Die alte Synagoge (1890)

Autorin: Ruth Bauer

Ansicht der alten Saarbrücker Synagoge in der Kaiserstraße/Ecke Futterstraße. - Stadtarchiv Saarbrücken, Allgemeine Fotosammlung AF-AM, Nr. 9.

Ansicht der alten Saarbrücker Synagoge in der Kaiserstraße/Ecke Futterstraße. - Stadtarchiv Saarbrücken, Allgemeine Fotosammlung AF-AM, Nr. 9.

Ansicht der alten Saarbrücker Synagoge in der Kaiserstraße/Ecke Futterstraße. - Stadtarchiv Saarbrücken, Allgemeine Fotosammlung AF-AM, Nr. 9.

Die aufblühende jüdische Gemeinde der beiden zu diesem Zeitpunkt noch selbstständigen Städte Saarbrücken und St. Johann erhielt im Jahr 1890 ein höchst repräsentatives und aus der Architektur der Stadt herausragendes Gotteshaus, das den Stolz und das Ansehen der jüdischen Bevölkerung  widerspiegelte. Von den insgesamt 23 saarländischen Synagogen galt das Saarbrücker Gotteshaus als das größte und prächtigste.

Bisher nutzte die israelitische Gemeinde Saarbrückens verschiedene Betsäle in Privathäusern. Die Überlegungen und Verhandlungen über einen Bauplatz für eine Synagoge reichen bis ins Jahr 1875 zurück. Zunächst wollte die Gemeinde unter ihrem Vorsitzenden, dem Bankier Moritz Simon, diese in Saarbrücken errichten, fand dort aber keinen geeigneten Bauplatz. Seit 1831 nutzte sie in dessen Haus in der damaligen Hintergasse einen zu diesem Zweck  eingerichteten Betsaal, ab 1860 dann einen Betsaal in der Talstraße. Von den 1870er Jahren bis 1882 diente ein Raum im Haus des  Lehrers Peter Lemmes in der Alleestraße 3 und seit 1882 der „Riehmsche Saal“ der Wirte und Weinhändler Wilhelm und  Jakob Riehm in der einstigen Bahnhofstraße 22 der Gemeinde als Gebetssaal. In den letzten beiden Jahren vor Eröffnung der Synagoge traf die Gemeinde sich in Räumlichkeiten des Städtischen Schulhauses in der Nauwieserstraße 5 zur Abhaltung ihrer Gottesdienste.

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Lageplan der Synagoge in der Kaiserstraße/Ecke Futterstraße. - Stadtarchiv Saarbrücken, Hausakte Kaiserstraße 12.

Lageplan der Synagoge in der Kaiserstraße/Ecke Futterstraße. - Stadtarchiv Saarbrücken, Hausakte Kaiserstraße 12.

Lageplan der Synagoge in der Kaiserstraße/Ecke Futterstraße. - Stadtarchiv Saarbrücken, Hausakte Kaiserstraße 12.

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Die Ansichtskarte zeigt die Einbindung der Synagoge in die Bebauung Kaiserstraße mit Blick auf die 1898 fertiggestellte Johanneskirche. - Stadtarchiv Saarbrücken, Sammlung Ansichtskarten.

Die Ansichtskarte zeigt die Einbindung der Synagoge in die Bebauung Kaiserstraße mit Blick auf die 1898 fertiggestellte Johanneskirche. - Stadtarchiv Saarbrücken, Sammlung Ansichtskarten.

Die Ansichtskarte zeigt die Einbindung der Synagoge in die Bebauung Kaiserstraße mit Blick auf die 1898 fertiggestellte Johanneskirche. - Stadtarchiv Saarbrücken, Sammlung Ansichtskarten.

Synagoge als Auftakt der nie vollständig umgesetzten Stadterweiterung

Das für den Neubau von der Gemeinde schließlich erworbene Grundstück lag dann jedoch in St. Johann, in der Kaiserstraße/Ecke Futterstraße und war Teil einer projektierten, jedoch nie vollständig umgesetzten Stadterweiterung.  Diese hatte zum Ziel, ein neues zentrales Stadtzentrum abseits des alten Zentrums, des heutigen St. Johanner Marktes, für die aufstrebende Industrie- und Handelsstadt in der Verlängerung der vom Bahnhof (eröffnet 1852) ausgehenden Bahnhof- und Kaiserstraße Richtung Dudweilerstraße entstehen zu lassen. Die Synagoge war der erste fertiggestellte repräsentative Neubau dieses Vorhabens. Es folgten die  Johanneskirche (1898) und das Rathaus St. Johann (1900) sowie das Post- und Telegrafenamt in der Dudweilerstraße (1900).

Synagogenbau – Ein gesellschaftliches Ereignis

Deckblatt der gedruckten Festpredigt zur Einweihungsfeier der Synagoge. - Stadtarchiv Saarbrücken, Bürgermeisterei St. Johann, Nr. 625

Deckblatt der gedruckten Festpredigt zur Einweihungsfeier der Synagoge. - Stadtarchiv Saarbrücken, Bürgermeisterei St. Johann, Nr. 625

Deckblatt der gedruckten Festpredigt zur Einweihungsfeier der Synagoge. - Stadtarchiv Saarbrücken, Bürgermeisterei St. Johann, Nr. 625

Zum Zeitpunkt der Grundsteinlegung, am 5. Juli 1888, zählte der Synagogenbezirk zu dem neben Saarbrücken und St. Johann jetzt auch Teile von Malstatt, Burbach, Brebach, sowie Dudweiler und Püttlingen gehörten, 378 Mitglieder. Die meisten wohnten zwischenzeitlich  in St. Johann.
Bereits die Grundsteinlegung war für die Gemeinde ein lange ersehntes Ereignis und zeigt zugleich deren enge Verwurzelung in der städtischen Gesellschaft. Neben den Vertretern der jüdischen Gemeinde und den Mitgliedern der Baukommission waren Regierungspräsident Berthold von Nasse aus Trier, Landrat Dr. Maximilian von Voss, die Bürgermeister von St. Johann und Saarbrücken, Dr. Paul Neff  und Friedrich Wilhelm Feldmann anwesend.  
Rund zweieinhalb Jahre später, am 21. November 1890, fand in großem Rahmen die feierliche Einweihung der Synagoge statt. Auch sie gestaltete sich als bedeutendes gesellschaftliches Ereignis. An ihr nahmen neben den zahlreichen Vertretern der jüdischen Gemeinde und geladenen Gästen, die Bürgermeister und Stadtverordneten sowie der neue Landrat Eduard zur Nedden teil. Aufgrund des großen Interesses wurden die Plätze in der Synagoge nummeriert  und nur mit einer Einladung konnte man dem Eröffnungsgottesdienst beiwohnen. Die umliegenden Straßen waren festlich geschmückt und gesäumt von einer riesigen Zahl Schaulustiger. Und auch die Saarbrücker Zeitung berichtete am nachfolgenden Tag von einem „unvergesslichen Festtag“: „Die Gemeinde darf sich zu dem so lange entbehrten, nunmehr prächtig erstandenem Gotteshause aufrichtig Glück wünschen, und mit ihren israelitischen Mitbürgern freut sich die gesamte Bürgerschaft unserer beiden Städte.“

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Die Saarbrücker Zeitung berichtet ausführlich über die Einweihungsfeierlichkeiten der neuen Synagoge in Saarbrücken am 21. November 1890. - Saarbrücker Zeitung vom 22. November 1890.

Die Saarbrücker Zeitung berichtet ausführlich über die Einweihungsfeierlichkeiten der neuen Synagoge in Saarbrücken am 21. November 1890. - Saarbrücker Zeitung vom 22. November 1890.

Die Saarbrücker Zeitung berichtet ausführlich über die Einweihungsfeierlichkeiten der neuen Synagoge in Saarbrücken am 21. November 1890. - Saarbrücker Zeitung vom 22. November 1890.

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Die Saarbrücker Zeitung berichtet ausführlich über die Einweihungsfeierlichkeiten der neuen Synagoge in Saarbrücken am 21. November 1890. - Saarbrücker Zeitung vom 22. November 1890.

Die Saarbrücker Zeitung berichtet ausführlich über die Einweihungsfeierlichkeiten der neuen Synagoge in Saarbrücken am 21. November 1890. - Saarbrücker Zeitung vom 22. November 1890.

Die Saarbrücker Zeitung berichtet ausführlich über die Einweihungsfeierlichkeiten der neuen Synagoge in Saarbrücken am 21. November 1890. - Saarbrücker Zeitung vom 22. November 1890.

Die Synagoge und ihre Baugeschichte

Die Entwürfe für den Synagogenneubau  stammen von dem St. Johanner Architekten und Bauunternehmer Friedrich Mertz, dem man auch die Bauleitung übertrug. Am Innenausbau beteiligt war zudem der Architekt Heinrich Güth. Die einzelnen Gewerke führten ortsansässige Handwerker aus.  Seit 1888 war Mertz Mitglied des St. Johanner Stadtrates und in die städtebaulichen Konzeptionen involviert. Er legte sogar eigene Entwürfe vor.  

Mertz konzipierte die Synagoge in byzantinisch-maurischen Formen, als zweigeschossigen zentralisierten Kuppelbau über einem kreuzförmigen Grundriss. Seit dem 19. Jahrhundert beherrschte dieser orientalisierende Historismus den Synagogenbau in ganz Europa.

Die Eingangsfront mit einer Breite von 15,70 Metern orientierte sich zur Futterstraße, die Längsachse mit einer Front von 23,30 Metern zur Kaiserstraße. Die markante achtseitige Kuppel erreichte eine Höhe von 31 Metern. Materialwahl und Farbgestaltung waren für die hiesige Region recht ungewöhnlich und dem gewählten Architekturstil geschuldet. Ockerfarbene Klinkersteine, unterbrochen von schmalen roten Bändern bestimmten die horizontale Gliederung der äußeren Wandgestaltung. Portal und Fenster griffen die typisch maurische Hufeisenbogenform auf. Über dem Ädikulaportal der Hauptfassade öffnete sich ein großes Radfenster, eine Assoziation an christliche Bauwerke des Mittelalters. Die Gesetzestafeln an der Giebelseite weisen den Bau indes eindeutig als Synagoge aus.

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Blick in das Innere der Synagoge. - Stadtarchiv Saarbrücken, Hausakte Kaiserstraße 12.

Blick in das Innere der Synagoge. - Stadtarchiv Saarbrücken, Hausakte Kaiserstraße 12.

Blick in das Innere der Synagoge. - Stadtarchiv Saarbrücken, Hausakte Kaiserstraße 12.

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Blick in den Kultraum der Synagoge mit Toraschrein und Vorbeter- und Vorlesepult. - Stadtarchiv Saarbrücken, Allgemeine Fotosammlung, Nr. 6879.

Blick in den Kultraum der Synagoge mit Toraschrein und Vorbeter- und Vorlesepult. - Stadtarchiv Saarbrücken, Allgemeine Fotosammlung, Nr. 6879.

Blick in den Kultraum der Synagoge mit Toraschrein und Vorbeter- und Vorlesepult. - Stadtarchiv Saarbrücken, Allgemeine Fotosammlung, Nr. 6879.

Über eine Freitreppe gelangte man durch eine Vorhalle, abgetrennt durch ein reich verziertes schmiedeeisernes Gittertor, in das Innere der Synagoge. Rechts und links befanden sich die beiden Aufgänge zu den Emporen, der Frauen- und der Sängerempore. Der Innenraum wurde von der durch schmiedeeiserne Stützen getragenen Kuppel beherrscht. Der trotz zentraler Vierung längsorientierte Innenraum lief auf den, an der flachen östlichen Chorwand erhöht platzierten Toraschrein zu. Dieser war in zarten Farbtönen gehalten und mit Vergoldungen verziert. Ein kostbarer Vorhang verhüllte den Schrein. Der Chorraum schloss nach oben in einer halben Flachkuppel auf  tambourartigem Unterbau auf Trompen ab. Die Wände waren mit orientalisierenden historistischen Dekormalereien versehen, die Fenster aus buntem Glas. Die hölzernen Bänke im unteren Raum boten 166 männlichen Gläubigen Platz, die Emporen boten Platz für 114 Frauen.

Selbstverständnis der Gemeinde im Spannungsfeld zwischen assimiliert orientierten Reformjuden und osteuropäischen Juden

Berittene Polizei in der Kaiserstraße vor der Synagoge. - Stadtarchiv Saarbrücken, Allgemeine Fotosammlung, Nr. 6888.

Berittene Polizei in der Kaiserstraße vor der Synagoge. - Stadtarchiv Saarbrücken, Allgemeine Fotosammlung, Nr. 6888.

Berittene Polizei in der Kaiserstraße vor der Synagoge. - Stadtarchiv Saarbrücken, Allgemeine Fotosammlung, Nr. 6888.

Die neue Synagoge der israelitischen Gemeinde Saarbrückens verband mit ihren maurisch-byzantinischen und christlich-mittelalterlichen Motiven jüdische Eigenart und christliche Assimilationsideen. Genau dies entsprach der religiösen Ausrichtung der israelitischen Reformgemeinde, die seit Jahren in die städtische Gesellschaft integriert  war.

Die zahlreichen osteuropäischen Juden hingegen, die seit den 1890er Jahren zuzogen, bildeten aufgrund ihrer traditionellen religiös-orthodoxen Grundeinstellung einen eigenen Verein und eine eigene Betgemeinschaft. Ihr Betsaal befand sich in der St. Johanner Straße und ein Verbandslokal in der Bahnhofstraße. Ihr Betlokal „Ahawas Scholaum“ wurde erst 1936 in das jüdische Gemeindehaus in der Futterstraße verlegt. Die Ostjuden besuchten keine Gottesdienste in der Synagoge, da dort am Sabbat Musik erklang und Frauen im gemischten Chor mitsangen, was nach ihren traditionellen Vorstellungen untersagt war. 1932 sollten sie in der Breitestraße 29 auch ein Mikwae, ein rituelles Tauchbad, eröffnen.

Wie andernorts, existierte auch in Saarbrücken eine soziokulturelle Trennung zwischen den westlich orientierten „alt eingesessenen und integrierten jüdischen Mitbürgern“ und den zugezogenen Juden aus Ost- und Mitteleuropa.

Bericht in der Saarbrücker Zeitung über die Ereignisse in der Nacht des 9. November 1938 und den Brand der Synagoge. - Saarbrücker Zeitung vom 11.November 1938.

Bericht in der Saarbrücker Zeitung über die Ereignisse in der Nacht des 9. November 1938 und den Brand der Synagoge. - Saarbrücker Zeitung vom 11.November 1938.

Bericht in der Saarbrücker Zeitung über die Ereignisse in der Nacht des 9. November 1938 und den Brand der Synagoge. - Saarbrücker Zeitung vom 11.November 1938.

Durch die ständige Vergrößerung des Synagogenbezirkes und durch den Zuzug aus dem ländlichen Umland aufgrund des wirtschaftlichen Aufschwunges in St. Johann  reichte der Platz in der Synagoge vor allem an hohen Festtagen bald nicht mehr aus und die Gemeinde mietete zur Abhaltung großer religiöser Feste den Saalbau am Neumarkt in Saarbrücken an.

1905 umfasste der Synagogenbezirk bereits den gesamten Kreis Saarbrücken und die Gemeinde wuchs im Jahr 1910 auf 1103 Personen an. Am 1. Februar 1928 hatte die Saarbrücker Gemeinde aufgrund weiterer „Eingemeindungen“ über die Stadt Saarbrücken weit hinaus ihre Anzahl auf 2409 Mitglieder mehr als verdoppelt und stellte damit rund die Hälfte der jüdischen Bevölkerung an der Saar. Bei der Volkszählung 1927 waren im gesamten Saarland 5213 Juden registriert. Weitere umliegende Gemeinden wurden der Saarbrücker Gemeinde angegliedert und sie wuchs auf 2650 Seelen im Jahr 1933.

Zerstörung der Synagoge

Wie fast alle der 2700 Synagogen auf deutschem Boden wurde auch die Saarbrücker Synagoge in der Reichspogromnacht am 9. November 1938 entweiht, geplündert und in Brand gesteckt. Die Täter hatten keine strafrechtlichen Konsequenzen zu befürchten. Am 24. November verfügte Oberbürgermeister Fritz Schwitzgebel, die Synagoge abzureißen: „Ein Widerstand der Synagogengemeinde gegen den Abbruch sei nicht zu erwarten und wäre auch nicht begründet“, heißt es in dem Schreiben. Die Kosten für den Abriss in veranschlagter Höhe von 10.000 RM hatte die Synagogengemeinde zu tragen.  Diese bot der Stadt das Grundstück zum Kauf an, was selbige jedoch ablehnte.

Am 13. Dezember 1938 ordnete Stadtbaurat Walter Kruspe ihren endgültigen Abriss an, Ende Januar 1939 war die Synagoge verschwunden, das Gelände eingeebnet.

Rund zehn Jahre später, im Jahr 1946, wurde den Beteiligten der „Reichskristallnacht“ der Prozess gemacht. Die Saarbrücker Staatsanwaltschaft leitete Ermittlungen gegen 89 Personen wegen „Verbrechens gegen die Menschlichkeit“ ein. Gegen 22 Personen wurde schließlich Anklage erhoben.  Am 13. August 1949 fielen die Urteile, meist Bewährungsstrafen. Haftstrafen verbüßten letztlich nur vier der Angeklagten, die aufgrund von bewilligten Gnadengesuchen, sechs Monate oder weniger betrugen.