Französische Revolution und Napoleon

Autorin: Ruth Bauer

Die Französische Revolution bringt 1791 die Bürgerrechte für die Juden

Im Zuge der Französischen Revolution wurde die hiesige Region dem französischen Territorium zugeschlagen. 1789 hatte die Französische Nationalversammlung  den revolutionären Grundsatz Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit  in ihrer „Erklärung der Bürger- und Menschenrechte“  in Artikel 1 „Die Menschen sind und bleiben von Geburt frei und gleich an Rechten“ festgeschrieben. 1791 wurde dieser Grundsatz als Emanzipationsakt auf die jüdischen Mitbürger ausgeweitet: Juden genossen von nun an in Frankreich alle staatsbürgerlichen Rechte, sie waren gleichberechtigt.

Diese Anerkennung galt nun auch in der Saarregion und bot zunächst die Grundlage für eine jüdische Ansiedlung in den Saarstädten. Im Jahr 1808  lebten wieder 58 jüdische Mitbürger in Saarbrücken und St. Johann. Das Jahr 1808 brachte eine Wende im Auf und Ab der jüdischen Emanzipation.

Das „Décret infâme“ nimmt 1808 den Juden die Bürgerechte wieder

Ein von Napoleon im März 1808 erlassenes Dekret, beraubte die Juden erneut ihrer staatsbürgerlichen und politischen Rechte. Sie verloren die Freizügigkeit und das Recht auf freie Erwerbstätigkeit wieder. Das Kreditwesen wurde  so eingeschränkt, dass in der Folge Schulden an Juden kaum zurückgezahlt wurden. Jährlich mussten jüdische Kaufleute  neue Handelslizenzen beantragen, den Militärdienst hatten Juden nur persönlich abzuleisten. Dieses Napoleonische Dekret sollte als „Décret infâme“ oder „Schmachvolles Dekret“ in die Geschichte eingehen. Festgelegt war eine Gültigkeitsdauer von zehn Jahren. Danach hoffte man, die Juden zu vollwertigen Mitgliedern der christlichen Gesellschaft „erzogen“ zu haben. In Frankreich wurde das Dekret wie vorgesehen auch im Jahr 1818 aufgehoben.

In der Saarregion hingegen, die seit 1815 – der Niederlage Napoleons – zu Preußen gehörte, wurde das kaiserliche Dekret  durch den Oberpräsidenten in den Rheinischen Provinzen Karl von Ingersleben über das Jahr 1818 hinaus verlängert. Dies hatte zur Folge, dass alle Juden weiterhin in ihren Vermögensrechten, der Gewerbefreiheit und der Bewegungsfreiheit – und damit in allen Bürgerechten – eingeschränkt blieben.

Trotz diesen erneuten massiven Diskriminierungen wuchs die jüdische Bevölkerung in Saarbrücken zunächst auf 96 Personen im Jahr 1830 an, sank dann aber wieder auf 70 Personen im Jahr 1834 und schließlich im Jahr 1848 sogar auf nur noch 34 Personen.

Das Kaiserliche Dekret Napoleons, die Juden betreffend, vom 17. März 1808 über die Schuldenansprüche von Juden.

Abschrift und Vermerk der Verlängerung durch Königliche Kabinettsorder.

Teil 1

Teil 1 behandelt die Enteignung der jüdischen Bevölkerung. (Artikel 1-6) An Stelle des Dekrets über die provisorische Einstellung der Zahlungen an jüdische Gläubiger treten folgende drakonische Regeln in Kraft: Ungültig sind alle Forderungen jüdischer Gläubiger an Militärpersonen, Frauen und Unmündige, wenn die Schulden ohne die Einwilligung der Militärbehörden, Gatten und Eltern gemacht worden sind. Der einem jüdischen Gläubiger von einem Angehörigen einer nichthandeltreibenden Klasse ausgestellte Wechsel wird von den Gerichten nur dann anerkannt, wenn der Jude den Beweis erbringen kann, dass der Betrag des Wechsels dem Schuldner voll und ohne Abzüge ausbezahlt worden ist. Geldgeschäfte, deren Zinsen 10% überschreiten, gelten als Wucher und werden vom Gericht nicht anerkannt. Auf diese Weise waren durch einen einzigen Federstrich die Vermögensrechte tausender jüdischer Bürger verletzt worden.

Teil 2

Teil 2 behandelt die Abschaffung der Gewerbe- und Handelsfreiheit. (Artikel 7-15) Er enthält eine Reihe von Paragraphen, die es den Juden untersagen, irgendwelchen Handel ohne ein vom Präfekten des betreffenden Departements ausgestelltes „Patent“ zu betreiben. Zur Erlangung dieses Patents ist die Vorweisung eines vom Munizipalrate und dem Kreiskonsistorium ausgestellten Zeugnisses erforderlich, das für die moralische und kommerzielle Zuverlässigkeit der betreffenden Person bürgt und alljährlich erneuert werden muss. Geschäftliche Abmachungen unpatentierter Juden werden für ungültig erklärt.

Teil 3

Teil 3 behandelt die Abschaffung der Bewegungsfreiheit, eins der elementarsten Rechte eines jeden Bürgers, sowie den Militärdienst. (Artikel 16-17) Er verbietet den Juden, sich in den Departements des Oberen und Unteren Rheins (Elsass) niederzulassen. Was die anderen Departements des Kaiserreichs betrifft, so wird die Niederlassung nur solchen Juden gestattet, die daselbst Grundstücke behufs eigenhändiger Bebauung, aber keineswegs zu geschäftlichen Zwecken, ankaufen. In Bezug auf die Militärpflicht wird eine neue Rechtseinschränkung eingeführt: der Jude ist verpflichtet, persönlich im Heere zu dienen und hat nicht das jedem christlichen Rekruten zukommende Recht, sich durch einen Freiwilligen ersetzen zu lassen.

Der Erlass

Der Erlass schließt mit zwei „Verfügungen allgemeiner Natur“. (Artikel 18-19) Das Dekret bleibt zehn Jahre in Kraft, denn die Regierung hofft, dass die Juden nach dieser Frist sich infolge der ergriffenen Maßnahmen „von den anderen Bürgern nicht unterscheiden werden“; widrigenfalls werden die Repressalien fortgesetzt werden. Alle durch das Dekret festgesetzten Rechtseinschränkungen erstrecken sich nicht auf die Juden von Bordeaux und den Departements Gironde und Landes, die „keinen Anlass zu Beschwerden boten und keine unerlaubten Geschäfte betreiben“.

Dekret Napoleons zur Annahme fester Familiennamen

Eine bedeutende Veränderung brachte ein weiteres napoleonisches Dekret des Jahres 1808: das Dekret über die Annahme fester Familiennamen. Bisher war es in jüdischen Familien üblich, dem eigenen Rufnamen lediglich den Rufnamen des Vaters hinzuzufügen. In der Verordnung hieß es jetzt: „Diejenigen Juden unseres Reiches, die den hebräischen Gottesdienst befolgen und die bisher keine fixen Geschlechts- und Vornamen hatten, sollen verpflichtet sein, solche binnen drei Monaten nach Publikation unsers gegenwärtigen Decrets anzunehmen und sie vor dem Beamten des Zivilstands der Gemeinde, wo sie ansässig, zu erklären." So wurden die traditionellen jiddischen Vornamen abgelegt. Das Dekret zur Annahme fester Familiennamen wurde auch in Saarbrücken umgesetzt. In der im Stadtarchiv Saarbrücken erhaltenen Liste sind die jeweiligen Namensänderungen aller ortsansässigen Juden festgehalten.

Dekret zur Annahme fester Familiennamen aus dem Jahr 1808

Das Dekret zur Annahme fester Familiennamen aus dem Jahr 1808 wurde auch in Saarbrücken umgesetzt. In der im Stadtarchiv Saarbrücken erhaltenen Liste sind die jeweiligen Namensänderungen aller ortsansässigen Juden festgehalten. Régistre Contenant les Déclarations des Noms des Personnes De la Réligion Juive, 1808. Stadtarchiv Saarbrücken

Aus Juden werden Israeliten

Eine weitere Reform Napoleons bestand darin, dass in offiziellen Schriftstücken jetzt statt des bisher gebräuchlichen Wortes „juif“ das Wort „israélite“ verwendet werden sollte. Aus „Juden“ wurden so „Israeliten“.