Spielwaren
Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts hatte sich im Zuge der Industrialisierung die deutsche Spielwarenindustrie entwickelt. Jüdische Persönlichkeiten spielten in dieser Branche eine wichtige Rolle. Dies erklärt sich aus der Zeit der Judendiskriminierung. Im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert begann allmählich der Handel mit Spielsachen. Einfaches und preiswertes Spielzeug, das nicht von Zünften hergestellt wurde, verkauften neben alten Textilien jüdische Wanderhändler und Krämer. An diese Erfahrung knüpften sie dann im 19. Jahrhundert an, als die erreichte Gleichstellung es ihnen möglich machte, ein Geschäft oder eine Fabrik aufzubauen.
Vor 1914: Deutschland ist der größte Spielwarenproduzent der Welt
Deutschland war vor dem Ersten Weltkrieg der größte Spielwarenproduzent der Welt, die Exportquote lag bei über 80 Prozent. Deutsche Spielwaren waren führend in ganz Europa und sogar in den USA.
Regional konzentrierten sich die Firmen auf die Frankenmetropole Nürnberg und das benachbarte Fürth sowie Zirndorf, ferner Württemberg, Thüringen (Sonneberg), das Erzgebirge sowie Teile von Brandenburg.
Unter den Spielzeugproduzenten gab es herausragende von jüdischen Persönlichkeiten geführte Unternehmen wie etwa die Nürnberger Firma Bing, 1863 von den Brüdern Ignaz und Adolf Bing gegründet. Bing baute unter anderem Modelleisenbahnen und führte auch diverses anderes Spielzeug im Programm. Das Unternehmen beschäftigte 1923 immerhin 16.000 Mitarbeiter und galt nicht nur als der größte deutsche Spielwarenhersteller, sondern zeitweise als der größte der Welt. Blech hatte sich zum wichtigsten Werkstoff für Spielsachen entwickelt und Bing stellte daraus bereits in den 1890er Jahren die ersten Spielzeugautos her.
Zu den Erfolgreichen der Branche zählte auch das Nürnberger Unternehmen Spear. Diese jüdische Familie hatte sich auf den Verkauf von Spielen spezialisiert und galt in diesem Bereich als größtes deutsches Unternehmen – so bedeutend wie heute etwa die renommierte Firma Ravensburger. Die Spears waren sozusagen „Spielemacher“. Zum Sortiment zählten etwa Spiele wie „Denk fix“ oder „Die fliegenden Hüte“, aber auch Mühle, Schach, Halma und Quartetts.
Jüdische Firmen prägten auch den Saarbrücker Spielwarenhandel
Spielzeug war Bestandteil des Sortiments in den Kauf- und Warenhäusern wie etwa des Saarbrücker Passage-Kaufhauses und des Kaufhauses Israel.
Der Verkauf war überwiegend ein Saisongeschäft. So gab es in den Warenhäusern vor allem zur Weihnachtszeit prächtige Spielzeugausstellungen.
Daneben wurde Spielzeug häufig in Lederwarengeschäften sozusagen zur Angebotserweiterung geführt, wie etwa bei Lederwaren Japhet. Hier konnte man Leder-, Spielzeug-, Sport- und Reiseartikel erwerben. Das Geschäft befand sich in der Bahnhofstraße 94 und wurde von dem jüdischen Kaufmann Philippe Wolff geführt.
Spielzeug im Dienst der Nazis
Mit der „Machtergreifung“ Hitlers wurden Kinder und Jugendliche nicht nur durch die NS-Massenorganisationen wie etwa die Hitler-Jugend und Bund Deutscher Mädel gleichgeschaltet und beeinflusst bzw. indoktriniert, auch das Spielzeug stand im Dienst der NS-Diktatur. So sollten von Geburt an auf spielerische Weise die kindliche Persönlichkeit geprägt und die zukünftigen Generationen zum unbedingten Gehorsam gegenüber dem Führer und zum Antisemitismus erzogen werden. Ob Spielzeugauto, Gesellschaftsspiele oder Kinderbücher – die kindliche Welt sollte voll auf den NS-Staat ausgerichtet werden, der Hass auf Juden, der Glaube an die Überlegenheit der arischen Rasse, der unbedingte Gehorsam gegenüber dem Führer bis zur Selbstaufgabe und der Aufopferung für Führer, Volk und Vaterland sollten so durchgesetzt werden.