Musik, Theater und Kunst
Von Rang und Namen – Jüdische Männer und Frauen im Saarbrücker Kulturleben
Im Saarbrücken der Völkerbundzeit (1920-1935) erlebten Kunst und Kultur eine bislang nie gekannte Blüte, verbunden mit dem Wirken jüdischer Künstlerinnen und Künstler. Der besondere politische Kontext des von Deutschland abgetrennten Saargebietes beförderte diese Entwicklung.
In der Zeit davor hatten bereits einige jüdische Persönlichkeiten wie der aus Worms stammende Pianist Friedrich Gernsheimer (1839-1916) das Saarbrücker Musikleben bereichert. Dazu zählte auch der spätere Generalmusikdirektor der Berliner Staatsoper Leo Blech (1871-1958), und Hermann Levi (1839-1900), der zwischen 1859 und 1861 als Musikdirektor in Saarbrücken wirkte und später mit Richard Wagner zusammenarbeiten sollte. Mit Blick auf Hermann Levi ist daran zu erinnern, dass seine Schwester Emmi (geb.1836) mit dem in Saarlouis am 4. August 1829 geborenen Jules Moch verheiratet war, dem als Jude in der französischen Armee ein beispielloser Aufstieg bis zum Oberst gelang. Er wurde auch Lehrer an der Militärakademie Saint-Cyr. Sein Sohn Gaston Moch war mit Alfred Dreyfus befreundet gewesen, Hauptfigur und Opfer der gleichnamigen Affäre. In der Völkerbundzeit gab es eine Vielzahl jüdischer Männer und Frauen, die etwa im Theater und in Orchestern spielten. Es waren in der Regel keine Spitzenverdiener, sondern Angehörige des Mittelstandes.
Viele von ihnen waren den Weg einer starken Assimilation gegangen, indem sie entweder vor allem zum Protestantismus konvertiert waren oder sich für die Konfessionslosigkeit entschieden hatten. Viele von ihnen hatten am Ersten Weltkrieg teilgenommen wie etwa Darius Strauss, ein Frontkämpfer, ausgezeichnet mit dem Eisernen Kreuz II. Klasse. Sein Bruder war gefallen, er selbst war verwundet worden. Darius spielte die I. Violine im Orchester der gemeinnützigen Musik- und Theatergesellschaft Saarbrücken. Prominenter als Strauss war Felix Lederer, 1877 in Prag geboren, 1922 zum Generalmusikdirektor des Saarbrücker Theaters berufen. Ebenfalls Jude war der Intendant des Saarbrücker Theaters Dr. Georg Pauly. 1929 kam er nach Saarbrücken, nachdem er sich gegen 46 Mitbewerber durchgesetzt hatte. Er war am 4. Juni 1883 in Frankfurt/Main als Georg Plaut geboren worden. Sein Vater war der Rabbiner Robert Plaut und entstammte einer eingesessenen jüdischen Familie in Hessen. Wohl um 1923 änderte Plaut seinen Namen in Pauly und gab seinen israelitischen Glauben auf.
Weitere jüdische Männer und Frauen im Saarbrücker Theaterleben waren der Operettenkapellmeister Carl Johannsohn, Chor-Direktor Hans Liebe, Kapellmeister Fritz Müller, der Oberspielleiter der Operette Max Marfeld und die Tanzmeisterin Martha Welsen, ferner der Schauspieler Manfred Wedlich, Leopold Horowitz, Hanna Kramer und James Vandsburger, der Solicellist Mischa Rakier, 1898 in Odessa geboren und seit 1921 in Saarbrücken tätig sowie der Hornist Willi (Wolf) Sprecher.
Saarbrücken wird mit jüdischen Talenten zum kulturellen Zentrum des Saargebietes
Die meisten dieser jüdischen Künstler waren in der Ära von Oberbürgermeister Dr. Hans Neikes nach Saarbrücken gekommen. Die Kulturpolitik der Stadt bildete in den Jahren der Völkerbundzeit (1920–1935) die Säule deutscher Kulturarbeit an der Saar. Theater und Orchester waren ursprünglich von einem privaten Verein geführt worden, der im Jahr 1920 nicht mehr liquide war. Um den Einfluss der französisch bestimmten Regierungskommission zurückzudrängen, wurde die gemeinnützige Theater- und Musik GmbH gegründet, mit der Stadt Saarbrücken als Hauptgesellschafterin. Kulturpolitik war ein Instrument, die Zugehörigkeit der Saar zu Deutschland zu vermitteln und ein Gegengewicht zur Politik der kulturellen Penetration Frankreichs zu bilden. Diese Konstellation bescherte der Kultur in Saarbrücken sozusagen goldene Jahre, entstanden doch wie noch nie zuvor kulturelle Einrichtungen, die der Industriestadt Saarbrücken erstmals auch ein kulturelles Profil gaben. Neben dem 1922 etablierten Theater entstanden 1924 die Stadtbibliothek, das Heimatmuseum und kurze Zeit später das Stadtarchiv sowie 1926 die Volkshochschule. Von Seiten der Regierungskommission wurde das Saarlandmuseum aufgebaut und die Staatliche Kunst- und Gewerbeschule errichtet.
Georg Pauly
Zu den Künstlern mit jüdischem Hintergrund gehörte der Theaterintendant Dr. Georg Pauly. Er und viele andere wurden Anfang der 1930er Jahre Opfer antisemitischer Hetze. Zu erinnern ist hier etwa an Generalmusikdirektor Lederer. Beide wurden von der nationalsozialistischen Presse an der Saar heftig attackiert. Lederer hatte dem Saarbrücker Musikleben, wie der Publizist Karl August Schleiden feststellt, „eine bis dahin nicht gekannte Steigerung“ geschenkt.
Als Pauly, der weit über das Saargebiet hinaus anerkannt war und als ein sehr ausgleichender Mann galt, nach Paris eingeladen wurde, um die „Zauberflöte“ und die „Fledermaus“ zu inszenieren, nahm die NS-Presse und der sogenannte Kampfbund für deutsche Kultur dies zum Anlass, seine nationale Zuverlässigkeit in Frage zu stellen und titelte „Dr. Pauly’s Weg in die Republik Rothschild.“ Aktiv im Kampfbund war damals Fritz Oblasser, Studienprofessor am Ludwigsgymnasium, der 1936 Karriere machte als Direktor des St. Ingberter Gymnasiums.
Zusammen mit Lederer wurde Pauly in einem weiteren Artikel vom 10. Oktober 1931 massiv angegriffen. Pauly musste deshalb zum 1. Mai 1933 von seinem Amt zurücktreten. Auch an der Saar häuften sich die antisemitischen Vorfälle. Im Reich ging es noch brutaler zu, am 10. Mai 1933 wurde unter Führung des Nationalsozialistischen Studentenbundes die „Aktion wider den undeutschen Geist“ durchgeführt. Insbesondere junge Akademikerinnen und Akademiker verbrannten Bücher von jüdischen Autoren und Schriftstellerinnen, aber auch von Kommunisten wie etwa dem in Merzig geborenen Gustav Regler (1896-1963).
Im Kontext der Hetze gegen Pauly hatte sich dann der Aufsichtsrat der Theater- und Musikgesellschaft gegen ihn entschieden. Auch die Vertreter des Zentrums bzw. der katholischen Partei versagten ihm die Unterstützung. Ihre ablehnende Haltung erklärt sich möglicherweise aus einem Provinzialismus, aber auch aus Kleinkariertheit und vor allem der Prüderie katholischer Kreise gegen die Entwicklung des Saarbrücker Kulturlebens. Schon ein freier Frauenrücken sorgte seinerzeit für Empörung, diese Einschätzung legt jedenfalls der bereits zitierte Karl August Schleiden nahe. Hier deutet sich an, dass es in der Öffentlichkeit zahlreiche Vorbehalte im Lager national-konservativer und katholischer Kreise gegenüber der kulturellen Blüte der Zwanziger Jahre gab.
Pauly ging zunächst nach Berlin, kehrte 1934 über Forbach nach Saarbrücken zurück und emigrierte 1935 nach Argentinien, wo er am 16. Juni 1950 in Buenos Aires starb.
Der Fall Pauly zeigt, wie nachhaltig NS-Propaganda an der Saar schon vor der Rückgliederung wirkte und bürgerlich nationale Kreise ebenso wie das katholische Zentrum in vorauseilendem Gehorsam das Kulturleben gleichschalteten.
Felix Lederer
Etwas anders gelagert ist der Fall von Generalmusikdirektor Lederer. Wie Pauly wurde er, wenn auch etwas später, aus seinem Amt herausgedrängt. Lederer, ein Schüler des weltberühmten böhmischen Komponisten Antonín Dvořáks, war 1922 nach Saarbrücken gekommen. Wohl anlässlich seiner Heirat mit der Protestantin Dora Deetzen konvertierte er und wurde protestantisch wie auch die drei aus der Ehe hervorgegangenen Kinder. Lederer erfreute sich in der Saarbrücker Bürgerschaft einer hohen Reputation und war zeitweise Dirigent des 1888 gegründeten Musikvereins Harmonie. Die Nazi-Propaganda nahm auch ihn ins Visier. Der Druck auf Lederer wurde so groß, dass er bereits 1933 über eine Pensionierung nachdachte. Noch im Februar 1935 bat Lederer auf Anraten von Oberbürgermeister Neikes um seine Pensionierung zum 1. Oktober 1935. Auf diese Weise konnte er seine Pensionsansprüche zunächst sichern, das Römische Abkommen schützte ihn vor entsprechenden Diskriminierungen. Lederer verließ Saarbrücken am 15. Oktober 1935 und lebte von nun an in Berlin. Bis Mai 1941 erhielt er von der Stadt Saarbrücken eine Pension, galt jedoch seit 1941 als „Voll-Jude“. Nur wegen der zu versorgenden Familie erhielt er in der Folge noch einen niedrigen Unterhaltszuschuss.
Nach der Absetzung von Neikes versuchte dessen Nachfolger Ernst Dürrfeld (NSDAP) gegenüber jüdischen Künstlern ein scharf antisemitisches Profil zu entwickeln, unterstützt von SS-Hauptsturmführer Lurker. Das Römische Abkommen ließ bis März 1936 eine Entlassung von jüdischen Menschen aus dem öffentlichen Dienst an der Saar nicht zu, es sei denn, die Behörden wollten ein Verfahren vor dem Internationalen Gerichtshof riskieren. Davon riet das Gaurechtsamt der NSDAP aber ab. Nach dem Ende der Frist des Römischen Abkommens wurde der bereits erwähnte Darius Strauss entlassen, maßgeblich dafür die verwehrte Mitgliedschaft in der Reichskulturkammer. Über dieses Steuerungsinstrument wurde jüdischen Künstlern und im Kulturbereich tätigen jüdischen Frauen und Männern die Existenzgrundlage entzogen. Für sie galt absolutes Berufs- und Publikationsverbot.
Mischa Rakier, Willi Sprecher und Darius Strauss
Das traf die jüdischen Kulturschaffenden existenziell wie auch seelisch. Auch Willi Sprecher und Mischa Rakier wurden entlassen. Dürrfeld wollte ihnen sogar eine kleine Abfindung verwehren, unterstützt von Stadtkämmerer Dr. Schumacher, der vor allem gegen Strauss Stimmung machte und ihn als Beschützer von Emigranten denunzierte. Dieser kämpfte um eine Rente in Anlehnung an die Beamtengesetze, die im Falle einer Weltkriegsteilnahme Juden noch eine Pension gewährte. Darius Strauss war Dürrfeld besonders verhasst. Strauss wurde nachgesagt, über seine Schwiegermutter einem Emigranten aus Münster (Regierungsrat Ritzel) wohl ab 1933 Unterkunft gewährt zu haben. Strauss wohnte in der Feldmannstraße 104 im Haus seiner Schwiegermutter (Witwe des Studienprofessors Dr. Ulrich Hoefer), war Status-Quo-Anhänger und SPD-Mitglied, was 1935 Dürrfeld aber nicht bekannt war. Strauss emigrierte nach seiner Entlassung 1936 mit seiner Familie nach Frankreich. Nach Hitlers Überfall auf Frankreich wurde er dort interniert, konnte aber später in der Schweiz Zuflucht finden, 1947 kehrte er ins Saarland zurück und starb am 6. Dezember 1973 in Fechingen. Mischa Rakier, der in Malstatt am Wallenbaum 6 gewohnt hatte, floh nach Palästina, ungeklärt bleibt das Schicksal von Willi Sprecher.
Cora Eppstein
Cora Eppstein war am 21. August 1900 in Metz als Tochter von Emil Mayer Eppstein und seiner Frau Leonie Mayer geboren worden. Die Familie war 1910 von Metz nach Neunkirchen und dann nach Saarbrücken gezogen. In Saarbrücken wohnten die Eppsteins zuerst in der Gersweiler Straße 18 und seit Januar 1925 in der Neugeländestraße 13. Coras musikalisches Können wurde rasch deutlich, so gab sie im April 1926 mit dem Komponisten und Pianisten Julius Schloß ein Konzert im Jüdischen Jugendverein Saarbrücken. Sie erhielt auch ein Engagement bei der Saarbrücker Theatergesellschaft. Dann wechselte sie nach Frankfurt und schließlich nach Berlin.
Dort lernte sie den Kommunisten und Komponisten Eberhard Schmidt kennen. Beide gaben Liederabende und Konzerte im kommunistischen Milieu. Nach Hitlers „Machtergreifung“ floh das Paar ins Saargebiet und lebte im Haus der Mutter. Sie heirateten am 19. Juni 1933 in Saarbrücken. Hier gab Cora Konzerte als Opern- und Konzertsängerin, insbesondere auch bei Status-Quo-Anhängern. Sie sang auch gemeinsam mit Hans Loewy (Vater von Esther Bejarano), dem Oberkantor der Synagogengemeinde. Nach der Saarabstimmung 1935 emigrierte das Paar nach Paris und lebte auch zeitweise in Nancy, ein Onkel von Cora war dort als Rabbiner tätig. In Paris verließ Eberhard Schmidt seine Frau, um für die Internationalen Brigaden in Spanien gegen Franco zu kämpfen. Es spricht viel dafür, dass Cora die Trennung nicht verkraftete, sie starb 1939 an einer Infektionskrankheit. Schmidt machte nach 1945 als Komponist in der DDR Karriere.
Karl Hugo Oscar Trepte
Ein weiteres Beispiel ist Karl Hugo Oscar Trepte, der 1926 nach Saarbrücken kam und an der Staatlichen Kunst- und Kunstgewerbeschule lehrte. Diese Schule war auf Initiative der Regierungskommission gegründet und 1924 von Fritz Grewenig aufgebaut worden.
Trepte stammte aus Dresden, war zunächst Lithograph, besuchte dann die Kunstgewerbeschule, ab 1913 die Dresdner Kunstakademie und widmete sich seitdem der Malerei. Er war Mitglied einer Gruppe von kommunistisch orientierten Malern, der sogenannten „Roten Gruppe“. Sie steht stellvertretend für viele Künstler, Intellektuelle und Kreative der Weimarer Zeit, die voller Neugierde und Faszination, retrospektiv betrachtet auch mit großer Naivität, die russische Revolution verfolgten und die UdSSR als Experiment verklärten. So beteiligte sich Trepte als Mitglied der „Roten Gruppe“ an der ersten allgemeinen deutschen Kunstausstellung in Moskau 1924. Den Weg nach Saarbrücken fand er durch den mit ihm befreundeten Bildhauer Christoph Voll. Zu der Kunstmetropole Dresden gab es mehrere Bezüge. Grewenig, am 22. Februar 1891 in Heusweiler geboren, hatte seine künstlerische Ausbildung bei dem aus Dresden stammenden Saarbrücker Maler Richard Wenzel erhalten und hatte 1913 dann die Königlich Sächsische Akademie zu Dresden besucht.
Christoph Voll war seit 1925 an der Schule für Kunst und Handwerk in Saarbrücken tätig. Trepte wurde 1927 an der Saarbrücker Schule Professor für Malerei und Zeichnung. Er trat der SPD bei, wurde Abonnent der Saarpost, Mitglied der Arbeiterwohlfahrt und treuer Besucher der Reichsbannerversammlungen. Im Zuge der Polarisierung im Vorfeld der Saarabstimmung und des gesellschaftlichen Drucks trat er allerdings auch der Deutschen Front bei. Trepte blieb nach der Saarabstimmung zunächst im Saargebiet. Das Römische Abkommen ermöglichte ihm eine Pension, wenn er zehn volle Dienstjahre nachweisen konnte, dazu fehlten ihm drei Monate, deshalb blieb er. Er wurde am 2. Juli 1936 entlassen. Am 25. Februar 1937 wurde Trepte zwangsweise in den Ruhestand versetzt. Er selbst war evangelisch, seine Frau Alice Wolff, geboren am 8. September 1896 in Bremerhaven, war Jüdin. Es gelang ihm im Mai 1938 zu emigrieren, nach sechs Wochen auf einem Frachtdampfer erreichte er Chile. Bis zum 31. Januar 1943 wurde auch seine Pension transferiert. Trepte lebte bis zu seinem Tod unter ärmsten Verhältnissen in Chile, arbeitete mal als Lithograph, mal als Zeichenlehrer und war immer wieder arbeitslos.
Erinnert werden soll an drei weitere jüdische Künstler, die den Weg zur Kunst fanden, um ihre Erfahrung des Holocausts zu verarbeiten oder ihn zu überleben. Die Art und Weise, wie sie dies taten, kann gegensätzlicher kaum sein.
Leo Ermann
Da ist zunächst Leo Ermann zu nennen: Der in Holz 1899 geborene Bankkaufmann arbeitete bei der Gebrüder Röchling Bank in Saarbrücken. Ermann versuchte nach 1945 im Schreiben das Grauen des Holocausts zu verarbeiten, seine Familie war im KZ Auschwitz ermordet worden. 1948 erschien in Paris sein Werk „Wir finden kein Vergessen“, später „Der ungeschriebene Roman“. Ermann lebte in Israel und war dort zeitweise Vorsitzender des Verbandes deutschsprachiger Schriftsteller.
Emma Stern
Das Grauen hinter sich zu lassen und das Schöne der Welt regelrecht aufzusaugen, diesen Weg wählte Emma Stern, Überlebende des Holocausts. Einladung zur Ausstellung in der Altstadtgalerie, Saarbrücken, 1981. - Stadtarchiv Saarbrücken, Dep. SZ, Nr. 3325. Die Saarländische Volkszeitung schrieb über sie 1954: „Ja, Emma Stern ist eine Fee, die nur Freude spendet. Aus frischen Farben strahlt das Leben und die Heiterkeit“.
Emma Stern, geborene Daniel (1878-1969), hatte mit 18 Jahren den Kaufmannssohn Isaak Julius Stern geheiratet. Beide betrieben zwei Textilgeschäfte in Lebach. Ihr Mann wurde im Ersten Weltkrieg verwundet und starb 1920, sie musste das Geschäft allein weiterführen, die drei Söhne halfen mit. 1935 emigrierten die Sterns nach Metz und später nach Paris.
Im Jahr 1948 kam Emma Stern bei einem Urlaub in Südfrankreich zufällig zum Malen. Ihre Tochter erkannte ihr Talent und Emma Stern wurde zu einer beachteten Künstlerin, die der naiven Malerei in Frankreich und dann in ganz Europa zu Wertschätzung und Ansehen verhalf. Sie konnte ihre Werke in zahlreichen renommierten Galerien in Paris präsentieren so etwa in der Galerie Charpentier, im Musée d’art moderne und der Galerie Delpire. Ausstellungen in Belgien und der Schweiz folgten. Der Maler und Publizist Lothar-Günther Buchheim und auch der französische Maler Jean Dubuffet zählten zu ihren Bewunderern. In der Rue Joseph Bara im V. Arrondissement in Paris hinter dem Jardin du Luxembourg hatte Emma Stern ihr Atelier, 500 Bilder sollen dort entstanden sein. Auch in Saarbrücken wurden ihre Werke gezeigt, so 1966 und 1968 in der Galerie Elitzer und in St. Wendel, nach ihrem Tod auch in der Saarbrücker Stadtgalerie (1981). Der bekannte Journalist Georg Stefan Troller widmete ihr 1965 einen Bericht in seinem legendären „Pariser Journal.“ Auch in Neuss, Köln und Berlin wurden ihre Werke ausgestellt.
Esther Bejarano (Loewy) und ihr Vater Robert Loewy
Ein Beispiel, wie Kunst und Musik auf bizarre Weise halfen, der NS-Todesmaschinerie zu entkommen, ist die Geschichte der 1924 in Saarlouis geborenen und zeitweise in Saarbrücken lebenden Esther Bejarano, geborene Loewy. Esthers Vater war Rudolf Loewy, geboren am 3. März 1893 in Freienwalde und Oberkantor der Synagogengemeinde in Saarbrücken. Loewy arbeitete freundschaftlich mit dem damaligen Organisten und Chorleiter Leon Bloch zusammen.
Die Familie zog 1925/26 von Saarlouis nach Saarbrücken. Das Ehepaar Loewy hatte vier Kinder: Gerhard, geboren am 1. September 1916 in Berlin; Toska, geboren am 4. Juli 1918 in Berlin; Ruth, geboren am 17. Dezember 1920 in Hoppstädten und Esther, geboren am 15. Dezember 1924 in Saarlouis.
In Saarbrücken wohnte die Familie 1926 zunächst in der August-Klein-Straße 20, dann ab 1. Februar 1928 in der Danziger Straße 2, ab 4. Mai 1931 am Neumarkt 1 und ab 18. März 1935 in der Bismarckstraße 1. Am 30. März 1936 zog die Familie nach Ulm.
Esthers Vater leitete in Saarbrücken unter anderem auch einen Arbeiterchor bzw. Bergmannschor in St. Arnual, dem über 100 Sänger angehörten. Robert Loewy verfügte über eine herausragende musikalische Begabung und die Fähigkeit, auf Menschen zuzugehen und sie für eine Sache zu begeistern. Als Vorsitzender des jüdischen Kulturbundes förderte er auch die Jugendarbeit der Synagogengemeinde und baute einen Kinderchor mit 90 Jungen und Mädchen auf, der das Gemeindeleben bereicherte.
Nach der Reichspogromnacht wollte die nach Ulm umgezogene Familie Hitler-Deutschland verlassen und nach Palästina fliehen, geriet jedoch in die NS-Vernichtungsmaschinerie. Esther wurde 1943 ins KZ Auschwitz deportiert. Sie entkam der Vernichtung, als sie in das von Zofia Czajkowska geleitete Orchester aufgenommen wurde. Einige Zeit später wurde sie ins KZ Ravensbrück verlegt. Dort musste sie Zwangsarbeit für Siemens leisten. Im April 1945 schickte sie die SS auf einen Todesmarsch. Sie konnte entkommen, lebte nach dem Holocaust in Israel und kehrte später nach Deutschland zurück (Hamburg). Ihr ganzes Leben stellte sie mit herausragendem Engagement in den Dienst der Erinnerung an den Holocaust und den Kampf gegen den Antisemitismus. Sie verstarb am 10. Juli 2021 im Alter von 96 Jahren in Hamburg. Ihre Eltern wurden bei Riga zusammen mit mehr als tausend Breslauer Juden erschossen.