Bloch, Alice
Ein Leben lang erfüllte er sie mit Stolz, der Auftrag, den Alice Bloch im Jahr 1949 aus ihrer Geburts- und Heimatstadt erhielt. Zusammen mit ihrer jüdischen Familie hatte sie aufgrund der politischen Lage im Februar 1935 Saarbrücken verlassen. Seit 15 Jahren lebte sie nun in Zürich. Dort hatte sie sich mittlerweile den Ruf einer anerkannten Gold- und Silberschmiedin erarbeitet und galt als ausgewiesene Künstlerin für jüdische Kultusgegenstände. Für die in ihrer alten Heimat neu zu errichtende Synagoge, der ersten auf deutschem Boden nach dem Holocaust, vertraute man ihr nicht nur die Herstellung aller liturgischen Gegenstände an. Die gesamte Ausstattung des Kultbereiches der Synagoge in ihrer Modernität und Ausgewogenheit trägt ihre Handschrift. Bei der Gestaltung ihrer Objekte verabschiedete sie sich von der traditionell historisierenden Formensprache jüdischer Kultgegenstände, ohne dabei deren Symbolik aus dem Blick zu verlieren. Mit den Arbeiten für die neue Saarbrücker Synagoge legte sie ein bedeutendes Zeugnis ihres künstlerischen Könnens ab. Fundierte Kenntnisse der Heiligen Schrift, des jüdischen Lebens wie der Liturgie spiegeln sich in den von ihr geschaffenen Objekten wider, ebenso eine klare, sehr moderne, auf das Wesentliche reduzierte Formensprache. Der „heimatliche“ Auftrag sollte ihr größter bleiben.
Quellenlage
Einblicke in Leben und Wirken von Alice Bloch gewähren bisher nur wenige bekannte Dokumente und Werke. Ihr Nachlass scheint verloren. Die Synagogengemeinde Saar verfügt selbst über keinerlei Unterlagen zur Auftragserteilung an Alice Bloch. Rückschlüsse auf ihr Leben und ihre Ausbildung lassen die Kopien ihrer Zeugnisse und der Schriftwechsel ihrer auf Entschädigungsverfahren spezialisierten Saarbrücker Anwaltskanzlei Lehmann, Dr. Sender, Dr. Jochem mit den Behörden zu. Diese Unterlagen sind in ihrer Landesentschädigungsakte enthalten, die im Landesarchiv Saarbrücken vorliegt. Korrespondierende Akten befinden sich im Schweizerischen Bundesarchiv in Bern.
Auch die Quellen aus Zürich, wohin sie nach der Volksabstimmung vom 13. Januar 1935 emigrierte, gestalten sich insgesamt bisher bescheiden. Das Archiv der Zürcher Hochschule der Künste, die sie dort besuchte, besitzt ihre Schülerkarte und eine Bescheinigung ihres dortigen Schulbesuches. Das Archiv für Zeitgeschichte in Zürich verwahrt einige Dokumente, die in Zusammenhang mit der Verleihung des Preises der Salomon-David-Steinberg- Stiftung (heute aufgegangen in Omanut) im Jahr 1985 an Alice Bloch entstanden sind. Aus diesem Anlass verfasste Alice einen knappen Lebenslauf und erstellte ein Werkverzeichnis, das im Wesentlichen die von ihr geschaffenen kultischen Gegenstände für verschiedene jüdische Gemeinden in der Schweiz umfasst. Beides diente den Laudatoren und der Presse als Grundlage für ihre Berichterstattung. Das Stadtarchiv Zürich verwahrt zudem einige Dokumente zu ihrem Entwurf des von der Stadt Zürich verliehenen Filmpreises, den sie von 1957 bis 1965 gestalten durfte, ebenso zu ihrem Entwurf für eine Verdienstmedaille in Form eines Kerzenhalters, der nicht zur Ausführung kam, sowie einige Zeitungsartikel.
Im Depot des Jüdischen Museums in Basel befinden sich ein von ihr geschaffenes silbernes Hawdala Set, das 1942 von dem Schweizerischen Israelitischen Gemeinbund (SIG) als Geschenk zum 60. Geburtstag dessen Präsidenten Saly Mayer überreicht wurde sowie ein aus Messing hergestellter Tischaufsatz, gefertigt für die Zionistische Vereinigung in Zürich.
In den beiden Züricher jüdischen Gemeinden ICZ und Or Chadasch haben sich keinerlei schriftliche Unterlagen erhalten und sie können bisher auch nur sehr vereinzelt Hinweise auf Objekte geben, die Alice Bloch für sie geschaffen hat. Etliche Schweizer Synagogen besitzen kultische Gegenstände von Alice Bloch, ohne dies zu wissen oder zu beachten. In zahlreichen jüdischen wie nichtjüdischen Haushalten kamen von ihr gestaltete Gebrauchsgegenstände zum Einsatz und mehr als eine Frau trug Schmuck aus der Werkstatt von Alice Bloch. Den Erben wird dies heute auch nicht mehr bekannt sein. Wie bei ihren Berufskolleginnen gingen die Objekte unmittelbar in Privatbesitz über und gerieten so allgemein in Vergessenheit. Weder in den Beständen einschlägiger kunstgewerblicher Museen der Schweiz oder Deutschlands lassen sich bisher Arbeiten von ihr nachweisen, noch ist ihr Name in Expertenkreisen der beiden Länder geläufig.
Persönliche Erinnerungen an Alice Bloch
Indes können einige Wegbegleiter aus der jüdischen Gemeinde sich noch an Alice Bloch erinnern. Martin Dreyfus, seit 1980 Mitglied und von 1993 bis 2001 Präsident der 1978 von der Jüdischen Cultusgemeinde Zürich (ICZ) aus gegründeten Jüdisch Liberalen Gemeinde Or Chadasch, der auch Alice Bloch seit den 1980er Jahren angehörte, weiß noch über sie zu berichten. Bereits über seine Großeltern und Eltern hatte er sie kennen gelernt und hielt bis zu ihrem Tod den Kontakt mit ihr. Eine sehr selbstbewusste und temperamentvolle Frau sei sie gewesen, schildert er. In ihren zahlreichen Gesprächen sei immer wieder die Ausstattung der Saarbrücker Synagoge, auf die sie sehr stolz war, Thema gewesen. Ebenso äußerte sie unaufhörlich ihren Verdruss darüber, dass die eigene Gemeinde ICZ den Thoraschmuck, den sie in deren Auftrag ausgeführt hatte, nie in Gebrauch genommen habe. Die Begründung: Er sei zu modern! Und Dr. Daniel Teichman, Sohn des Rabbiners der Gemeinde ICZ Dr. Jakob Teichman (1959-1967), stellte ein Foto aus dem Familienalbum zur Verfügung, das Alice am Tag der Goldenen Hochzeit ihrer Eltern im Jahr 1960 zeigt. Auch die saarländische Journalistin Doris Döpke, die sich im Rahmen zweier Beiträge in der Saarbrücker Zeitung mit Alice Bloch befasste, hatte 1998 noch die Gelegenheit, mit der mittlerweile 85-Jährigen zu telefonieren, befragte sie jedoch schwerpunktmäßig zur jüdischen Musik in Saarbrücken, da ihr Vater Leon Bloch, bis zur Volksabstimmung am 13. Januar 1935 Organist der hiesigen Synagogengemeinde war.
Zwölf Jahre später widmete sie sich in einem zweiten Artikel der „Goldschmiedin der Synagoge“. Auch sie erinnert sich an eine auch im hohen Alter noch recht lebhafte Gesprächspartnerin. Leider blieb die Ankündigung von Alice Bloch Martin Dreyfus gegenüber, ihren Nachlass der Saarbrücker Synagogengemeinde überlassen zu wollen, nur eine Absichtserklärung. Schriftlich festgehalten hat sie dies nicht und so ist selbiger vermutlich verloren. Eine Anfrage bei zahlreichen Schweizer Synagogen nach von ihr geschaffenen Objekten steht für die zukünftige Forschung noch aus. Und so zeugen bisher im Wesentlichen die Kunst- und Kultgegenstände, die sie für die Saarbrücker Synagoge schuf, von ihrem künstlerischen Können.
Leben und Ausbildung in Saarbrücken
Alice Charlotte Bloch erblickte am 15. Februar 1913 in Saarbrücken das Licht der Welt und wuchs mit ihren beiden Schwestern, der zwei Jahre älteren Meta Babette und der sechs Jahre jüngeren Gertrud Therese in der St. Johanner Bruchwiesenstraße 16 auf. Die Eltern, Leon und Berta Bloch, waren im Jahr 1910 von Zweibrücken nach Saarbrücken gezogen. Der Vater war Schweizer, geboren am 6. Februar 1883 in Kreuzlingen am Bodensee im Kanton Thurgau, und wie dieser besaßen auch die Töchter die Schweizer Staatsbürgerschaft. Dies sollte ihnen später die Emigration erleichtern. Die Mutter, geboren am 23. Dezember 1878, war eine geborene Annathan und stammte aus Zweibrücken. Leon Bloch arbeite zunächst in seinem Beruf als Ingenieur bei den Firmen Ernst Heckel, Dingler und Karcher sowie Erhardt und Sehmer. 1923 allerdings wechselte der ebenso musisch Begabte - er hatte neben seinem Ingenieursstudium in der Schweiz auch eine musikalische Ausbildung (Klavier, Gesang, Komposition) absolviert - hauptberuflich als Organist und Chorleiter des 50-köpfigen gemischten Synagogenchores zur Saarbrücker jüdischen Gemeinde. Durch sein perfektes Harmoniumspiel sowie sein außerordentliches Engagement in der Gemeindearbeit trug er ganz wesentlich zu der professionellen musikalischen Ausgestaltung der Gottesdienste bei.
Nach dem Abschluss an der Mittelschule – vermutlich besuchte sie wie ihre Schwestern die Cecilienschule in der Bruchwiesenstraße - entschied sich Alice zunächst für eine Ausbildung als Grafikerin. Dieses Berufsziel änderte sich schnell, als sie an der Kunst- und Kunstgewerbeschule die Metallwerkstatt kennen lernte. Goldschmiedin zu werden, ein Beruf der sie ihr Leben lang begeistern sollte, reizte sie jetzt viel mehr. Wobei ihr zeichnerisches Talent ihr auch hierbei recht nützlich war. Ihre Lehre absolvierte sie bei dem Saarbrücker Goldschmiedemeister Helmut Lang, der zugleich an der Staatlichen Kunst- und Kunstgewerbeschule in Saarbrücken unterrichtete. Nach ihrer Gesellenprüfung arbeitete sie für wenige Monate, vom 10. September 1934 bis zum 15. Januar 1935, in der soeben eröffneten Goldschmiedewerkstatt von Anne Cormann (1907-2002), der Tochter des Saarbrücker Musikdirektors Viktor Cormann.
Parallel zu ihrer betrieblichen Berufsausbildung besuchte Alice als eine von wenigen Frauen, die 1924 von der Regierungskommission gegründete Staatliche Kunst- und Kunstgewerbeschule am Ludwigsplatz. Von Ostern 1929 bis Ostern 1935 belegte sie, vermutlich als sogenannte „Nebenschülerin“, die Kurse der Zeichenvorklasse, die der Ornamententwurfsklasse sowie die der Werkstatt für Metallbearbeitung. Als Ergänzungsfächer belegte sie Anatomie, Kunstgeschichte, Stilkunde, Projektionslehre und Perspektive, Möbelzeichnen, Ornamententwurf und Schrift. Im Fach Schriftkunst, das für alle Schüler obligatorisch war, hospitierte sie alsbald. Die Ausbildung an der Kunstgewerbeschule war seinerzeit noch sehr eng mit der handwerklichen Ausbildung unter Führung der Handwerkskammer verbunden. Für die Lehrlinge bot die Schule daher Nachmittags- und Abendklassen an. Zu Alices Lehrern zählten unter anderem der Direktor der Schule Fritz Grewenig, der die Zeichen- und Malklasse leitete, sowie Oskar Trepte und Adolf Bauer, die zusammen mit dem Goldschmiedemeister Helmut Lang Ornament und Entwurf sowie in der Klasse für Gold-, Silber-und Kupferschmiede unterrichteten. Die Schule legte neben dem Entwerfen großen Wert auf die praktische Umsetzung und die Verknüpfung der einzelnen Fachbereiche, sowohl in der Weberei, der Metall- und Holzwerkstätte als auch in der Raumgestaltung. Das Credo der Schule orientierte sich am Programm des frühen Bauhauses und ihr pädagogisches Konzept entsprach dem Stand der Zeit. „Großer Wert wurde auf zeitgemäßes Schaffen gelegt“, schreibt Alice in ihrem Lebenslauf 1985.
Diese fundierte Ausbildung an der Saarbrücker Kunst- und Kunstgewerbeschule legte den Grundstock für Alices späteres Schaffen als Gold- und Silberschmiedin. Das Schulgeld für die „Nebenschüler“ betrug übrigens 450 Frs., „Hauptschüler“ mussten das Doppelte zahlen. Da sie zudem die Kosten für ihre Materialien wie Gold, Silber und auch die Edelsteine selbst tragen mussten, durften die Schüler bereits während der Ausbildung für eigene Kunden arbeiten. So bekam Alice Bloch bereits in diesen Jahren die Möglichkeit, mehrere Gegenstände zum Andenken an Verstorbene für die Saarbrücker Synagoge zu fertigen. Sie gestaltete beispielsweise eine silberne Ewiglichtlampe, eine Merktafel für Sidra und Haftara aus Silber und Ebenholz und eine Sederplatte zur rituellen Darreichung der Speisen vor dem Pesachmahl, gefertigt aus Kristall mit einer Silberumrahmung, versehen mit hebräischen Inschriften. Alice zählte zu den besten Absolventen der Staatlichen Kunst- und Kunstgewerbeschule. Die Professoren Oskar Trepte und Fritz Grewenig bestätigten ihr am 19. Februar 1935, kurz bevor sie das Land verlassen musste, dass sie alle Fächer mit sehr gutem Erfolg abgeschlossen hatte. Ihre insgesamt vierjährige Lehrzeit hatte sie indes „nur“ mit der Note „gut“ auf ihrem Gesellenbrief beendet, der ihr am 26. April 1934 von der Saarbrücker Handwerkskammer ausgestellt wurde. Dass die Diskrepanz der Notengebung Resultat der massiven deutsch-nationalen Bestrebungen innerhalb der Handwerkskammer war und an der daraus resultierenden allgemeinen Ausgrenzung der jüdischen Bevölkerung lag, bleibt zu vermuten. Die Note „Gut“ auf ihrem Gesellenbrief schien jedoch auch dem Meisterbeisitzer des Prüfungsausschusses der Handwerkskammer, dem Saarbrücker Goldschmiedemeister Karl Brems, nicht angemessen. In einem von der Freien Uhrmacher- und Goldschmiedeinnung am 16. März 1935 ausgestellten und von ihm unterzeichneten Zeugnis bescheinigte er, dass die theoretischen wie praktischen Leistungen von Alice Bloch das Prädikat „Sehr gut“ verdient hätten und diese einer „Meisterprüfung vollauf genügt“ hätten. Zudem bedauerte er, dass aufgrund der „jetzigen Verhältnisse“ Alice Bloch als Kollegin „verloren“ ging. Hier in Saarbrücken und an der hiesigen Kunst- und Kunstgewerbeschule hätte Alice auch gerne noch ihre Meisterprüfung abgelegt, was ihr die politische Situation jedoch unmöglich machte. Infolge der Saarabstimmung verließ Alice Bloch mit ihrer Familie Ende Februar 1935 das Saargebiet. Sie zog in die Schweiz, nach Zürich, wo sie seit dem 4. März 1935 offiziell gemeldet war und wo sie am 26. Juli 2005 im Alter von 93 Jahren alleinstehend und ohne nähere Verwandte versterben sollte. Alice Bloch wurde auf dem Friedhof der Liberalen Gemeinde Or Chadasch, der sie seit den 1980er Jahren angehörte, in Zürich-Albisrieden bestattet.
Ein schwerer Neuanfang in Zürich
Die Familie des Vaters war zwar in Zürich verwurzelt, dennoch war das Leben dort zunächst nicht leicht. Finanzielle Sorgen plagten sie. Der Vater sollte erst 1937 wieder eine feste Anstellung bei der Züricher Rechenmaschinenfabrik H.W. Egli finden.
Alices Ausbildung an der Saarbrücker Kunstgewerbeschule wurde in der Schweiz nicht anerkannt, so dass sie weder eine Anstellung finden konnte, noch sich freiberuflich niederlassen durfte. Hinzu kam die Tatsache, dass man in jenen Jahren als Frau allgemein größte Mühe hatte, einen qualifizierten Arbeitsplatz zu finden. Obendrein schlugen ihr die starken Ressentiments der Schweizer Bevölkerung gegenüber Flüchtlingen aus Deutschland entgegen. Von November 1935 bis zum Frühjahr 1943 besuchte sie daher die renommierte Kunstgewerbeschule in Zürich, die in der Nachfolge von Alfred Altherr ab 1938 von Johannes Itten, der von 1919-1922 am Bauhaus unterrichtet hatte, geleitet wurde. Auch hier war sie wieder eine der wenigen Frauen in ihrem Fach, denn erst 1931 hatte die Züricher Schule die erste Silberschmiedin diplomiert. Drei Tage in der Woche besuchte Alice den Weiterbildungsunterricht und nahm an den Kursen der Metallklasse von Martin Johann Vermeulen teil, vertiefte hier ihre umfassende künstlerische Ausbildung in den Bereichen Schmieden, Treiben, Montieren und Gravieren. Ihre jeweiligen Abschlussarbeiten wurden auch von den Züricher Dozenten durchweg mit „sehr gut“ und „gut“ bewertet. „Ihre Arbeiten zeugten von einer persönlichen Auffassung“ heißt es in der Bescheinigung der Kunstgewerbeschule, die diese ihr am 30. Mai 1958 im Zuge ihres Entschädigungsverfahrens ausstellte. So konnte sie fünf ihrer Objekte auf der 1939 durchgeführten „Ausstellung von Schülerarbeiten der Gewerbeschule Zürich, Kunstgewerbliche Abteilung“ vorstellen. Die Ausstellung wurde an verschiedenen Orten in der Schweiz gezeigt.
Israelitisches Wochenblatt:
„Meisterin ihres Faches“
Ein Bericht des schweizerischen „Israelitischen Wochenblattes“ vom 23. Februar 1940 lobt sie in höchsten Tönen als „Meisterin ihres Faches“ und bezeichnet sie als „wohl (…) die einzige hervorragende jüdische Goldschmiedin unseres Landes“. Die „klare, oft sehr originelle Stilgebung“ sowie „die Sauberkeit der Detailausführung“ ihrer Leuchter, Becher, Serviettenringe, Juwelenfassungen, Kultgegenstände, Kannen oder Wappen begeisterten den Autor. Von der Züricher Kunstgewerbeschule erhielt sie das Angebot, dort zu unterrichten. Da sie dann jedoch keine eigenen Arbeiten hätte anfertigen dürfen, verzichtete sie auf die existenzsichernde Lehrtätigkeit und richtete sich 1943 in Zürich in der Wohnung ihrer Eltern in der Stampfenbachstraße 140 eine eigene Werkstatt ein. Infolge des Krieges blieben die notwendigen Aufträge jedoch zunächst aus. Erst ab 1947 sei es ihr gelungen, ein auskömmliches Einkommen mit ihren Arbeiten zu erzielen, heißt es in den Akten. In den vorangegangenen Jahren hatte sie durch Vermittlung des Arbeitsamtes Zürich lediglich ein Darlehen in Höhe von 2000 sfr. zur Beschaffung des notwendigen Werkzeuges erhalten. Mit kleineren Arbeiten, die sie zwischendurch immer mal wieder anfertigen konnte, hielt sie sich finanziell über Wasser. Ansonsten unterstützte ihr Vater sie, so gut es ging.
Ihr künstlerisches Schaffen
Für Alice Bloch war ihr Beruf mehr als ein Broterwerb, er galt ihr als Berufung. Sie arbeitete immer selbstständig, betrieb solange sie es gesundheitlich konnte ihre eigene Werkstatt, in einem Raum in ihrer Wohnung. Sie entwarf für eine Vielzahl der schweizerischen Synagogen sowie jüdische Stiftungen religiöse Kultobjekte. Sie führte private Aufträge aus, gestaltete Schmuck und Alltagsgegenstände. So habe sie die Eheringe der Eltern von Martin Dreyfus angefertigt, weiß dieser zu berichten, oder auch die silbernen Serviettenringe, die in der Familie täglich in Gebrauch waren oder einen silbernen Kerzenständer anlässlich des Geburtstages des Großvaters 1956. Servierplatten, Teller, Besteck, Serviettenringe zählten zu ihrem vielfältigen Repertoire. Mit einem sicheren Gespür für den Träger oder meist die Trägerin fertigte sie Schmuck, am liebsten vollständige Garnituren mit Anhänger, Ohrringen, Armband, Ring und Brosche. Besonders gerne verarbeitete sie Brillanten, heißt es in einem Bericht über sie im „Schweizer Frauenblatt“ vom 3. Oktober 1958. Auch der Umgang mit altem Schmuck fesselte sie, egal ob sie ihn stilgerecht umarbeitete oder daraus ein neues Stück herstellte. Der Schmuckherstellung galt eine ihrer Leidenschaften. Für alle Stücke fertigte sie zuvor detailreiche Entwürfe an. Leider kennen wir bisher weder ein Schmuckstück aus ihrer Hand noch eine der Zeichnungen. Lediglich die Entwürfe für den Züricher Filmpreis und einen Kerzenhalter, entworfen als Verdienstauszeichnung der Stadt Zürich (dieser wurde nicht angenommen), sind bisher bekannt. Für den jährlich von der Stadt Zürich vergebenen Filmpreis gestaltete sie einen silbernen Köcher, in enger Anlehnung an die Esther-Rollen-Hüllen. Die Erzählung der Königin Esther wird auf Pergament geschrieben und oft reich illustriert, das Pergament eingerollt und in einer edlen Hülle verwahrt. Als Höhepunkt des Purimfestes wird die Geschichte vorgelesen. Nicht nur die Form der Hülle, auch das Pergament übernahm Alice Bloch bei der Gestaltung der Film-Auszeichnung. Ihr Entwurf wurde von allen Verantwortlichen hoch gelobt und der von ihr gestaltete Preis von 1957 bis 1965 vergeben.
Alice Bloch profilierte sich als ausgezeichnete Künstlerin für jüdische Kultusgegenstände. Sie entwarf Toravorhänge, schuf Toraschmuck, Kidduschbecher und Besamimbehälter, Ewig-Licht-Lampen und Chanukka–Leuchter oder Menorot (Siebenarmige Leuchter) für zahlreiche jüdische Gemeinden der Schweiz und darüber hinaus. In dem von ihr 1985 erstellten Werkverzeichnis nennt sie neben der Züricher Gemeinde ICZ, St. Gallen, Bern, Lugano und Konstanz, sowie Tours, Luxemburg und New York als Auftraggeber.
Alice Bloch empfing viele Besucher, darunter hochrangige Vertreter jüdischer Gemeinden aus aller Welt, in ihrer kleinen Werkstatt. Unter diesen befand sich Ende der 1940er Jahre besonders oft ein Gast aus Saarbrücken, Alfred Levy, Präsident der 1946 neugegründeten Nachkriegs-Synagogengemeinde Saar. Von ihm sollte sie den Auftrag erhalten, an der Ausstattung der geplanten neuen Synagoge in ihrer Geburtsstadt maßgeblich mitzuwirken.
Kultgegenstände und Dekorationsentwürfe für die Saarbrücker Nachkriegssynagoge
Für die Saarbrücker Synagoge fertigte Alice Bloch sämtliche kultischen und dekorativen Gegenstände: Toraschrein und Vorbeterpult, das Ner Tamid (Ewig-Licht-Lampe), die beiden 2,40 Meter hohen Menorot (Siebenarmige Leuchter) zu beiden Seiten des Toraschreins sowie die auf dem Toraschrank angebrachten Gesetzestafeln. In die Wand links des Vorbeterpults brachte sie eine in Marmor eingelassene bronzene Gedenktafel an, die bis heute an die Opfer des Nationalsozialismus erinnert, und rechts als Pendant einen aus Bronze geschmiedeten Chanukka-Leuchter. Auch die Entwürfe für die Vorhänge am Toraschrein und die korrespondierenden Decken des Vorbeterpultes stammen von ihr. Ausgeführt nach ihren Vorgaben wurden diese von Esther Bloch, der Inhaberin der alteingesessenen Firma für Synagogenstickerei Durlacher mit Sitz in Paris und Straßburg. Ebenso gestaltete sie den dreiteiligen Schmuck für drei Torarollen. Ob die Entwürfe für die jeweiligen Toramäntel auch von ihr stammen, scheint fraglich. Sie könnten nach vorhandenen Vorlagen der Firma Durlacher gefertigt worden sein. Ferner schuf sie das Hawdala-Set, den Kidduschbecher sowie die Zierelemente für das rituelle Handwaschbecken. Auch die Ziersprüche über den Eingängen zur Synagoge gehen auf sie zurück.
"Die Arbeiten, die Alice Bloch für die Saarbrücker Synagoge geschaffen hat, zeugen von hoher Qualität, innovativem Charakter und spiegeln handwerkliches Können, technische Perfektion und gestalterische Kreativität wider."
Die Arbeiten, die Alice Bloch für die Saarbrücker Synagoge geschaffen hat, zeugen von hoher Qualität, innovativem Charakter und spiegeln handwerkliches Können, technische Perfektion und gestalterische Kreativität wider. Den Geist des Bauhauses, dessen Forderungen nach Einfachheit und Ehrlichkeit in Entwurf und Gestaltung, hatte sie bereits an der Saarbrücker Kunstgewerbeschule quasi in die Wiege gelegt bekommen. Er sollte sich an der Kunstgewerbeschule in Zürich manifestieren. Hier unterrichteten seit den zwanziger Jahren Max Bill und Max Fröhlich wie auch der Chefentwerfer des renommierten Züricher Juweliergeschäftes Burch-Korrodi, Kurt Aepli, die Metallklassen. Die Theorien von Max Bill und sein Bekenntnis zum „rationalen Stil“ prägten die Ausbildung an der Züricher Kunstgewerbeschule über Jahrzehnte hinweg. Auch eine der bekanntesten Schweizer Silberschmiedinnen, die aus Luzern stammende Martha Flueler-Haefeli (1902-1983), deren künstlerischer Schwerpunkt neben der Schmuckgestaltung ebenfalls auf (christlichem) sakralem Gerät lag, besuchte die Weiterbildungskurse der Züricher Schule. Sie verlegte ihr 1941 in Luzern eröffnetes Atelier 1956 nach Zürich.
Alice Bloch gehörte zwar bereits der zweiten Generation der erfolgreichen Gold- und Silberschmiedinnen an. Die Pionierinnen, die das bis zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts rein männerdominierte Kunsthandwerk als Erste für sich eroberten, sind meist kurz vor der Jahrhundertwende geboren. Dennoch war der von Alice gewählte Berufswunsch recht außergewöhnlich und eine Ausbildung in diesem Handwerk für Frauen immer noch alles andere als selbstverständlich. Und die Erfahrung, dass es sich äußerst schwierig gestaltete, als Frau eine Anstellung in einer Goldschmiedewerkstatt zu finden, teilte sie mit fast allen ihrer Berufskolleginnen. So blieb den Frauen meist nur der couragierte Weg in die Selbstständigkeit. Verheiratet waren die wenigsten. Mit zahlreichen ihrer Mitstreiterinnen teilt Alice Bloch ebenso das Schicksal, trotz beachtenswerter Leistungen, zu den Gold- und Silberschmiedinnen zu gehören, deren künstlerisches Werk in Vergessenheit geraten ist und bisher nicht wissenschaftlich aufgearbeitet worden ist. Daher kann auch dieser Beitrag nur als erster Versuch angesehen werden, einen Einblick in ihr Leben und ihr Schaffen zu vermitteln.