Die jüdische Vorkriegsgemeinde

Autor: Marcel Wainstock

Der Weg zu einer eigenen Synagoge

Aufgrund der bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts hinein sehr geringen Zahl jüdischer Mitbürger und Mitbürgerinnen existierte in Saarbrücken noch keine Synagoge. Um 1837 lebten in der Stadt grade einmal zehn jüdische Familien.

Gemeinsame Gottesdienste wurden daher zunächst in Privathäusern abgehalten, später in einem Betsaal. Ein männliches Mitglied der Gemeinschaft fungierte während der Gebete als „Abgesandter der Gemeinde“ (hebr. Schaliach Zibur) beziehungsweise als Vorbeter. Er sprach die Gebete laut oder sang sie. Die Funktion eines Vorbeters kann grundsätzlich jedes (in orthodoxen Gemeinden männliche) Gemeindemitglied übernehmen, das fließend Hebräisch lesen kann. Einen hauptamtlich tätigen Kantor, eine speziell dafür ausgebildete und angestellte Person, gab es vorerst auch nicht. Man begnügte sich mit ehrenamtlichen Vorbetern.

Einen Rabbiner beschäftigte die Saarbrücker Gemeinde ebenfalls nicht. Dies stellte für die kleine Gemeinschaft für die Ausübung ihres Bekenntnisses grundsätzlich auch kein großes Hindernis dar, denn ein Rabbiner hat beim gemeinsamen Gebet keine besondere Aufgabe zu erfüllen. Der Rabbiner ist vielmehr ein in der Religion geschulter Gelehrter, der bei Bedarf religionsrechtliche Entscheidungen trifft (beispielsweise religiöse Scheidungen vornehmen kann). Für seine Gemeinde stellt er die autonome Autorität bei der Beantwortung praktischer religiöser Fragen und der Auslegung religiöser Vorschriften dar. In jenen Gemeinden, in denen ein Rabbiner angestellt ist, ist dieser unter anderem für die Predigt zuständig, die aber wiederum kein Bestandteil des Gebets ist und für einen Gottesdienst somit auch nicht erforderlich.

Mit dem starken Anwachsen der jüdischen Gemeinde im Zuge der Industrialisierung Mitte des 19. Jahrhunderts stieg auch die Zahl der Gemeindemitglieder an. Im Jahr 1885 zählte sie bereits 376 Mitglieder. So wurde der Wunsch nach einem repräsentativen Synagogengebäude immer stärker. Anfang der 1880er Jahre begannen die Planungen für den Bau der Synagoge in der Futterstraße, 1890 konnte sie eingeweiht werden. Ihr Hauptraum bot nun Platz für rund 170 Männer im unteren Saal und für 110 Frauen auf der Empore.

Weiteres Anwachsen der Gemeinde durch Eingliederungen und Zuzug

Bis 1910 stieg die Mitgliederzahl der jüdischen Gemeinde auf 1103 Personen an. 1913 wurden der Saarbrücker Synagogengemeinde dann die Orte Brebach, Dudweiler, Friedrichsthal, Gersweiler, Heusweiler, Kleinblittersdorf, Ludweiler, Püttlingen, Quierschied, Riegelsberg, Sulzbach und Völklingen angeschlossen. Am 1. Februar 1928 gehörten der Gemeinde somit nun 2409 Seelen an, dies entsprach fast der Hälfte der gesamten jüdischen Bevölkerung an der Saar. Bei der Volkszählung im Jahr 1927 waren im gesamten Saarland  5213 Juden registriert. Ab 1932 wurden der Saarbrücker Gemeinde zudem die Orte Altenkessel, Fürstenhausen, Großrosseln, Güchenbach, Schafbrücke, Scheidt und Wehrden angegliedert und so zählte sie im Jahr 1933 gut 2650 Seelen.

Seit Ende des 19. Jahrhunderts verzeichnete Saarbrücken zudem einen ständigen Zuzug von osteuropäischen Juden, vornehmlich aus Polen. Diese Menschen flüchteten vor den Pogromen in ihrer Heimat und vor der dort herrschenden großen Armut. Seit 1933 erfolgte ferner eine starke Zuwanderung von jüdischen Menschen, die das nationalsozialistisch regierte Deutsche Reich verlassen wollten, und die bezüglich einer weiteren Auswanderung teilweise noch unschlüssig waren.

Die Zusammensetzung der jüdischen Gemeinde

Von 1899 bis 1938 war die Saarbrücker Synagogengemeinde nach preußischem Recht eine öffentlich-rechtliche Körperschaft.

In den Jahren bis 1934 erlebte das Saarbrücker jüdische Gemeindeleben eine außerordentliche Blütezeit. Für die Gottesdienste zu den hohen Herbstfeiertagen musste in den 1920er Jahren zusätzlich der Saalbau am Neumarkt angemietet werden, da der Platz in der Synagoge nicht mehr ausreichte. Hier begleitete dann auch der Kinderchor der Gemeinde den Gottesdienst. Der Saalbau, als Konzertsaal konzipiert, bot zudem eine Empore, so dass die bei jüdischen Gottesdiensten übliche, nach Geschlechtern getrennte Sitzordnung für Männer und Frauen, eingehalten werden konnte.

Die jüdische Gemeinde war zunächst von der Zusammenstellung ihrer Mitglieder her „sehr bunt zusammengewürfelt“, wie der Saarbrücker Rabbiner Friedrich Schlomo Rülf in seinen Memoiren (Ströme im dürren Land. Von Saarbrücken nach Nahariya. Erinnerungen, 2013, S. 65) schreibt. Wie bereits erwähnt, waren jüdische Menschen in den letzten Jahren des 19. Jahrhunderts und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts aus allen Teilen des Deutschen Kaiserreichs und teilweise aus dem Elsass und Lothringen und nicht nur aus anderen saarländischen Städten und Gemeinden nach Saarbrücken gezogen, um sich hier eine wirtschaftlich vielversprechende Existenz aufzubauen, ebenso aus Osteuropa.

Die Gemeindemitglieder waren, mit Ausnahme der ostjüdischen Gruppe, größtenteils deutsche aschkenasische Juden und gehörten mehrheitlich dem Bürgertum an.

Die religiöse Ausrichtung der Gemeinde

Die vorherrschende religiöse Ausrichtung der Saarbrücker Synagoge entsprach der des sogenannten liberalen oder Reformjudentums, allerdings in einer gemäßigten Ausprägung.

Diese neue, erst Ende des 19. Jahrhunderts entstandene Strömung des Judentums unterschied sich von der von nun an orthodox genannten bisherigen Tradition.

Die  teilweise gekürzten Gottesdienste wurden jetzt von liturgischer Musik, gespielt auf dem Harmonium oder der Orgel, begleitet. Eine Reihe von bisher gesprochenen Gebeten wurde aus dem traditionellen Gebetbuch gestrichen und die Predigt des Rabbiners erfolgte nun in deutscher Sprache, während die Sprache des Gottesdienstes und der Lesung aus der Tora weiterhin Hebräisch blieb. Vielerorts, so auch in Saarbrücken, begleitete neben Orgel oder Harmonium ein vierstimmiger gemischter Synagogen-Chor, der aus 20 bis 25 Männern und Frauen bestand, den Gottesdienst.

Die traditionelle Geschlechtertrennung von Frauen und Männern bei der Sitzordnung wurde in der Saarbrücker Synagoge allerdings beibehalten, die Frauen saßen weiterhin auf der Empore.

Chorleiter und Organist am Harmonium der Saarbrücker Synagoge war zunächst ehrenamtlich der Versicherungsmakler Irvin Eppstein. Ihm folgte von 1923 bis 1935 hauptamtlich Léon Bloch, der Vater von Alice Bloch, der Goldschmiedin, die 1950 den Kultschmuck für die neue Nachkriegs-Synagoge entwerfen und anfertigen sollte.

Als Kantoren fungierten:

Oberkantor und Religionslehrer Julius Lissner (1863 - 1925).

Kantor Isaak Wolfermann von circa 1900 bis Oktober 1931.

Oberkantor Rudolf Loewy von 1925 bis 1934. Er war der Vater der Sängerin und Aktivistin Esther Bejarano.

Siegmund Friedemann folgte als Zweiter Kantor. Er war zudem Religionslehrer und Leiter des Gemeindesekretariats in den Jahren 1930 bis 1935.

Friedrich Rülf wird im Jahr 1929 Rabbiner der Saarbrücker Synagogengemeinde. - Foto: Privat

Friedrich Rülf wird im Jahr 1929 Rabbiner der Saarbrücker Synagogengemeinde. - Foto: Privat

Friedrich Rülf wird im Jahr 1929 Rabbiner der Saarbrücker Synagogengemeinde. - Foto: Privat

Ein Rabbinat gab es in Saarbrücken seit 1921.

Als Rabbiner der Saarbrücker Gemeinde amtierten:

Dr. Siegfried ALEXANDER (1896 - 1944) von 1921 bis 1924  

Dr. Ernst I. JACOB (1899 - 1974) von 1924 bis 1928

Dr. Friedrich RÜLF (1896  - 1976) von 1929 bis 1934

Dr. Lothar Simon ROTHSCHILD (1909 - 1974) von 1935 bis 1938

Auch beschäftigte die Gemeinde einen Schammes, einen Synagogendiener, der die Zusammenkünfte vor- und nachbereitete.

In ihren Diensten stand ebenso ein Schochet, ein ritueller Schächter für koscheres Fleisch und Geflügel. Trotz der liberalen Ausrichtung der meisten Mitglieder existierten in Saarbrücken zeitweise gleichzeitig sechs bis sieben koschere Metzgereien.

Des Weiteren unterhielt die Gemeinde eine Chewra Kadischa, eine Beerdigungsbruderschaft, die sich Chaj Anoschim nannte und sich um die rituelle Ausrichtung von Totenwaschungen, Einsargungen und Beerdigungen kümmerte.

Seit 1924 konnten jüdische Kinder einen eigenen jüdischen Kindergarten besuchen, der sich bis 1929 in der Königin-Luisen-Straße 30 (heute Ursulinenstraße) befand und dann in die Nassauerstraße 6 umzog. Seit Herbst 1930 diente er am Nachmittag auch als Kinderhort für schulpflichtige Kinder berufstätiger Eltern.

Im Gemeindehaus war die Gemeindebibliothek untergebracht, die ab Januar 1930 einen Leihbetrieb anbot. Neuanschaffungen wurden regelmäßig im Nachrichtenblatt der Gemeinde bekanntgegeben.

Das Nachrichtenblatt der Synagogengemeinde erschien seit 1928 und wurde allen Mitgliedern zugesandt. Seit der Amtszeit von Rabbiner Friedrich Rülf wurde es durch historische, religiöse und aktuelle Beiträge wesentlich erweitert und attraktiver gestaltet.

Den Religionsunterricht der Gemeinde besuchten um das Jahr 1925 insgesamt 117 Kinder, im Schuljahr 1928/29 waren es 160 Kinder, 1931/32 wuchs die Zahl auf 310. Dabei schickten bei weitem nicht alle Eltern ihren Nachwuchs zum Religionsunterricht. Manche säkularen Juden waren keine registrierten Mitglieder der Gemeinde und sie besuchten die Gottesdienste in der Synagoge, wenn überhaupt, nur an den wichtigsten Feiertagen.

In den 1930er Jahren fand jeden Schabbatnachmittag ein Jugendgottesdienst für die sechs- bis achtzehnjährigen Gemeindemitglieder statt. Dieser war immer gut besucht.

Soziale Hilfseinrichtungen und Vereine

Im Gemeindehaus befand sich eine örtliche Filiale des jüdischen Sozialverbandes, der „Zentralwohlfahrtsstelle der deutschen Juden“. Ferner unterhielt die Gemeinde einen Durchwandererfürsorgeverein  sowie einen Wohltätigkeitsverein.

Es gab einen Frauenverein, eine Ortsgruppe des „Centralvereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens“, einen Ostjüdischen Verein, mehrere weitere kleine Vereine sowie Stiftungen, wie die Flora- und Sally-Weil-Stiftung, die Stipendien für die Berufsausbildung vergab.

Die „Zionistische Ortsgruppe“ propagierte ab 1919 die Ansiedlung jüdischer Menschen im damaligen Palästina und sorgte für die Verbreitung des Gedankens eines eigenen jüdischen Staates.

Für kulturelle Belange waren der „Jugendbund“ und der „Bund Gabriel Riesser“ zuständig, die regelmäßig zu Vorträgen mit renommierten auswärtigen Referenten einluden, so beispielsweise am 14. Januar 1929 den jüdischen Religionsphilosophen und Soziologen Martin Buber.

Der „Bund jüdischer Pfadfinder“ umwarb die Jüngeren, um sie gleichermaßen mit der Natur und ihrem Judentum bekannt zu machen.

Die Saarloge „B’nei Brith“ und ihre Schwestervereinigung für Damen dienten der geistigen und gesellschaftlichen Anregung in der Gemeinde.

Diese Vielfalt  der vor Ort präsenten politischen und kulturellen Vereine sorgte mit ihren Vorträgen und anderen Aktivitäten für ein kulturell offenes und politisch waches Ambiente auch jenseits des Religiösen.

Der Ostjüdische Verein

Die seit Ende des 19. Jahrhunderts zugewanderten Ostjuden bildeten hingegen einen eigenen Verein innerhalb der Gemeinde, den „Ostjüdischen Verein“. Sie besaßen ihren eigenen Betsaal im Stadtteil Malstatt, wo viele von ihnen auch wohnten.

Auf ihre Initiative wurde ab 1932 dort auch eine Mikwe, ein rituelles Tauchbad, eingerichtet. Ein solches hatten die liberalen deutschen Juden nicht vermisst. Rabbiner Friedrich Rülf wusste, dass die religiösen Wünsche und Forderungen der Ostjuden berechtigt waren, und so stand der Einrichtung nichts im Wege. 1936 wurde der ostjüdische Betsaal Ahawas Scholaum (Friedensliebe) dann in das jüdische Gemeindehaus in der Futterstraße verlegt.

Die osteuropäischen Juden besuchten die Gottesdienste in der „Reformsynagoge“ in der Regel nicht, da dort am Schabbat im Gottesdienst Musik erklang. Diese war nach orthodoxer Tradition aus Trauer über die Tempelzerstörung aus dem traditionellen Synagogengottesdienst verbannt worden. Darüber hinaus sangen dort im gemischten Chor Frauen mit, was nach orthodoxer Tradition ebenfalls nicht möglich ist.  Allenfalls schickten sie ihre Kinder zum Jugendchor in die Synagoge.

Zwischen den osteuropäischen und den deutschen, westlich orientierten, weitgehend assimilierten und säkularisierten Juden existierte in Saarbrücken wie anderswo, neben der religiösen auch eine soziokulturelle Trennung. Die Juden aus Ost- und Mitteleuropa stammten vornehmlich aus Polen, Galizien und Tschechien, waren vor den dortigen Pogromen geflohen und waren weniger in die umgebende Mehrheitsgesellschaft  integriert. Sie waren größtenteils streng orthodox praktizierend und achteten insbesondere auf die Einhaltung der Speisengesetze und der Schabbatruhe. Sie sprachen häufig nur Jiddisch oder gebrochenes Deutsch. Selbst die nicht mehr streng Praktizierenden unter ihnen besaßen allerdings durch ihre Erziehung, den Besuch einer jüdischen Grundschule und anschließend oft auch einer Jeschiwa (jüdische Hochschule mit Tora-Studium), umfassende Kenntnisse im Religiösen. Und sie beherrschten das Hebräische, wenngleich sie die Vokale anders aussprachen als ihre deutschen Glaubensgenossen. Nicht selten gab es daher, vor allem in der älteren Generation der zugewanderten Ostjuden, Männer, die, ohne davon beruflich Gebrauch zu machen, im Besitz eines Rabbinerdiploms waren. Auch fanden sich unter ihnen immer genügend Männer, die bei einem Gottesdienst vorbeten oder aus der Tora vorlesen konnten.

Patriotismus und politisches Engagement

Die meisten deutschen Juden verstanden sich als stolze Patrioten. Jüdisch zu sein bedeutete  für sie lediglich, einer spezifischen Konfession anzugehören, wobei der Stellenwert der Religion für das tägliche Leben immer mehr in den Hintergrund trat.

Viele der Saarbrücker Juden waren politisch aktiv. In der ersten Stadtverordnetenversammlung der „Großstadt Saarbrücken“ (1909) waren zwei jüdische Abgeordnete vertreten: die Kaufleute Salomon Israel und Isidor Köster. Später wirkten über lange Jahre die Rechtsanwälte Oskar Scheuer, Eduard Lehmann sowie der Landmesser Martin Mendelssohn im Stadtrat.

Während des Ersten Weltkriegs waren 28 Männer aus der jüdischen Gemeinde Saarbrücken gefallen. Zahlreiche Überlebende waren mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet worden. In Saarbrücken bestand eine Ortsgruppe des „Reichsbundes Jüdischer Frontsoldaten“. An der allgemeinen Gedenkfeier für die Opfer des Ersten Weltkrieges auf dem Ehrenfriedhof am Volkstrauertag, die seit 1922 jährlich durchgeführt wurde, nahm auch der jeweilige Saarbrücker Rabbiner mit einer Ansprache teil und in der Synagoge wurde jährlich ein Gedächtnisgottesdienst für die Gefallenen abgehalten.

Die Saarbrücker Juden waren also größtenteils gut in die Mehrheitsgesellschaft integriert: Bei der abendlichen Feier für Gemeindemitglieder und Gäste am Einweihungstag der Synagoge im Lokal „Tivoli“ wurde die Musik von der Kapelle des Königlich 8. Rheinischen Infanterie-Regimentes Nr. 70 ausgeführt – und nicht etwa von einer jüdischen Kapelle.

 

Das Ende der jüdischen Gemeinde

Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten im Deutschen Reich 1933 kündigte sich auch in Saarbrücken der Niedergang der jüdischen Gemeinde an. Als Konsequenz aus den Übergriffen auf ihre Kinder sah sich die Gemeinde im Jahr 1934 gezwungen, eine eigene jüdische Volksschule zu gründen.

In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 wurden im Saargebiet wie in ganz Deutschland die Synagogen entweiht, geplündert, zerstört und in Brand gesteckt. Die Feuerwehren, die dafür sorgen sollten, dass das Feuer nicht auf benachbarte „arische“ Häuser übergreifen sollte, sahen tatenlos zu. Auch die Saarbrücker Synagoge wurde niedergebrannt und das angrenzende Gemeindehaus geplündert.

130 bis 150 jüdische Männer wurden spätabends aus ihren Wohnungen getrieben und am Bahnhofsvorplatz gesammelt. Sie mussten sich -  oft nur mit ihrem Schlafanzug bekleidet -  zu einem Zug formieren, der sie unter allerlei Erniedrigungen und Misshandlungen durch Mitglieder der SS durch die Straßen der Stadt zur brennenden Synagoge führte. Von dort zwang man sie weiter zum Rathausplatz und zum St. Johanner Markt, dann zum Schloss, dem Sitz der Gestapo, zu laufen. Einige Männer wurden dort inhaftiert, die anderen ins Gefängnis Lerchesflur gebracht. Dort erlag beispielsweise Max Hanau, geboren 1875, wenige Tage später den Verletzungen, die ihm durch die SS und SA zugefügt worden waren. Ein Stolperstein an seinem Wohnort Karcherstraße 17 erinnert an ihn und sein Schicksal. Die anderen Inhaftierten wurden in das KZ Dachau deportiert.

Am 19. November 1938 erging ein Erlass des damaligen Polizeipräsidenten, den Wiederaufbau der Synagoge bis auf weiteres nicht zuzulassen. Am 13. Dezember 1938 wurde der Abbruch der Ruine verfügt, der 1939 erfolgte. Ende Januar 1939 war die Synagoge restlos verschwunden und das Gelände eingeebnet.

Die Saarbrücker Synagoge wurde in der Pogromnacht geplündert und niedergebrannt, ihre Überreste auf Kosten der jüdischen Gemeinde schließlich abgetragen. - Foto: Stadtarchiv Saarbrücken, AF 6880

Die Saarbrücker Synagoge wurde in der Pogromnacht geplündert und niedergebrannt, ihre Überreste auf Kosten der jüdischen Gemeinde schließlich abgetragen. - Foto: Stadtarchiv Saarbrücken, AF 6880

Die Saarbrücker Synagoge wurde in der Pogromnacht geplündert und niedergebrannt, ihre Überreste auf Kosten der jüdischen Gemeinde schließlich abgetragen. - Foto: Stadtarchiv Saarbrücken, AF 6880

1938 wurden der Gemeinde die Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts aberkannt, sie wurde fortan als Verein geführt.

Im gesamten Saargebiet existierten am 1. Januar 1933 insgesamt 18 jüdische Gemeinden,  mit 23 Synagogen oder Betsälen und 4638 Gläubigen.

Bei der Volkszählung am 17. Mai 1939 lebten im Saarland nur noch 479 Juden, davon 177 in Saarbrücken. Sie waren meist mittellos oder zu alt, um auswandern zu können. Fast 90 % aller Juden an der Saar waren inzwischen emigriert.

Das gewaltige Schrumpfen der Mitgliederzahl führte dazu, dass der Vorstand der Synagogengemeinde nicht mehr dem Gemeindestatut entsprechend besetzt werden konnte. Die Gemeindegeschäfte wurden daher ab dem Frühjahr 1936 kommissarisch durch den Saarbrücker Rechtsanwalt Oskar Schloß wahrgenommen.

Am 22. Oktober 1940 wurden die zu diesem Zeitpunkt noch im Saarland verbliebenen 134 Juden zusammen mit Juden aus der Pfalz und aus Baden im Rahmen der sogenannten „Wagner-Bürckel-Aktion“ in das Lager nach Gurs in Südfrankreich deportiert, von wo aus die meisten in die Vernichtungslager Auschwitz und Theresienstadt weitertransportiert wurden, wo sie größtenteils ermordet worden sind.

Damit fanden das jüdische Leben und die jüdische Kultur, die liturgische wie die weltliche, in Saarbrücken, im Saarland wie überall im Deutschen Reich, zunächst ein abruptes Ende.

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Die alte Synagoge (1890)