Kultgegenstände der Synagoge

Autoren: Ruth Bauer und Marcel Wainstock

Der Schulchan - Das Vorbeter- und Vorlesepult mit seinen Decken

Neben dem Toraschrein ist das Pult oder der Tisch (Schulchan) zum Auflegen der Tora, um aus ihr vorzulesen, zentrales Element eines jeden jüdischen Gotteshauses. Während sich bei traditionell orthodox ausgerichteten Gemeinden das Vorlesepult im Zentrum des Raumes befindet, ist es in Reformsynagogen wie in Saarbrücken nach Osten in die unmittelbare Nähe des Toraschreins gerückt.

Das Unterteil des Schulchans hat Alice Bloch als quadratischen Holzschrank mit einem Furnier, vermutlich aus Nussbaum, gestaltet. Es ruht auf einer niedrigen ausladenden Sockelplatte. Die Wandungen des Kubus sind umlaufend mit senkrecht aufgesetzten dunklen Stäben versehen, die rund zehn Zentimeter über der Bodenplatte ansetzen, was ihm eine gewisse Leichtigkeit verleiht und ihn in eine Art Schwebezustand versetzt. Auf der dem Toraschrein zugewandten Seite sind zwei kleine Türflügel angebracht, die es ermöglichen, im Inneren des Tisches Gebetbücher und ähnliches zu verstauen. Auf die Tischplatte ist dann das eigentliche Lesepult aufgesetzt. Die Höhe des Pultes war von Alice Bloch so konzipiert, dass der Blick auf den Vorhang des Schreins frei blieb. Durch eine Jahre später erfolgte Erhöhung des Pultes wird der untere Rand des Vorhanges nun verdeckt.

“Hab ein aufmerksames Ohr und ein offenes Auge und hör das Gebet deines Knechtes! ..."

Die absolute Besonderheit des Entwurfes von Alice Bloch für das Saarbrücker Lesepult liegt in der Möglichkeit, es mittels eines Kugellagers völlig lautlos und ohne besondere Kraftanwendung von Hand um 180° beziehungsweise 360° zu drehen. Durch diesen technischen Kniff vereint sie die Funktion des Vorbeterpultes (der Kantor betet dem Toraschrein zugewandt mit dem Rücken zur Gemeinde) und des Vorlesepultes (der Kantor liest aus der Tora der Gemeinde zugewandt) in einem Objekt.

Tisch und Pult werden mit jeweils zu Vorhang und Toramantel farblich passenden Decken geschmückt. Ihre drei gleichen Entwürfe reduziert Alice Bloch wiederum auf ein schlichtes und doch erhabenes Ornament, einen hebräischen – thematisch passend ausgewählten – Text, der in Goldstickerei umlaufend auf dem Samt aufgebracht ist. Das Zitat stammt aus dem Buch des Propheten Nehemia, Kap. 1 Vers 6:  “Hab ein aufmerksames Ohr und ein offenes Auge und hör das Gebet deines Knechtes! Ich bete jetzt Tag und Nacht vor dir für die Söhne Israels, deine Diener. Ich lege ein Bekenntnis ab wegen der Sünden der Söhne Israels. Wir haben gegen dich gesündigt; auch ich und meine Familie haben gesündigt.“ Den Saum bilden, passend zum Toravorhang,  wiederum goldfarbene Fransen. Wie die Rote ist auch die blaue Decke heute noch in Gebrauch.

Die Menorot - Die Siebenarmigen Leuchter

Siebenarmiger Leuchter. - Foto: Thomas Störmer

Siebenarmiger Leuchter. - Foto: Thomas Störmer

Siebenarmiger Leuchter. - Foto: Thomas Störmer

Zwei 2,40 Meter hohe Menorot flankieren den Toraschrein. Die Menora ist neben dem Davidstern zwar das wichtigste religiöse Symbol des Judentums, besitzt aber bereits seit der Zerstörung des Tempels keine kultische Funktion mehr. Die Menorot dienen der Ausschmückung und als Lichtquelle.  Auch dieser Entwurf zeigt eine am Art-Déco orientierte Gestaltung. Den Fuß des Leuchters bilden wiederum drei waagerecht angeordnete Platten, aus denen der Schaft, ähnlich geformt wie die Säule des Vorhangs, entspringt. Der Schaft verjüngt sich nach oben und mündet unmittelbar in das mittlere Licht.  Die drei Arme zweigen in exakten Halbkreisen seitlich ab. Die von Alice Bloch für die Leuchter ausgewählten Soffitten, zylindrisch geformte elektrische Leuchtmittel, schließen exakt in Höhe der hinteren Marmorwand ab. Sie erfüllen übrigens bis heute ihren Dienst.

Für die beiden Leuchter fertigte Alice Bloch zwar die Entwürfe, die Ausführung dürfte jedoch von einer Metallbaufirma übernommen worden sein.

Das Hawdala Set

Die Hawdala-Zeremonie ist ein uraltes Ritual im Judentum, das jeweils am Ende des Schabbat oder eines anderen Feiertages begangen wird. Sie kennzeichnet dessen Ende und zugleich den Beginn der neuen Woche. Die feierliche Handlung  besteht im Wesentlichen aus dem Segen über einem Becher Wein, dem Segen über wohlriechenden Gewürzen und dem abschließenden Segen über den Lichtern. Die Anwesenden singen gemeinsam noch ein traditionelles Lied und wünschen sich vor dem Auseinandergehen gegenseitig „eine gute Woche“. Entsprechend der Zeremonie besteht ein Hawdala-Set aus vier Teilen: einem Tablett, einem Kerzenhalter für die Aufnahme der flachen, geflochtenen Hawdalakerze, einem Besamimbehälter  für wohlriechende Gewürze (Nelken, Anis, usw.) und einem Becher für den Wein.

„Schöpfer der Leuchtkraft des Feuers“

Alice Bloch griff für das Hawdala Set der Saarbrücker Synagoge auf ihre frühen, vom Bauhausstil und Art-Déco geprägten Entwürfe wie das im jüdischen Museum in Basel aufbewahrte Hawdala Set für Saly Mayer zurück. Das Tablett zeigt eine schlichte, ovale Form, einen glatten, ornamentlosen Spiegel und eine leicht erhöhte, flache, ebenfalls ornamentlose Fahne.  Auf dem polierten Schaft des Kerzenhalters sind ausgestanzt die hebräischen Worte „Schöpfer der Leuchtkraft des Feuers“ zu lesen. Die Besamimdose gestaltete sie in Form einer oben und unten abgeflachten glatt polierten Kugel in der Größe eines Apfels. An der Unterseite sorgt ein kreisrunder Fuß für deren Standfestigkeit. Um die Öffnung herum läuft eingraviert in hebräischen Buchstaben ein Auszug aus dem Zitat aus Ezechiel Kap. 20:41: “Ihr werdet mir angenehm sein mit dem süßen Geruch, wenn ich euch aus den Völkern bringen und aus den Ländern sammeln werde, dahin ihr verstreuet seid (…)“.  Durch Verwendung der Niello-Technik wird die Schrift besonders gut lesbar.

Unter dem runden, glatten Deckel befindet sich eine ebenfalls kreisrunde Aussparung, in die eine mit einem Davidstern verzierte, siebartige Scheibe eingesetzt ist, die es erlaubt, an den Gewürzen zu riechen. Der gut in der Hand liegende Behälter wird während der Zeremonie nach dem entsprechenden Segen unter den Anwesenden herumgereicht. Der dazugehörige Becher ist leider nicht mehr vorhanden.

Hawdala-Set mit Kiddusch Becher. - Foto: Thomas Störmer

Hawdala-Set mit Kiddusch Becher. - Foto: Thomas Störmer

Hawdala-Set mit Kiddusch Becher. - Foto: Thomas Störmer

Die geöffnete Besamimdose mit umlaufender Inschrift und einem künstlerisch gestalteten Siebeinsatz mit Davidstern in der Mitte. - Foto: Thomas Störmer

Die geöffnete Besamimdose mit umlaufender Inschrift und einem künstlerisch gestalteten Siebeinsatz mit Davidstern in der Mitte. - Foto: Thomas Störmer

Die geöffnete Besamimdose mit umlaufender Inschrift und einem künstlerisch gestalteten Siebeinsatz mit Davidstern in der Mitte. - Foto: Thomas Störmer

Der Kidduschbecher - Der Weinkelch

Um am Vorabend des Schabbat und bei der Hawdala-Feier den obligatorischen Segen über den Wein zu sprechen, wird der Kidduschbecher benötigt.

Alice Bloch entwarf für die Saarbrücker Gemeinde einen elegant-schlichten, blütenförmigen Kelch. Über seinem ausladenden, nach oben leicht eingezogenen Fuß, gestaltet wie die Säulenbasis auf dem roten Toravorhang, entfaltet sich über dem Schaft – wiederum das Motiv der drei Ringe aufweisend – der nach oben leicht ausschwingende Blütenkelch. Dieser Kidduschbecher war der Saarbrücker Gemeinde zum wöchentlichen Gebrauch zu groß und zu schwer geraten und wurde daher bis heute nicht benutzt.

Das stilisierte schlangenartige Ornament

Die Marmorbrüstung mit ihrem schlangenartig gebildeten Ornamentaufsatz trennt den Kultraum und den Raum der Gemeinde voneinander ab. - Foto: Ruth Bauer

Die Marmorbrüstung mit ihrem schlangenartig gebildeten Ornamentaufsatz trennt den Kultraum und den Raum der Gemeinde voneinander ab. - Foto: Ruth Bauer

Die Marmorbrüstung mit ihrem schlangenartig gebildeten Ornamentaufsatz trennt den Kultraum und den Raum der Gemeinde voneinander ab. - Foto: Ruth Bauer

Auf der Marmorbrüstung, die den Kultbereich vom Raum der Gemeinde abgrenzt, ist mittig ein dreiteiliges, geschlängeltes, goldfarbenes Dekorationselement aus Metall platziert, das an eine Verzierung in Art einer Vignette erinnert, wie sie häufig das Ende einer Titelseite eines Buches zierte. Auch an dieser Stelle akzentuiert das Objekt das voneinander Abgegrenzte. Jedoch nicht nur im biblischen Zusammenhang evoziert dieses Element auch das Bild einer Schlange. Bezogen auf den jüdischen Glauben erinnert es an die Geschichte Exodus 10: „Moses verwandelt Aarons Stab vor dem Pharao in eine Schlange“. Durch den Einsatz der vielfältigen Deutungsebenen der Schlange scheint Alice Bloch auch an dieser Stelle wieder ein Meisterstück gelungen: So symbolisiert die Schlange unter anderem Tod und Unheil, steht aber ebenso als Symbol für Vitalität und Lebenskraft. Und so versinnbildlicht dieses zunächst so unscheinbare und kaum wahrgenommene Element einerseits die Zerstörung der alten Synagoge und in gleichem Maße die Wiedergeburt der neuen Gemeinde, die hoffnungsvoll in die Zukunft blickt.

Der Chanukkaleuchter

Chanukkaleuchter. - Foto: Thomas Störmer

Chanukkaleuchter. - Foto: Thomas Störmer

Chanukkaleuchter. - Foto: Thomas Störmer

Ganz ähnlich gestaltet wie die Menora zeigt sich der Chanukka-Leuchter. Dieser allerdings achtarmige Leuchter, bekrönt von einem kleinen Davidstern und mit einem vorspringenden neunten Arm (dem Schamasch, dem sogenannten Diener) versehen, ist nur in der Zeit des acht Tage währenden Chanukkafestes in Gebrauch, das nach dem jüdischen Kalender vom Abend des 25 Kislew an gefeiert wird und mehr oder weniger in die christliche Weihnachtszeit fällt. Für diese Zeit wird der Leuchter von seiner Konsole herabgenommen. Mit Hilfe des Dieners wird jeden Tag ein Licht angezündet bis am achten Tag alle Lichter brennen. Ältere Leuchter funktionierten zunächst mit Öl und Docht, spätere waren für die Verwendung von Kerzen konzipiert.

Die von Alice Bloch entworfene Chanukkia zeigt hinsichtlich ihrer Gebrauchsmöglichkeiten wiederum eine Besonderheit, denn sie ist für den wahlweisen Gebrauch mit Kerzen oder mit Öl und Dochten gestaltet. Für beide Lösungen hat sie formschöne Aufsätze entworfen. Die Tüllen sind für schlanke hohe Kerzen gedacht, sogenannte Elementkerzen, die in den Dimensionen am besten zur Chanukkia passen. Über 60 Jahre hat die Saarbrücker Gemeinde auf Kerzen zurückgegriffen. Der bis dahin noch originalverpackten Aufsätze in Form kleiner Öllampen für flüssigen Brennstoff erinnerte man sich im Jahr 2013 wieder und seither sind diese in Gebrauch.

Die Gedenktafel für die Opfer des Holocaust

Als Pendant zur Chanukkia befindet sich, an der linken Wand eingelassen, die bronzene Gedenktafel für die Opfer des Holocaust. Sie zeigt einen vierzeiligen hebräischen Text und darunter seine deutsche Entsprechung, jeweils in erhabenen, vorgewölbten Buchstabenbändern auf eine glatte bronzene Platte aufgesetzt. Geschrieben steht:

Gedenktafel für die jüdischen Opfer des Holocaust. - Foto: Ruth Bauer

Gedenktafel für die jüdischen Opfer des Holocaust. - Foto: Ruth Bauer

Gedenktafel für die jüdischen Opfer des Holocaust. - Foto: Ruth Bauer


VATER DES ERBARMENS – GEDENKE

DIESER GLÄUBIGEN UND IHRER ERMORDUNG
IHR VERDIENST UND DAS VERDIENST IHRER VÄTER
STEHE IHREN KINDERN IN DER ZEIT DER NOT BEI

HEILIG
IST UNS DAS GEDÄCHTNIS
DER OPFER OHNE ZAHL

Gerahmt wird diese Inschrift von zwei monumentalen brennenden Fackelleuchten auf deren Podesten die Jahreszahlen 1933 und 1945 angebracht sind.

Wurde an dieser Stelle in Synagogen sonst meist den jüdischen Opfern des Ersten Weltkrieges gedacht, gestaltet Alice Bloch mit dieser Tafel eine der frühesten Gedenktafeln an die jüdischen Opfer des Nationalsozialismus. Durch die symmetrische Positionierung der Chanukkia und der Gedenktafel stellt sie zudem den gedanklichen Bezug zwischen Zerstörung und Vernichtung, zwischen Weihung und Einweihung her: der Entweihung und damit Zerstörung des Tempels in Jerusalem und der Zerstörung der Saarbrücker Synagoge in der Pogromnacht des 9. November 1938 einerseits; der mit dem Chanukka-Fest gefeierten Wiedereinweihung des jüdischen Tempels im Jahr 164 vor Christi Geburt und der Einweihung der neuen Synagoge in Saarbrücken am 14. Januar 1951 andererseits.

Die Armatur des Beckens für die rituelle Handwaschung

Vor dem Betreten der Synagoge sollen sich die Gläubigen die Hände rituell reinigen, was bedeutet, diese drei Mal mit Wasser zu übergießen und dazu einen Segen zu sprechen. Zur Ausübung dieser Verrichtung befindet sich im Vorraum der Synagoge ein spezielles Waschbecken, so auch in Saarbrücken. Alice Bloch hat zur Ausschmückung für die mit drei Ausläufen versehene Armatur ein großes Akanthusblatt aus Messingblech als dekoratives Element entworfen.

Becken für die rituelle Handwaschung im Vorraum zur Synagoge. - Foto: Ruth Bauer.

Becken für die rituelle Handwaschung im Vorraum zur Synagoge. - Foto: Ruth Bauer.

Becken für die rituelle Handwaschung im Vorraum zur Synagoge. - Foto: Ruth Bauer.

Armatur des Beckens für die rituelle Handwaschung. - Foto: Ruth Bauer.

Armatur des Beckens für die rituelle Handwaschung. - Foto: Ruth Bauer.

Armatur des Beckens für die rituelle Handwaschung. - Foto: Ruth Bauer.

Die Ziersprüche über den Eingängen

„Der Name des Ewigen sei gepriesen von nun an bis in Ewigkeit“

Alice Bloch hat auch die Schrift der beiden Ziersprüche über den Eingängen zum Gebäude und zur Synagoge im Inneren gestaltet.

Der Spruch über dem Eingangsportal an der Fassade des Gebäudes ist in hebräischen Buchstaben ausgeführt, wobei nur deren Umrisse vertieft in den Stein gemeißelt sind. Das ausgewählte Zitat aus Psalm 113,2 besagt: „Der Name des Ewigen sei gepriesen von nun an bis in Ewigkeit“.

Über dem Eingang zur Synagoge in der Vorhalle des Gebäudes steht in erhabenen, goldfarbenen Buchstaben, unmittelbar auf die Wandfläche oberhalb des Türsturzes angebracht, geschrieben: „Gesegnet, der da kommt im Namen des Ewigen“ (Psalm 118,26).

Der Zierspruch über dem Eingang zur Synagoge stammt aus Psalm 113,2 und besagt: „Der Name des Ewigen sei gepriesen von nun an bis in Ewigkeit“. - Foto: Ruth Bauer

Der Zierspruch über dem Eingang zur Synagoge stammt aus Psalm 113,2 und besagt: „Der Name des Ewigen sei gepriesen von nun an bis in Ewigkeit“. - Foto: Ruth Bauer

Der Zierspruch über dem Eingang zur Synagoge stammt aus Psalm 113,2 und besagt: „Der Name des Ewigen sei gepriesen von nun an bis in Ewigkeit“. - Foto: Ruth Bauer

Zierspruch über dem Eingang zur Synagoge in der Vorhalle stammt aus Psalm 118,26 und besagt: „Gesegnet, der da kommt im Namen des Ewigen“. - Foto: Ruth Bauer

Zierspruch über dem Eingang zur Synagoge in der Vorhalle stammt aus Psalm 118,26 und besagt: „Gesegnet, der da kommt im Namen des Ewigen“. - Foto: Ruth Bauer

Zierspruch über dem Eingang zur Synagoge in der Vorhalle stammt aus Psalm 118,26 und besagt: „Gesegnet, der da kommt im Namen des Ewigen“. - Foto: Ruth Bauer

Vorheriges Kapitel


 

Der Toraschmuck

Nächstes Kapitel


 

Alter Friedhof