Der Aron Hakodesch – Der Toraschrein

Autoren: Ruth Bauer und Marcel Wainstock

Detailaufnahme des metallenen Rankenfrieses des Toraschreins. - Foto: Thomas Störmer

Detailaufnahme des metallenen Rankenfrieses des Toraschreins. - Foto: Thomas Störmer

Detailaufnahme des metallenen Rankenfrieses des Toraschreins. - Foto: Thomas Störmer

Der Schrein befindet sich vor der Ostwand, denn in Richtung Osten, in Richtung Jerusalem, wird gebetet. Der Schrein wird grundsätzlich von einer Rahmenarchitektur umgeben und ist durch einen Vorhang verhüllt. Diesem Prinzip folgt auch die Saarbrücker Synagoge. Der Toraschrank ist in die rechteckige, portalartig eingefasste Nische eingelassen und, wie es der Ritus vorschreibt, von einem Vorhang (Parochet) verhüllt.

Alice Bloch ließ den Toraschrein für die Saarbrücker Synagoge aus Holz mit Palisanderfurnier fertigen. Die Türen sind mit einem rautenförmigen Intarsienmuster aus hellem Holz verziert. Als technische Lösung für die Handhabung der Türen entschied sie sich – die Ingenieurkenntnisse ihres Vaters nutzend – für ein elegantes Schiebetürengleitsystem: Die beiden Türflügel öffnen sich platzsparend, indem sie nach links und rechts in die „Kulissen“ der grauen Marmorverkleidung des Toraschreins gleiten.

Die marmorne Einfassung des Toraschreins schmückte Alice Bloch mit einem seitlich umlaufenden Metallband, versehen mit einer Ranke mit nach innen ausgerichteten, stilisierten Blättern und Blütenknospen. Die von ihr gewählte Pflanze ist nicht eindeutig bestimmbar, doch das Dekor könnte die Mandelknospen am Stab Aarons evozieren. Ausgespart wird dieses Band im Bereich der auf den Toraschrein aufgesetzten Gesetzestafeln und der exakt zwischen diesen beiden aufgehängten Ewig-Licht-Leuchte. Durch diesen stilistisch geschickt eingesetzten Verzicht unterstreicht sie die unmittelbare Betonung der Mittelachse und damit die Konzentration auf das Zentrum des jüdischen Glaubens.

Die Tafeln mit den Zehn Geboten

Gesetzestafeln mit den Zehn Geboten - Foto: Thomas Störmer

Gesetzestafeln mit den Zehn Geboten - Foto: Thomas Störmer

Gesetzestafeln mit den Zehn Geboten - Foto: Thomas Störmer

Über dem Toraschrein mittig aufgesetzt, platziert Alice Bloch die beiden Gesetzestafeln mit den Zehn Geboten. Für ihre Darstellung wählt sie einen schwarzen Untergrund, auf dem die aufgesetzten, goldfarbenen, hebräischen Buchstaben gut zur Geltung kommen. Da der Text der Zehn Gebote zu lang ist, um auf solchen Tafeln wiedergegeben werden zu können, hat sich im Judentum die Tradition entwickelt, bei jedem Gebot nur die ersten beiden Worte zu zitieren.

Das Ner Tamid – Das Ewige Licht

Vor dem Toraschrein hängt, wie in jeder Synagoge, das Ewige Licht (Ner Tamid). Die Leuchte symbolisiert die Gegenwart Gottes und erinnert an die einstige Öllampe im Stiftszelt sowie an den siebenarmigen Leuchter im Tempel von Jerusalem. Das Licht brennt Tag und Nacht, durchgehend.

Mit ihrem dem Art-Déco-Stil verhafteten, eleganten Entwurf schuf Alice Bloch ein außergewöhnliches Objekt, eine ungewöhnlich modern gestaltete Ewig-Licht-Leuchte. Sie löst sich hier, wie überhaupt bei all ihren bislang bekannten Entwürfen von den bisher üblichen historisierenden Gestaltungsformen jüdischer Kultgegenstände.

„In Deinem Licht schauen wir das Licht“

Als einziges Dekor für ihre Ewiges Licht, das aus drei konzentrisch miteinander verschränkten geometrischen Körpern gebildet ist, hat sie sich ein umlaufendes Band ausgedacht, auf dem in ausgesparten hebräischen Buchstaben ein Zitat aus Psalm 36,10 zu lesen ist: „In Deinem Licht schauen wir das Licht“. (1) Die hebräischen Großbuchstaben der sogenannten Quadratschrift, mit welcher Hebräisch traditionell (von rechts nach links) geschrieben und gedruckt wird, wirken, akkurat gestaltet, schon von sich aus dekorativ. Das hat sich Alice Bloch für ihre Arbeiten zu Nutze gemacht. Im Inneren ist der Kranz der Lampe (der äußere Rand der horizontalen Scheibe) hinter dem Text mit rotem Glas ausgelegt, sodass die Schrift rot leuchtet (was allerdings nur zu erkennen ist, wenn der Raum dunkel ist).

Durch ihre Ausmaße und insbesondere die Ausgewogenheit zwischen vertikaler  und horizontaler Entfaltung behauptet sich die Leuchte vor dem Toraschrank, ohne diesem seinen Rang streitig zu machen. Und umgekehrt betont wiederum die Aussparung des Rankenschmuckes an dessen oberer Rahmung ihre Wirkung.

1) Für die Übersetzungen der hebräischen Texte und der Nennung der Bibelstellen gilt der Dank dem Kantor der Synagogengemeinde Benjamin Moses Chait.

Das Ewige Licht. - Foto: Thomas Störmer

Das Ewige Licht. - Foto: Thomas Störmer

Das Ewige Licht. - Foto: Thomas Störmer

Das Ewige Licht. - Foto: Thomas Störmer

Das Ewige Licht. - Foto: Thomas Störmer

Das Ewige Licht. - Foto: Thomas Störmer

Die Parochot - Die Vorhänge für den Toraschrein

Der rote Vorhang für den Toraschrein. - Foto: Thomas Störmer.

Der rote Vorhang für den Toraschrein. - Foto: Thomas Störmer.

Der rote Vorhang für den Toraschrein. - Foto: Thomas Störmer.

Alice Bloch lieferte insgesamt drei Entwürfe für Parochot (Toravorhänge), jeweils in den liturgischen Farben Rot, Blau und Weiß. Der rote Vorhang ist der „Alltagsvorhang“, der blaue den Feiertagen Pessach, Schawuot und Sukkot vorbehalten. Und der weiße Vorhang verhüllt an den höchsten jüdischen Feiertagen Rosch ha-Schana (Neujahr) und Jom Kippur (Versöhnungsfest) sowie an den zehn dazwischen liegenden Tagen den Toraschrein. Toravorhänge sind in der Regel aus kostbaren Stoffen gefertigt, oft aus Samt oder Seide, Leinen oder Brokat. Sie sind mit Stickereien, Applikationen und Bordüren versehen. Ihre Dekore spiegeln Zeitgeschmack und regionale Moden wider.

Der von Alice entworfene rote Vorhang aus Samt wird seit dem Jubiläumsjahr 2021 wieder benutzt. Viele Jahre wurde er durch einen in Serie produzierten Vorhang ersetzt. Er zeigt als zentrales Motiv die goldfarben bestickte rötliche Applikation einer kannelierten Säule, die von zwei im Profil sich aufrecht gegenüber stehenden mächtigen heraldischen Löwen (Symbol für den Stamm Juda) beschützend umfasst wird. Auf dem ausladenden Kapitell der Säule stehen die beiden hebräischen Buchstaben Kaf und Teth als Abkürzung für „Keter Tora“, die „Krone der Tora“. Die obere Begrenzung des Vorhangs bilden vier goldene geradlinige Litzen, die untere mit goldfarbenen Fransen versehen. Die Bänder vermitteln den Eindruck einer Schabracke (Kapporot), einem typischen Dekorationsmotiv  für Toravorhänge. Den Saum des Vorhangs bilden entsprechend goldene Fransen. Über diesem ist in der gesamten Breite des Behanges eine hebräische Textzeile mit blauem Faden gestickt, die besagt, „ Am 7. Schwat 5711, dem Tag, an dem dieses Gebetshaus eingeweiht wurde“. (Am 14. Januar 1951 unserer Zeitrechnung wurde die Saarbrücker Synagoge eingeweiht.)

Das gerne für die Stickereien von Toravorhängen verwendete Motiv der beiden flankierenden Säulen des Salomonischen Tempels mit einem Löwenpaar, das eine Krone trägt, wandelt Alice Bloch in ihrem Entwurf geschickt ab.  Sie reduziert das Motiv auf eine Säule, deren art-déco-haft ausschwingendes Kapitell als majestätisches Podest für die Krone der Tora dient. Jedoch stellt sie diese nicht bildlich dar, sondern ersetzt sie durch die beiden Buchstaben, eine intelligente Umgehung des Bilderverbots im Judentum.

Der blaue Vorhang für den Toraschrein, ausgestellt und durch eine Glasscheibe geschützt, im oberen Flur des Gemeindehauses. - Foto: Ruth Bauer.

Der blaue Vorhang für den Toraschrein, ausgestellt und durch eine Glasscheibe geschützt, im oberen Flur des Gemeindehauses. - Foto: Ruth Bauer.

Der blaue Vorhang für den Toraschrein, ausgestellt und durch eine Glasscheibe geschützt, im oberen Flur des Gemeindehauses. - Foto: Ruth Bauer.

Auch der blaue Toravorhang  ist erhalten, jedoch nicht mehr in Gebrauch. Er besteht aus dunkelblauem Samt und zeigt eine vornehm-elegante, jugendstilhaft reduzierte Ornamentik: die Gestaltung des Postamentes mit seitlich kreisförmig ausschwingender Basis in deren Rundungen wiederum die beiden Buchstaben Kaf und Teth eingefügt sind. (Dieses Motiv erinnert unmittelbar an das weiter unten beschriebene schlangenartige Ornament auf der Marmorbrüstung.) Über der Säule schwebt die aus Schlingen gebildete stilisierte Krone. Das Motiv der Schlaufen wiederholt sich in der oberen Bordüre und dem Saum. Zwei senkrecht aufgebrachte goldfarbene Litzen bilden den seitlichen Rahmen.

Seit Ende der 1980er Jahre wird dieser Vorhang nicht mehr verwendet, da er der Gemeinde als zu dunkel erschien. Heute kann er geschützt durch eine Glasscheibe im oberen Flur des Gemeindehauses bewundert werden. Der weiße Vorhang ist leider nicht mehr vorhanden. Aus der Erinnerung heraus soll er aus einem silberfarben durchwirkten weißen Seidenstoff gefertigt gewesen sein und keinerlei Ornament gezeigt haben. Diese edle Reduzierung ließe sich mit der Würde der höchsten Feiertage erklären.

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