Kino

Autor: Hans-Christian Herrmann

Jüdische Persönlichkeiten als Pioniere des deutschen Films und Kinos – auch in Saarbrücken

Saarbrücken im Bereich der heutigen Diskontopassage, rechts das Café Sartorio, im Hintergrund das Geschäft „Die Kaffeebohne“, 1934. - Stadtarchiv Saarbrücken, Nachlass Karl August Schleiden.

Saarbrücken im Bereich der heutigen Diskontopassage, rechts das Café Sartorio, im Hintergrund das Geschäft „Die Kaffeebohne“, 1934. - Stadtarchiv Saarbrücken, Nachlass Karl August Schleiden.

Saarbrücken im Bereich der heutigen Diskontopassage, rechts das Café Sartorio, im Hintergrund das Geschäft „Die Kaffeebohne“, 1934. - Stadtarchiv Saarbrücken, Nachlass Karl August Schleiden.

Die 1920er Jahre stehen für den Durchbruch neuer Medien, die die Gesellschaft nachhaltig verändern sollten. Ihre Geschichte ist mit einer Reihe jüdischer Biografien verbunden, die zeigen wie jüdische Persönlichkeiten Trends und Innovationen frühzeitig erkannten und unternehmerisch umsetzten.

Dies gilt etwa für den Film und das Kino, seinerzeit auch als Lichtspieltheater bezeichnet. Zu erinnern ist hier etwa an Regisseure und Schauspieler wie Ernst Lubitsch, Max Reinhardt und Fritz Lang oder Paul Davidson als einen Wegbereiter des deutschen Films. Die Familie Davidson spielt auch für die Geschichte des Saarbrücker Kinowesens eine Hauptrolle. Bisher weniger bekannt ist das Engagement des Zigarettenfabrikanten Max Wagoswki und seines Sohnes Erich.

Max Wagowski hatte 1919 in Saarbrücken die Tabak- und Zigarettenfabrik Lyra gegründet, als Zigaretten mehr und mehr en vogue wurden. Max erkannte aber auch den Film als Wachstumsbranche und gehörte 1919 zu den Mitbegründern der Bavaria Filmstudios in München. Sein Sohn Erich stieg in diese Branche ein und produzierte 1922 die Literaturverfilmung von Gottfried Ephraim Lessing „Nathan der Weise“. Dieser im Dezember 1922 erstmals präsentierte Film steht für die Kunst im Sinne der Menschlichkeit und war insgesamt ein Erfolg. In München führte er aber nach Hetz-Artikeln im NSDAP-Organ „Völkischer Beobachter“ zu antisemitischen Aktionen, so dass der Film dort abgesetzt wurde.

Film und Kino als „Motor der Moderne“

Ab Oktober 1923 sendete erstmals der Rundfunk in Deutschland. Bereits seit 1905 begannen Film und Kino das gesellschaftliche Leben immer stärker zu prägen. Gerade diese Medien sollten ein paar Jahre später systematisch von der NS-Diktatur zur gesellschaftlichen Manipulation genutzt werden.

Kino und Film gewannen bereits in den 1920er Jahren eine enorme Popularität. Damit verbunden ein neuer Wirtschaftszweig: die Filmproduktion. Zeitweise zählte sie zur drittstärksten Exportbranche der Weimarer Republik.

Präsentiert wurden die Filme in den Kinos. Sie zogen in den 1920er Jahren Menschenmassen unterschiedlichster Gesellschaftsschichten an, vor allem Arbeiter und Angestellte und insbesondere Frauen erwiesen sich als filmbegeistert. Der Besuch im Kino wurde zum Massenereignis, auch weil der Kinobesuch im Unterschied zu Theater, Oper und Konzert für ärmere und nicht privilegierte Gesellschaftsschichten noch bezahlbar war. Kino und Film symbolisieren die Moderne der Zwanziger Jahre, ja sie gelten als „Motor der Moderne“.

Im Jahr 1929 zählte die Weimarer Republik  über 300 Millionen Kino-Zuschauer, im Jahr 1928 waren allein in Saarbrücken fast 1 Million Kinokarten verkauft worden. Technische Innovationen und hier vor allem die Erfindung des Tonfilms förderten diese Entwicklung. Der Film half auch im Saargebiet der Völkerbundzeit den Alltag zu vergessen und die Traumata  des Ersten Weltkrieges auszublenden.

In der Weimarer Republik wie auch in Saarbrücken ist diese Entwicklung mit der jüdischen Familie Davidson verbunden, wobei Paul Davisdon als ein Pionier des deutschen Films und Kinos zu bezeichnen ist.

Die Davidsons – eine Familie für den deutschen Film

Anzeige anlässlich der Eröffnung des Union-Theaters in Saarbrücken, 5. Oktober 1922, gezeigt wurde „Das Weib des Pharao“, Regie Ernst Lubitsch. - Saarbrücker Zeitung, 5.10.1922.

Anzeige anlässlich der Eröffnung des Union-Theaters in Saarbrücken, 5. Oktober 1922, gezeigt wurde „Das Weib des Pharao“, Regie Ernst Lubitsch. - Saarbrücker Zeitung, 5.10.1922.

Anzeige anlässlich der Eröffnung des Union-Theaters in Saarbrücken, 5. Oktober 1922, gezeigt wurde „Das Weib des Pharao“, Regie Ernst Lubitsch. - Saarbrücker Zeitung, 5.10.1922.

Die Davidsons haben deutsche Film- und Kinogeschichte geschrieben und sie haben das Kino nach Saarbrücken gebracht, insbesondere die Brüder Paul und John Davidson. John, 1873 im Kreis Königsberg in Ostpreußen geboren, war 1915 von St. Gallen nach Saarbrücken gekommen. Seine evangelische Frau war gebürtige Bremerin. Aus ihrer Ehe waren zwei Kinder hervorgegangen, geboren in Frankfurt/Main und Zürich. Die Familie von John Davidson war stadtbekannt und wohnte in einer stattlichen Villa am Eichhorn-Staden (heute: Am Staden) 11.  Zum Unternehmen gehörte auch Jakob Moses Davidson, geboren am 8. April 1883 in Amsterdam, und der am 26. Juni 1907 in Zürich geborene Friedrich (Fred).

Paul Davidson spielte für den deutschen Film wie für das Kino eine Hauptrolle. Er steht insgesamt für die herausragende Rolle jüdischer Menschen bei der Entwicklung des deutschen Stummfilms. So suchte er den Dialog mit Theaterkünstlern und gewann sie für die Filmkunst wie etwa Max Reinhardt als Regisseur und seinerzeit angesehene und erfolgreiche Theaterschauspieler wie Viktor Arnold,  Emanuel Reicher und Rudolf Schildkraut. Davidson hatte ein Gespür für Talente und Stars, so warb er für den Film erfolgreich um Ernst Lubitsch, einen Mann mit jüdischen Wurzeln und entdeckte die Schauspieler Pola Negri und Emil Jannings.

Abendliche Festveranstaltung am 4. Oktober 1922 anlässlich der Eröffnung des Union-Theaters in Saarbrücken. Zur Eröffnung kam auch Ernst Lubitsch nach Saarbrücken. - Stadtarchiv Saarbrücken, Allgemeine Fotosammlung, Nr. 7251.

Abendliche Festveranstaltung am 4. Oktober 1922 anlässlich der Eröffnung des Union-Theaters in Saarbrücken. Zur Eröffnung kam auch Ernst Lubitsch nach Saarbrücken. - Stadtarchiv Saarbrücken, Allgemeine Fotosammlung, Nr. 7251.

Abendliche Festveranstaltung am 4. Oktober 1922 anlässlich der Eröffnung des Union-Theaters in Saarbrücken. Zur Eröffnung kam auch Ernst Lubitsch nach Saarbrücken. - Stadtarchiv Saarbrücken, Allgemeine Fotosammlung, Nr. 7251.

Der Durchbruch von Kino und Film ist natürlich mit einer Vielzahl weiterer Akteure verbunden gewesen, auch unter ihnen eine Reihe von jüdischen Persönlichkeiten. Zu den Wegbereitern gehören etwa Fritz Lang, der Regisseur des Films Metropolis. Er war Sohn einer zum Katholizismus konvertierten Jüdin. Der bereits erwähnte Berliner Ernst Lubitsch (1892-1947) stammte aus einer jüdischen Familie aus Galizien.

Zu nennen ist ebenso die Berliner Familie Wolffsohn, aus der der renommierte Historiker Michael Wolffsohn hervorgehen sollte. Der Name Wolffsohn steht dabei für die Film- und Kinozeitschrift „Lichtspielbühne“, die ab 1927 sogar täglich erschien. Mit dem Gewinn dieser Zeitschrift, die damals etwas ganz Neues bot, erwarb Wolfssohn Lichtspieltheater in Berlin und anderen deutschen Städten.   

Der vor allem in Berlin lebende Paul Davidson hatte nicht nur den Film gefördert, sondern auch die Lichtspieltheater als Ort ihrer Verbreitung. Paul erkannte, die enormen Investitionen der Filmbranche verlangten eine massenhafte Verbreitung, um die Unkosten zu decken und in die Gewinnzone zu kommen. Paul baute deshalb eine Kette von Kinos unter der Bezeichnung  U.T. bzw. Union Theater auf. Sie zählte in den Zwanzigern bis zu 40 Kinos. Sein erstes Lichtspieltheater errichtete er 1906 in Mannheim und 1909 in Berlin am Alexanderplatz. Die erforderlichen Investitionen konnte er seinerzeit selbst nicht mit seinem eigenem Vermögen finanzieren. Es gelang ihm aber private Anleger und Banken zu überzeugen. Unternehmerisch klug war auch seine Idee, diesen Aufbauprozess mit der Gründung eines großen Unternehmens zur Fabrikation und zum Vertrieb von Filmen und Abspielapparaten zu verbinden, die in den Lichtspieltheatern dann zum Einsatz kamen. So zählte Paul Davidson ebenso zu den Mitbegründern  der Projektion A.G. Union (PAGU) mit Sitz in Frankfurt/Main.

Großes Kino mit den Davidsons in Saarbrücken

Paul Davidson nutzte 1911 im Saarbrücker Kaufhaus Weil eine gemietete Fläche als Aufführungsraum für Filme. Dieses Theater hatte der Gesellschaft PAGU gehört, 1915 erwarb es Paul Davidsons Bruder John. John engagierte sich in Saarbrücken und baute den Neufang‘schen Konzertsaal zu einem modernen Lichtspieltheater um, eröffnet im November 1918 mit 750 Sitzplätzen. Das kleinere Theater im Kaufhaus Weil wurde im August 1921 geschlossen. Nun errichteten die Davidsons am Gelände der Kaiser-Friedrich-Brücke einen prächtigen Kinoneubau, eröffnet im Oktober 1922. Architekt des modernen Stahlbeton-Gebäudes mit einem großen Kuppeldach war der Saarbrücker Rudolf Seifert, der im etablierten Baubüro von Karl Brugger arbeitete.

Das neue Saarbrücker U.T. hatte  1400 Plätze, wie die Zeitschrift „Der Kinematograph“ berichtete. Die Lichtbildwand soll gigantisch gewesen sein mit einer Länge von 35 Metern und einer Breite von 27 Metern. Bereits bei der Planung wurde die akustische Qualität berücksichtigt, der Tonfilm zog kurze Zeit später in die Kinos ein. Es soll seinerzeit der größte deutsche Kinobau gewesen sein. Dazu war dem Kino ein Restaurant angeschlossen. Bereits 1923 führte John Davidson das Union-Theater mit den Kammerlichtspielen und dem Apollo-Filmtheater zusammen.  

Generell erfreute sich das Kino erfreute sim Saargebiet jener Jahre einer hohen Popularität, insbesondere in den Hüttenstädten Neunkirchen und Völklingen.

Neben den Davidsons gab es eine Reihe anderer erfolgreicher Kinobesitzer, die über Jahrzehnte die saarländische Kinolandschaft prägen sollten wie etwa die Familie Theis aus Völklingen.    

1926 wurde Paul Davidson Generaldirektor der UFA Filmproduktionsgesellschaft, 1927 beging er Selbstmord, nicht zuletzt auch aus der Enttäuschung, dass viele der von ihm aufgebauten Filmikonen nach Hollywood abgewandert waren. Auch sein Bruder John traf es schwer. Die Weltwirtschaftskrise von 1929 und die deutsche Finanzkrise von 1931 wirkten sich auch im Saargebiet aus. Umsätze und Gewinne brachen ein. Er musste Konkurs anmelden. Sein Besitz wurde Ende 1932 versteigert und die Villa am Staden erwarb Heinrich Kiefer, der Besitzer des gleichnamigen Cafés in der Saarbrücker Reichsstraße.

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Anzeige zu „Ben Hur“ im Saarbrücker Union-Theater. - Stadtarchiv Saarbrücken, Nachlass Karl August Schleiden.

Anzeige zu „Ben Hur“ im Saarbrücker Union-Theater. - Stadtarchiv Saarbrücken, Nachlass Karl August Schleiden.

Anzeige zu „Ben Hur“ im Saarbrücker Union-Theater. - Stadtarchiv Saarbrücken, Nachlass Karl August Schleiden.

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Die frühere Villa der Davidsons, die später vom Reichssender Saarbrücken genutzt wurde. - Stadtarchiv Saarbrücken, Nachlass Karl August Schleiden.

Die frühere Villa der Davidsons, die später vom Reichssender Saarbrücken genutzt wurde. - Stadtarchiv Saarbrücken, Nachlass Karl August Schleiden.

Die frühere Villa der Davidsons, die später vom Reichssender Saarbrücken genutzt wurde. - Stadtarchiv Saarbrücken, Nachlass Karl August Schleiden.

Die frühere Villa Davidson. Nach ihrer Versteigerung 1932 wurde sie später zum Sitz  des NS-Propagandasenders Radio Saarbrücken. Im Krieg wurde sie zerstört. Stadtarchiv Saarbrücken, Nachlass Karl August Scheiden. Die Davidsons vermittelten übrigens auch Artisten wie Otto Reutter, Silvester Schäffer und Enrico Rastelli, die im Apollo-Theater auftraten.

Max Ophüls und Manny Kirchheimer – Schauspieler und Regisseure, in Saarbrücken geboren, geflohen vor der NS-Diktatur

Max Ophüls als Schauspieler. Stadtarchiv Saarbrücken - Nachlass Karl August Schleiden.

Max Ophüls als Schauspieler. Stadtarchiv Saarbrücken - Nachlass Karl August Schleiden.

Max Ophüls als Schauspieler. Stadtarchiv Saarbrücken - Nachlass Karl August Schleiden.

Die Welt des Films ist mit zwei weiteren jüdischen Persönlichkeiten mit Saarbrücker Bezügen verbunden. Max Ophüls, am 6. Mai 1902 in Saarbrücken (St. Johann) als Maximilian Oppenheimer geboren und Sohn des Chefs des Textilkaufhauses Bamberger & Hertz, sollte zu einem bekannten Film-, Theater- und Hörspielregisseur avancieren. Bis 1920 lebte er in Saarbrücken und wurde 1933 durch die Schnitzler-Verfilmung „Liebelei“ und  „Die verkaufte Braut“ bekannt. Ophüls emigrierte 1935 und nahm die französische Staatsbürgerschaft an. Er überlebte den Holocaust, verbrachte den Rest seines Lebens u. a. in Hamburg. Dort starb er und wurde auf eigenen Wunsch 1957 in Paris beigesetzt.

Die Stadt Saarbrücken richtet seit 1980 ein gleichnamiges Filmfestival zu seinen Ehren aus.  Zu den treuen Besuchern dieses Festivals zählt übrigens auch Manfred Kirchheimer, am 2. März 1931 in Saarbrücken-St. Arnual geboren, der mit seinen Eltern Bert (Chefdekorateur im Kaufhaus E. Weil) und Johanna Kirchheimer 1936 in die USA flüchtete und später dort als Regisseur, Kameramann, Cutter und Filmproduzent vor allem von Dokumentarfilmen international bekannt werden sollte.

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