Saarbrücken - Zentrum jüdischen
Lebens an der Saar

Autor: Hans-Christian Herrmann

Jüdische Bevölkerungsentwicklung in Saarbrücken – Saarbrücken wird zum Zentrum jüdischen Lebens an der Saar

Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts blühten Handel und Gewerbe in St. Johann. Dazu trug auch der 1852 errichtete Bahnhof bei. Ausdruck des gewachsenen Wohlstandes und Selbstbewusstseins war das 1900 fertiggestellte Rathaus St Johann. - Stadtarchiv Saarbrücken, Geschäftsfeld Öffentlichkeitsarbeit, Nr. 504

Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts blühten Handel und Gewerbe in St. Johann. Dazu trug auch der 1852 errichtete Bahnhof bei. Ausdruck des gewachsenen Wohlstandes und Selbstbewusstseins war das 1900 fertiggestellte Rathaus St Johann. - Stadtarchiv Saarbrücken, Geschäftsfeld Öffentlichkeitsarbeit, Nr. 504

Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts blühten Handel und Gewerbe in St. Johann. Dazu trug auch der 1852 errichtete Bahnhof bei. Ausdruck des gewachsenen Wohlstandes und Selbstbewusstseins war das 1900 fertiggestellte Rathaus St Johann. - Stadtarchiv Saarbrücken, Geschäftsfeld Öffentlichkeitsarbeit, Nr. 504

Saarbrücken entwickelte sich im 19. Jahrhundert zum Mittelpunkt jüdischen Lebens an der Saar und hatte den bei weitem höchsten jüdischen Bevölkerungsanteil im Saargebiet.

Dies erklärt sich aus dem Aufstieg der Städte St. Johann, [Alt]-Saarbrücken und Malstatt-Burbach im Kontext der Industrialisierung. Durch die Bildung der Reichslande Elsass-Lothringen und die Verschiebung der Grenze 100 km nach Westen erlebte Saarbrücken ab 1870/71 eine weitere Stärkung als Zentrum im deutschen Südwesten. Im Jahr 1909 schlossen sich die drei Saarstädte zur Großstadt Saarbrücken zusammen. Während 1930 im Saargebiet insgesamt nur 0,5 Prozent der Bevölkerung jüdisch waren, war dieser Anteil in Saarbrücken mit 1,5 Prozent der landesweit höchste.

Ein Schaufenster jüdischen Lebens – die Bahnhofstraße zu Beginn des 20. Jahrhunderts. - Stadtarchiv Saarbrücken, Sammlung Ansichtskarten, Nr. 221

Ein Schaufenster jüdischen Lebens – die Bahnhofstraße zu Beginn des 20. Jahrhunderts. - Stadtarchiv Saarbrücken, Sammlung Ansichtskarten, Nr. 221

Ein Schaufenster jüdischen Lebens – die Bahnhofstraße zu Beginn des 20. Jahrhunderts. - Stadtarchiv Saarbrücken, Sammlung Ansichtskarten, Nr. 221

Mitten im Leben: Vor allem im Zentrum war jüdisches Leben mit einer Vielzahl jüdischer Geschäfte täglich erlebbar, Blick auf die Kreuzung Bahnhofstraße/Dudweiler Straße. - Stadtarchiv Saarbrücken, Nachlass Fritz Mittelstaedt, Nr. 540

Mitten im Leben: Vor allem im Zentrum war jüdisches Leben mit einer Vielzahl jüdischer Geschäfte täglich erlebbar, Blick auf die Kreuzung Bahnhofstraße/Dudweiler Straße. - Stadtarchiv Saarbrücken, Nachlass Fritz Mittelstaedt, Nr. 540

Mitten im Leben: Vor allem im Zentrum war jüdisches Leben mit einer Vielzahl jüdischer Geschäfte täglich erlebbar, Blick auf die Kreuzung Bahnhofstraße/Dudweiler Straße. - Stadtarchiv Saarbrücken, Nachlass Fritz Mittelstaedt, Nr. 540

Anzeige des Kaufhauses Levy - Saarbrücker Zeitung 10.3.1928.

Anzeige des Kaufhauses Levy - Saarbrücker Zeitung 10.3.1928.

Anzeige des Kaufhauses Levy - Saarbrücker Zeitung 10.3.1928.

Der jüdische Bevölkerungsanteil in Saarbrücken war vor allem seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert bis in die 1920er Jahre gestiegen. Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts und  ab 1870 erlebte St. Johann als aufstrebende Stadt von Handel und Gewerbe einen verstärkten jüdischen Zuzug etwa aus Saarlouis und den ländlichen Gemeinden des Saarlandes, aus dem Reich sowie aus Elsass-Lothringen. Im ausgehenden 19. Jahrhundert bis in die 1920er Jahre wanderten weiterhin jüdische Menschen zu, auch aus Osteuropa. Dies gilt insbesondere für die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg.

Im Jahr 1895 lag der jüdische Bevölkerungsanteil mit 71 Menschen in Saarbrücken bei 0,36 Prozent, in St. Johann mit 421 jüdischen Menschen bewegte er sich dagegen bei 2,5 Prozent. In Malstatt-Burbach waren insgesamt 37 jüdische Menschen gemeldet, das entsprach einem Anteil von 0,001 Prozent der Bevölkerung.

Zwischen 1909 und 1930 sollte die jüdische Bevölkerung Saarbrückens von 923 auf 2009 anwachsen. Dies entsprach einer Steigerung von über 120 Prozent, während die  Bevölkerung insgesamt in dieser Zeit lediglich um knapp 30 Prozent gewachsen war (von 99.822 auf 128.850). Dagegen war der jüdische Bevölkerungsanteil im Reich insgesamt rückläufig.

Saarbrücken war zum Mittelpunkt jüdischen Lebens an der Saar geworden.

Im Juni 1921 erhielt die Synagogengemeinde als einzige im Saargebiet ein Rabbinat, ab 1928 gab sie ein eigenes Nachrichtenblatt heraus und richtete eine für das gesamte Saargebiet zuständige Zentralwohlfahrtsstelle ein. Die Saarbrücker Gemeinde bereicherte Saarbrücken. Zu ihr gehörte ein blühendes Vereinsleben. Die Synagoge lag im Herzen der Stadt.

Die 1890 fertiggestellte Synagoge entstand an der Ecke Futter-/Kaiserstraße. Schnell sollte dieser Bereich mit weiteren repräsentativen Gebäuden wachsen und zusammen mit der Bahnhofstraße zum Zentrum von Saarbrücken werden. - Stadtarchiv Saarbrücken, Allgemeine Fotosammlung

Die 1890 fertiggestellte Synagoge entstand an der Ecke Futter-/Kaiserstraße. Schnell sollte dieser Bereich mit weiteren repräsentativen Gebäuden wachsen und zusammen mit der Bahnhofstraße zum Zentrum von Saarbrücken werden. - Stadtarchiv Saarbrücken, Allgemeine Fotosammlung

Die 1890 fertiggestellte Synagoge entstand an der Ecke Futter-/Kaiserstraße. Schnell sollte dieser Bereich mit weiteren repräsentativen Gebäuden wachsen und zusammen mit der Bahnhofstraße zum Zentrum von Saarbrücken werden. - Stadtarchiv Saarbrücken, Allgemeine Fotosammlung

Jüdinnen und Juden hatten wesentlich zur Entwicklung von Handel und Gewerbe  in Saarbrücken beigetragen. Auch kulturell waren sie im Theater und in Orchestern präsent. Viele hatten als Ärztinnen, Ärzte und als Rechtsanwälte großen Erfolg. Jüdisches Leben war mitten im Zentrum von Saarbrücken angekommen.

Die jüdische Gemeinde  orientierte sich am Reformjudentum und war dem entsprechend assimiliert und liberal. Die Rabbiner predigten beispielsweise in deutscher Sprache, es gab Chorgesang und Orgelspiel und manche strengen Speisegebote wurden nicht so konsequent beachtet. Auch wenn die aus Osteuropa zugewanderten jüdischen Menschen deutlich konservativer waren, so kamen die Gemeindemitglieder bei allen Unterschieden doch miteinander aus.

Die bevorstehende Saarabstimmung 1935  bildete einen Wendepunkt. Antisemitismus wurde im Saargebiet ab 1933 immer sichtbarer. Im Zuge dieser sich abzeichnenden Bedrohung durch Hitler-Deutschland begann eine Emigrationswelle vor allem nach Frankreich und Luxemburg. So sank der Anteil der jüdischen Bevölkerung von 1.721 Menschen (1933) auf 1.330 (25.6.1935). Nirgendwo sonst im Deutschen Reich war der jüdische Bevölkerungsrückgang so stark.

Im Kontext des sich verschärfenden Antisemitismus waren zudem jüdische Menschen aus den ländlichen Teilen des Saarlandes nach Saarbrücken gezogen, da das Gemeindeleben auf dem Land meist bereits 1936 schon zusammengebrochen war.

1938 war die jüdische Gemeinde aufgelöst worden und der seit 1934 tätige Rabbiner Lothar Rothschild, in St. Gallen geboren, ging in seine Schweizer Heimat zurück. So lebten im Jahr 1939 nur noch 173 Jüdinnen und Juden in Saarbrücken. Im Rahmen der Wagner-Bürckel Aktion vom 22. Oktober 1940 wurden die wenigen noch im Saarland verbliebenen jüdischen Menschen nach Gurs deportiert.