Willkommen und doch unerwünscht
Jüdische Kauf- und Handelsleute in der Fürstenzeit
Fürst Wilhelm Heinrich von Nassau-Saarbrücken stellte kurz nach seinem Regierungsantritt im Jahr 1741 den wenigen hier ansässigen Juden individuelle Schutzbriefe aus. Bis ins Jahr 1756 hatten sich im Oberamt Saarbrücken 56 jüdische Personen niedergelassen. Jüdische Kauf- und Handelsleute waren dem Fürsten zunächst willkommen, um für Wirtschaftswachstum zu sorgen. Die Steuereinnahmen aus ihren Geschäften und zahlreiche Kredite, die er bei ihnen aufnahm, finanzierten einen Teil seines luxuriösen Lebenswandels.
Unter der Regentschaft seines Sohnes Fürst Ludwig wendete sich das Blatt. Dieser wies auf Druck einflussreicher Saarbrücker Kaufleute, die um ihre Pfründe fürchteten, sowie der beiden Städte Saarbrücken und St. Johann, die ihn mit insgesamt 75 Louisdor gut dafür bezahlten, im Jahr 1776 die Juden aus der Stadt aus. Innerhalb der Stadtmauern und im Umkreis von zwei Stunden durfte nach dem Dekret des Fürsten nun kein Jude mehr wohnen. Diese zogen daraufhin vorwiegend nach Ottweiler und Neunkirchen. Handel durften sie gegen die Entrichtung der üblichen Gebühr in Saarbrücken und St. Johann jedoch weiter treiben.
Individuelle Schutzbriefe ausgestellt von Fürst Wilhelm Heinrich
Wilhelm Heinrich stellte den wenigen hier ansässigen Juden ab 1741 individuelle Schutzbriefe aus. Diese regelten die Rechte und Pflichten der Juden gegenüber der Obrigkeit. Seit 1770 entwickelte die Verwaltung hierfür sogar ein sogenanntes Schutzbriefschema.
Juden hatten Wohlverhalten an den Tag zu legen, sie durften ein Haus mit Garten und zwei Morgen Feldland besitzen, sie waren vom Leibzoll befreit, ebenso von der Zahlung der herrschaftlichen und bürgerlichen Fronden. Gegen die Entrichtung einer Gebühr stand ihnen für ihr Handels- und Milchvieh der Mitnutzung von Wasser und Weide zu und der Handel mit Vieh und Waren wurde ihnen gestattet. Die Bestimmungen regelten den Fleischverkauf, Fragen der Regelung ihres Nachlasses und die Behandlung jüdischer Witwen.
Diese „Privilegien“ mussten durch die Zahlung des sogenannten „Judenschutzgeldes“ in Höhe von 15 Gulden pro Person erworben werden.
Auf Gedeih und Verderb - Das Risiko eines fürstlichen Hofagenten Salomon Alexander
Fürst Wilhelm Heinrich benötigte für seine repräsentative Hofhaltung, für die Besoldung seines umfangreichen Beamtenapparates und für seine ambitionierten Bauvorhaben enorme finanzielle Mittel. So galt sein Bestreben der „größtmöglichen Förderung der produktiven Kräfte“ in seinem Land, um möglichst hohe Einnahmen zu erzielen. Da diese Einkünfte jedoch bei weitem nicht ausreichten, um seinen gewaltigen Finanzbedarf zu decken, war er auf potentielle Geldgeber angewiesen.
So tauchen in dem fürstlichen Schuldenbuch aus dem Jahr 1771 neben den Namen der Saarbrücker Kaufleute Schmidtborn und Korn auch die Namen jüdischer Kreditgeber auf: Cerf Beer aus Straßburg, Hayem Worms aus Saarlouis und Baer Löw Isaac aus Frankfurt. Bei letzterem war der Saarbrücker Fürstenhof am höchsten verschuldet.
Dass die Gläubiger ihr Geld auch zurück erhielten, darauf konnten sie nicht immer hoffen. So hielt sich Wilhelm Heinrich häufiger nicht an Vereinbarungen und Verpflichtungen geschlossener Verträge. Besonders schmerzlich zu spüren bekam dies der fürstliche Hofagent Salomon Alexander.
Eine der Einnahmequellen des Fürsten bestand beispielsweise in der Verpachtung von Industriebetrieben, die er zuvor verstaatlicht hatte. Im Jahr 1749 hatte Wilhelm Heinrich dem Juden Salomon Alexander aus dem elsässischen Bouxviller und dessen Bruder Samuel zunächst das Fischbacher Eisenwerk sowie den Scheidter Hammer verpachtet und 1758 zudem das erst zwei Jahre zuvor gegründete Halberger Werk. Die jährliche Pacht für die Betriebe betrug 2250 Gulden. Die Brüder Alexander betrieben zudem den Eschberger Hof und das Hofgut in Dudweiler. Auch im Holzhandel betätigten sie sich und ebenso im Kreditwesen.
Beide zählten zu den wohlhabenden und angesehenen Geschäftsleuten der Region. Und der Fürst wusste dies für seine Zwecke zu nutzen. So lieh er sich bei Salomon Alexander unter anderem Geld für den prächtigen und standesgemäßen Empfang von Prinzessin Wilhelmine von Schwarzburg-Rudolstadt, der zukünftigen Gemahlin seines Sohnes, des Erbprinzen Ludwig. Auch das Geld für das Geschmeide, das der Prinz seiner Braut offerierte, musste Alexander vorstrecken. Um diese hohe Geldsumme aufbringen zu können, musste Alexander seine geschäftlichen Beziehungen nach Metz nutzen.
Bedurfte der Fürst weiterer durchaus noch höherer Geldbeträge, nötigte er Alexander, ihm über einen gewissen Zeitraum bestimmte Mengen an Holz zu einer festgelegten Summe abzukaufen. Dabei forderte Wilhelm Heinrich den gesamten Geldbetrag sofort, während das Holz in Etappen geliefert werden sollte. Um diesem Anspruch des Fürsten zu genügen, musste Alexander selbst hohe Geldsummen aufnehmen. Als Wilhelm Heinrich dann jedoch die Verträge im Jahr 1776 einseitig kündigte, platzten die Wechsel und Alexander konnte seinen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen. Ihm blieb nur die Flucht. Alexander hatte zunächst keinerlei rechtliche Handhabe, gegen das Gebaren des Fürsten vorzugehen und musste über ein Jahr ins Gefängnis.
Glück im Unglück war für ihn der plötzliche Tod Wilhelm Heinrichs im Jahr 1768. Der Fürst hatte so hohe Schulden hinterlassen, dass eine kaiserliche Schuldentilgungskommission eingesetzt wurde, die die wirtschaftlichen Verhältnisse des Landes wieder ordnete. Bei dieser machte Alexander nun seine Forderungen geltend. Die Auseinandersetzung endete schließlich mit einem Vergleich.
Exkurs: Keine gelebte Realität – Der Toleranzgedanke der Aufklärung
Die jüdische Bevölkerung verdankte ihre „Daseinsberechtigung“ allein den wirtschaftlichen Notwendigkeiten der Obrigkeit: zur Geldbeschaffung und zur Aufrechterhaltung des Handels, vor allem mit Vieh. „Judenfreundliche Maßnahmen“ entsprangen allenthalben rein monetären Zwängen und keiner vorurteilsfreien Überzeugung. Juden blieben Fremde, ungeliebte Außenseiter. Eine Verbesserung der christlich jüdischen Beziehungen fand nicht statt. Juden blieben von der Gunst des Fürsten abhängig, waren ihr ausgesetzt.
Die Abneigung der Bevölkerung war immer besonders groß, wenn diese sich in ihren Interessen von jüdischen Konkurrenten bedroht sah. Selbst Fürst Wilhelm Heinrich, der traditionell zu den aufgeklärten Herrschern gezählt wird, macht da keine Ausnahme. So erpresste er beispielsweise – mit Erfolg - im Zuge der Gestaltung des Ludwigsplatzes die gut betuchten Saarbrücker Bürger mit der Drohung, er werde die umliegenden Grundstücke und die Palais den Juden anbieten, wenn sich keiner von ihnen bereit erklärte, selbige zu erwerben.