Blum, Ernst

Autoren: Ruth Bauer und Hans-Christian Herrmann

Ernst Blum. - Landesarchiv Saarbrücken.

Ernst Blum. - Landesarchiv Saarbrücken.

Ernst Blum. - Landesarchiv Saarbrücken.

Das Leben von Ernst Blum war sicherlich „anders“ als das anderer Männer seiner Generation. Ein Leben voller Dramatik – ein filmreifes Leben.

Am 10. November 1901 wurde Ernst Blum in Wellesweiler bei Neunkirchen geboren. Als Junge verlor er auf tragische Weise sein Augenlicht. In einer Gartenwirtschaft hantierte ein Mitschüler mit einer Schrotflinte und die Ladung traf sein Gesicht. Blums Eltern unterstützten ihren erblindeten Sohn außerordentlich und ermöglichten ihm den Besuch der Berliner Blindenanstalt in Steglitz. Dort gab es ein jüdisches Internat, das Ernst Blum besuchte. Sein Vater war Prokurist bei einer Dampfziegelei, seine Mutter eröffnete in Wellesweiler ein Schuhgeschäft, um die zusätzlichen Kosten für ihren blinden Sohn bezahlen zu können. 1916 kehrte er in das Elternhaus zurück und bereitete sich auf das Musikstudium vor, das er im Jahre 1917 an der Musikhochschule in Köln begann und im Jahre 1921 mit der staatlichen Musiklehrerprüfung für Klavier und Orgel mit Auszeichnung abschloss. Danach kehrte er ins Saargebiet zurück.

Bereits im Jahr 1922 bestand er trotz Fehlens jeglicher Hilfsmittel an Lehrbüchern und Hilfen für Blinde das Abitur am Realgymnasium in Neunkirchen und entschloss sich zum Studium der Rechts- und Staatswissenschaften, das er in der Folge an den Universitäten in München, Bonn und Köln absolvierte, wobei er in Köln damals der einzige blinde Studierende war. Um studieren zu können, brauchte er Hilfe, eine Person, die ihm die Fachliteratur vorlas und für ihn schreiben konnte. Über die jüdische Gemeinde fand er Martha Mayer, die er später heiraten sollte. 1925 bestand er die Prüfung zum Referendar, 1926 promovierte er mit „summa cum laude“ zum Dr. jur. und Ende 1929 bestand er die große juristische Staatsprüfung mit der Ernennung zum Assessor. 1930 trat er als Gerichtsassessor in den Dienst der Finanz- und Steuerverwaltung des Saargebietes und wurde 1931 zum Regierungsassessor ernannt.

Hatte er seinen Lebensweg trotz seiner Erblindung nun in erfolgreiche Bahnen gelenkt, drohte kurze Zeit später weiteres Unheil: Als Jude und dazu noch erblindet bekam er die  totale Ausgrenzung angesichts des gewalttätigen Antisemitismus der Nazis besonders hart zu spüren. Sein Leben wurde nun zu einem existenziellen Kampf, um dem Holocaust zu entkommen. Im Oktober 1935 wurde Blum aufgrund der Nürnberger Gesetze entlassen. In der Praxis ging dies so vor sich: Dr. Blum wurde aufgefordert, binnen einer Stunde seinen Schreibtisch und seine Amtsstube zu räumen. Er emigrierte mit seiner Frau Martha, die er 1934 geheiratet hatte und seinen Eltern nach Frankreich, zunächst nach Diedenhofen bzw. Thionville, später nach Nizza, wo inzwischen ein Saarbrücker Arzt und Vetter lebte.

Nach Kriegsbeginn im September 1939 wurde der schutzbedürftige Blum trotz seiner Erblindung von den französischen Behörden als feindlicher Ausländer interniert. Sein Augenleiden verschärfte sich: Das Stroh im Lager verursachte eine schwere Augenentzündung und verschlimmerte sein Leid.  Mit Glück entging Blum der Verfolgung durch die Nazis und der mit ihnen kooperierenden französischen Behörden, um Haaresbreite wäre er in Südfrankreich einmal aufgegriffen worden.  Seine Mutter Caroline, geb. am 7. Juni 1869, verstarb am 24. März 1945 in Nizza.

Nach dem Ende der Hitler-Diktatur und zehn schweren Emigrationsjahren kehrte Blum mit seiner Frau und seinem Vater August (14.2.1871 - 24.3.1959) im Oktober 1945 auf Bitten von Regierungspräsident Hans Neureuter nach Saarbrücken zurück und übernahm als Oberregierungsrat den Wiederaufbau des Landesfürsorgeverbandes.  Der promovierte Jurist wurde im Ministerium für Arbeit und Wohlfahrt tätig, zuständig insbesondere für Blinde und Taubstumme. Ihm zur Seite stand seine Frau Martha, die als Sekretärin und Büroleiterin sein Vorzimmer leitete. Im von Deutschland abgetrennten Saarland, geführt von Ministerpräsident Johannes Hoffmann, das als Brücke zwischen Deutschland und Frankreich wirken wollte mit einer zugleich starken Bindung an Frankreich, gehörte er zu den Eliten in der Verwaltung. Wie die Mehrzahl der führenden Politiker im halbautonomen Saarland der  1950er Jahre war der Beamte Blum Emigrant, was aus der Sicht vieler Saarländer damals ein Makel war. „Emigrant-Sein“ bedeutete für die Mehrheit, die Hitler-Deutschland gedient hatte, „Anders-Sein“. Vor allem nach dem Rücktritt von Ministerpräsident Hoffmann nach der Ablehnung des Saarstatuts bei der Volksabstimmung am 23. Oktober 1955 verschärfte sich diese Stimmung noch. Blum blieb aber im Amt und wurde 1960 zum Ministerialrat befördert. Wegen Erreichung der Altersgrenze schied er Ende 1965 aus den Diensten der Regierung aus.

Ernst Blum wandte sich bereits als junger Mann der Mitarbeit in den Blindenorganisationen zu. Schon als Student war er im Vorstand des Kölner Blindenvereins tätig. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde er Vorsitzender des Blindenvereins für das Saarland. Für diesen Einsatz wurde er mehrfach geehrt. Im Dezember 1966 erhielt er als zweiter Zivilblinder die goldene Ehrennadel des Bundes der Kriegsblinden Deutschlands. 1968 berief ihn der Deutsche Blindenverband zum Ehrenmitglied.

Ihm ist unter anderem auch die Gründung der Blindenhörbücherei des Saarlandes zu verdanken und die Erbauung des „Hauses der Blinden“ auf dem Saarbrücker Eschberg. Eine Reihe weiterer sozialer Einrichtungen für Schwer- und Schwerstbehinderte sind mit ihm ebenfalls verbunden. Blum half aber nicht nur den Blinden im Saarland.

Im Jahr 1964 besuchte das Ehepaar Blum zum ersten Mal Israel. Beide waren tief betroffen von dem schweren Schicksal der damals  dort lebenden ca. 7000 Blinden und sie begannen nach Hilfsmöglichkeiten für diese zu suchen.

Im Jahr 1965 erhielt Walter Blum den Leo-Baeck-Preis. Seit 1957 wird dieser Preis vom Zentralrat der Juden in Deutschland als höchste Auszeichnung vergeben, um Persönlichkeiten zu ehren, die sich in hervorragender Weise für die jüdische Gemeinde in Deutschland eingesetzt haben. Mit dem Preis verbunden ein Preisgeld von damals 10.000.- DM: Dieses Geld nutzte Blum, um ein Hilfswerk „Hilfe für Blinde in Israel“ aufzubauen. Blum sollte für viele Jahre ein sehr aktiver Vorsitzender des von ihm gegründeten Hilfswerkes sein, das nach seinem Tod Ehefrau Martha fortführte.

Wie der Senatspräsident Alfred Levy und Eduard Lehmann gehörte Dr. Ernst Blum zu den Initiatoren der 1946 wiedergegründeten Synagogengemeinde Saar. Er war langjähriges Mitglied ihrer Repräsentanz, d.h. des Gemeinderats.

Dr. Ernst Blum starb am 28. April 1970 im Alter von 69 Jahren. In seinem Geburtsort Wellesweiler wurde 1989 eine Straße nach ihm benannt.

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