viktoria-Apotheke wurde als größte Apotheke des Saargebietes bezeichnet. Falck beschäftigte sechs Angestellte, zwei Arbeiter und zwei Praktikanten. Er belieferte unter anderem die Saarbrücker Krankenhäuser und erwarb auch die Immobilie in der Bahnhofstraße 81. Falck emigrierte mit seiner Familie 1935 nach Frankreich. Nach Hitlers Überfall auf Frankreich wurde Falck verhaftet, über Drancy ins KZ Auschwitz deportiert und dort am 30. Juni 1944 ermordet. Seine Frau und seine Kinder überlebten den Holocaust und blieben nach 1945 in Frankreich.

In Saarbrücken lebte mindestens seit 1906 Dr. Wilhelm Maximilian Rose. Der am 21. April 1877 in Köln geborene Rose war diplomierter Apotheker und auch promovierte Chemiker, der als Pharmavertreter arbeitete. Außerdem war er Dozent an der Universität Straßburg. Rose wohnte zuletzt in der Karcherstraße 11. Er verstarb auf der Flucht im Departement Tarn et Garonne am 16. März 1944.

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